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Wokeismus
Der Begriff Wokeismus (Wortkreuzung aus dem englischen Beiwort woke und der Nachsilbe -ismus[wikt]) ist eine Fremdbezeichnung für linke Identitätspolitik, vorzugsweise intersektional.[1]
Theorie der Wokeness-Bewegung
Der Wokeness-Kritiker James Lindsay hat am 25. Dezember 2020 den bahnbrechenden Text "Psychopathy and the Origins of Totalitarianism"[ext] - Psychopathie und die Ursprünge des Totalitarismus - veröffentlicht, der als Theorie der Wokeness-Bewegung vollständiger ist als alles, was ich bis dahin darüber gelesen hatte. Ich glaube, dass diese Theorie und ihr zentrales Konzept, Pseudo-Realität, für das Verständnis des Phänomens und für Widerstand dagegen äußerst nützlich sein können. Im Folgenden gebe ich daher Lindsays Überlegungen wieder, wie ich sie verstehe. Teilweise bin ich dabei nahe am Originaltext, an anderen Stellen habe ich eigene Erläuterungen oder Beispiele hinzugefügt, wo ich es für sinnvoll hielt. Lindsays Text ist sehr dicht und abstrakt und daher etwas mühsam zu lesen. Ich ziele hier nicht darauf, dieselbe Dichte zu reproduzieren, sondern will vor allem die Kerngedanken in einer relativ leicht verständlichen Form auch im Deutschen verfügbar machen.
Der Begriff Pseudo-Realität ist keine Erfindung von Lindsay, sondern stammt aus dem Aufsatz "Missbrauch der Sprache, Missbrauch der Macht" des Philosophen Josef Pieper[wp] aus den frühen 1970er Jahren. Er handelt davon, dass Menschen (Sophisten[wp]) Sprache manipulieren können, um sich Macht anzueignen, und die Sprache damit korrumpieren, und damit sind wir beim Thema. Lindsay stellt fest, dass sich viele Gräuel der Geschichte auf die Entstehung von Pseudo-Realitäten zurückführen ließen. Pseudo-Realitäten führen unausweichlich zu Tragödien, und zwar in dem Maß, in dem die, die an sie glauben, Macht in die Hände bekommen. Und genau dies, Macht, ist ihr primäres Interesse. Pseudo-Realität als Machtquelle Pseudo-Realitäten sind falsche Konstruktionen der Wirklichkeit, die ein oberflächlich plausibles, aber falsches Verständnis von ihr abbilden. Es sind unwahre Erzählungen über die Beschaffenheit der Welt, die sich tarnen, indem sie sich an vereinzelten Körnchen Wahrheit festmachen, wie ein Bündel Falschgeld unter einer echten Note, die sichtbar ganz oben liegt. Es sind Unwahrheiten, die von der Warte einer oberflächlichen und selektiven Wahrnehmung aus wahr aussehen. Die Videos von George Floyds Verhaftung und Tod sind Realität; die Theorien des allumfassenden Rassismus, die damit in die Köpfe geschmuggelt werden, sind Pseudo-Realität. Man erkennt das bei näherer Betrachtung erstens daran, dass die Behauptungen der Pseudo-Realität sich selbst widersprechen[ext], und zweitens daran, dass sie falsche Tatsachen behaupten oder suggerieren, in diesem Fall vor allem die, dass Weiße in den USA aus rassistischen Gründen massenhaft Schwarze töteten. Die Statistiken zeigen, dass das nicht wahr ist.[ext] Das "Patriarchat" im feministischen Sinn wäre ein weiteres Beispiel. Realität ist, dass die meisten Machtpositionen von Männern besetzt werden. Pseudo-Realität ist, dass daraus abzuleiten sei, dass alle oder die meisten Männer an dieser Macht teilhätten oder dass das Verhältnis zwischen den Geschlechtern grundsätzlich und überall von einem Machtgefälle zugunsten der Männer gekennzeichnet sei. Um dies daraus abzuleiten, muss man beispielsweise unterschlagen, dass auch viele statusniedrige und anderweitig unattraktive Arbeiten vornehmlich von Männern ausgeführt werden, während jene mächtigen Männer zwar sehr sichtbar sind, aber zahlensmäßig nur eine kleine Gruppe darstellen. Realität ist, dass es Transsexuelle gibt; Pseudo-Realität ist, dass die Zweigeschlechtlichkeit eine beliebige, zu Unterdrückungszwecken geschaffene "soziale Konstruktion" sei. Was haben die Urheber einer Pseudo-Realität davon, sie zu erfinden und zu verbreiten? Hier wird es interessant. Lindsay behauptet, dass es sich bei den treibenden Kräften um Individuen mit bestimmten Psychopathologien handele, die sie unfähig machen, mit den Realitäten des Lebens zurechtzukommen. Die Pseudo-Realität hilft ihnen, trotz dieser Unfähigkeit ein Leben in Gesellschaft zu führen, vielleicht sogar ein erfolgreiches, und dabei eine bewusste Konfrontation mit der eigenen Pathologie zu vermeiden. Hieran wird erkennbar, wie das Machtstreben der Anhänger einer Pseudo-Realität ins Spiel kommt, das ihr primärer Antrieb ist. Wenn ich der einzige bin, der an eine Pseudo-Realität glaubt, komme ich unter die Räder, bin mehr oder weniger auf ein Schattendasein beschränkt und kann langfristig kaum der Frage ausweichen, ob mit mir etwas nicht stimmt. Wenn ich aber andere manipulieren und nötigen kann, an meiner Pseudo-Realität teilzunehmen, dann kann ich es mir halbwegs behaglich mit meiner Pathologie einrichten und ein aktives, soziales Leben führen, sogar ein privilegiertes im Scheinwerferlicht; nicht trotz meines manipulativen Verhältnisses zur Wirklichkeit, sondern dank ihm. Pseudo-Realitäten sind soziale Fiktionen, die nicht deswegen überleben, weil sie mit der Realität korrespondieren, sondern weil genug Menschen an sie glauben oder ihnen zumindest nicht entgegentreten. Es sind Macht gewährende linguistische Verzerrungen der Realität. Sie erfordern umgekehrt Macht, Manipulation und letztlich Gewalt zu ihrer Aufrechterhaltung. Somit sind sie "eine natürliche Spielwiese für Psychopathen" (Lindsay). Pseudo-Realität und Psychopathie Der das Konzept Psychopath/Psychopathie hier eine zentrale Rolle spielt, zitiere ich einen Ausschnitt aus dem Wikipedia-Artikel, der es gut auf den Punkt bringt:
Fehlen von Empathie, Fehlen von Gewissen/Schuldbewusstsein und manipulatives Verhalten - man sieht sofort, wie das zu bestimmten Typen von Aktivisten passt und wie die Annahme bestimmter Ideologien zum geeigneten Mittel werden kann, diese Eigenschaften auszuleben. Immer wieder staunen Beobachter der Wokeness über die Neigung ihrer Vertreter zur Projektion. Mit verblüffender Regelmäßigkeit werfen sie den von ihnen Angegriffenen alle möglichen Eigenschaften und Verfehlungen vor, die bei ihnen selbst hervorstechen - ein Extrembeispiel ist die Häufung männlicher Feministen, die Frauen missbrauchen[ext]. Andere prominente Beispiele sind Vorwürfe von Rassismus und Sexismus, Lügen und Manipulation, Hass und Hetze oder der Einschüchterung von Gegnern durch Online-Mobs. Doch das beste und wichtigste Beispiel ist das Thema Macht selbst. Für Social-Justice-Aktivisten besteht die ganze soziale Wirklichkeit tendenziell nur aus Machtstreben und Machtausübung. Dies ist eine arg verkürzte, ins Zynische verzerrte und meist schlicht falsche Deutung sozialer Wirklichkeit, wo Macht(streben) ein Faktor ist, aber eben nur ein Faktor unter vielen. Die Aktivisten selbst sind in ihrer aktivistischen Tätigkeit allerdings hauptsächlich von Machtstreben geleitet und projizieren dies auf die normale soziale Wirklichkeit. Hier sieht man auch, wie die Projektion als Rechtfertigung und Befreiung von Schuld funktioniert. Sie sind Täter, die sich als Opfer der Umstände sehen und einfordern, auch von anderen als solche gesehen zu werden. Diese Opferrolle nutzen sie als Machtmittel, wann immer sie für ihre Täterschaft zur Rede gestellt oder zur Verantwortung gezogen werden, und machen damit die, die sie zur Verantwortung ziehen (wollen), zu Tätern. Indem sie alles menschliche Verhalten als Machtausübung interpretieren, erscheint innerhalb ihrer Pseudo-Realität ihr eigenes Verhalten nicht als Machtausübung, sondern als Befreiung von der Machtausübung anderer. Diese Umkehrung funktioniert im Kleinen wie im Großen. Sie charakterisieren die freiheitlichen Gesellschaften als durch und durch tyrannisch und ihre eigene totalitäre Agenda als einzige Möglichkeit zur Befreiung von dieser Tyrannei. Funktionale Psychopathen und nützliche Idioten Menschen, die die Pseudo-Realität bewohnen, werden funktional psychopathisch. Sie nehmen ein psychopathisches Verhalten an, das sie nicht isoliert oder in der Psychiatrie enden lässt, sondern sozialen Erfolg und Aufstieg in Machtpositionen ermöglicht. Hier ist also in zweifachem Sinn von Psychopathie die Rede - einmal von der echten Psychopathie von Akteuren im inneren Kreis, also den Erfindern, wahren Gläubigen und Fanatikern der Pseudo-Realität, und der funktionalen Psychopathie derjenigen, die zunächst geistig gesund sind, aber psychopathische Eigenschaften annehmen, indem sie unter dem Einfluss der Ideologen ihr Verhalten an einer psychopathischen Theorie der Wirklichkeit ausrichten. Das Funktionale an dieser Psychopathie zeigt sich auch darin, dass Pseudo-Realisten von normalen Menschen meist zunächst für normal gehalten werden. Das ist ein zentraler Mechanismus der Ausbreitung der Pseudo-Realität, der dafür sorgt, dass nur wenige sich ihr entgegenstellen, und es denen schwer macht, die es tun. Normale Menschen unterstellen zunächst, dass es sich bei den Pseudo-Realisten ebenfalls um normale Menschen handele. Daher unterstellen sie auch, dass sie mit ihren Thesen etwas Sinnvolles und Vernünftiges meinen müssten, auch wenn es in weiten Teilen nicht so klingt. Beispielsweise ist es erstaunlich schwierig, normale Menschen davon zu überzeugen, dass eine Bewegung, die sich unter Losungen wie "Kill all Men" und "Men are Trash" versammelt, womöglich nicht vernünftig und wohlwollend ist. Normale Menschen im Wirkungskreis der Pseudo-Realität liefern somit Tarnung und Deckung für die radikalen, pseudo-realen Behauptungen und Forderungen der Pseudo-Realisten. Deren Gedankengebäude machen einem dieses Rationalisieren und Schönreden leicht, indem sie meist ein vernünftiges X mitbringen, hinter dem sie ihr weniger vernünftiges Y verstecken können, wenn nötig. Deswegen haben alle wichtigen Begriffe, die sie verwenden, doppelte Bedeutungen, die eine Motte-Bailey[wp]-Strategie ermöglichen.[2] Lindsay charakterisiert die wohlwollenden, eigentlich gesunden und intelligenten Menschen, die darauf hereinfallen, als "nützliche Idioten". Zielgruppen der Pseudo-Realität Pseudo-Realitäten sind Missbrauch von Sprache, der Missbrauch von Macht ermöglicht. Sie sind daher attraktiv für Menschen mit sprachlichem Geschick, die ein Bedürfnis nach Kontrolle über andere haben, und vielleicht sonst nicht viele nützliche Talente. Wenn eine Pseudo-Realität einmal angefangen hat, Wurzeln zu schlagen, zieht sie weitere solche Personen an, die die Fähigkeit und Bereitschaft mitbringen, sich durch die Manipulation von Diskursen Macht und Ressourcen anzueignen. Die primäre Zielgruppe der Pseudo-Realität bilden Mittelschichts-Akademiker, wie sie in hoher Zahl im Wissenschaftsbetrieb, in den Medien, im Bildungssystem und in der Politik anzutreffen sind. Hier ist der primäre Resonanzraum, in dem die Pseudo-Realität funktioniert. In diesen Kreisen beruhen Status und Erfolg stark auf dem Ansehen und der Billigung der Peer Group. Deshalb kann eine Pseudo-Realität dort mehr zum Medium von Karriere- und Machtstreben werden als anderswo, wo es wichtiger ist, dass Vorstellungen von der Realität dieser auch entsprechen. Diese Menschen reagieren besonders empfindlich auf die Gefahr, dass Standesgenossen ihre Intelligenz, Bildung oder moralische Integrität in Frage stellen könnten, da ihr Selbstwertgefühl und ihr Status stark von diesen Qualitäten abhängen. Sie wollen sich um keinen Preis nachsagen lassen, zu dumm zu sein, um die Theorie zu verstehen, die in der guten Gesellschaft als wahr und richtig gilt, oder moralisch dem Pöbel nahezustehen, der sie - gewiss aus Dummheit oder Rohheit - ablehnt. Sie lassen sich daher leicht von den Angriffen und Forderungen der Pseudo-Realität unter Druck setzen, auch wenn sie zunächst nicht gläubig sind. Wann immer sie diesem Druck nachgeben, rationalisieren sie dies nachträglich (d.h. denken sich "gute Gründe" dafür aus - ein normaler Vorgang der Dissonanzreduktion) und mauern sich damit fester in die Pseudo-Realität ein. So verlieren sie allmählich die geistigen Ressourcen, die nötig sind, um sie in Frage zu stellen, während sie zugleich äußerlich von ihren Peers abhängig bleiben, was ein ständiger starker Anreiz ist, sie nicht in Frage zu stellen. Die Verzerrungen der Realität sind missbräuchliches, manipulatives Verhalten. Sie manipulieren die Verletzlichkeit von Menschen, was eine bekannte Technik der Sektenrekrutierung ist. Sie bestärken Menschen in ihrem Gefühl der Verletzung, um sie für den Kampf gegen "das System" zu gewinnen, das an der Verletzung schuld sei, und um ihre Theorie als Lösung zu präsentieren. Je mehr Verletzung, desto manipulierbarer, desto besser. Statt verletzten Menschen bei der Heilung zu helfen, hämmert man ihnen ein, dass ihre Verletzung ein Normalzustand und unermesslich groß und tief sei und erst in der verwirklichten Utopie überwunden werden könne. Die Mission besteht darin, allen Menschen klarzumachen, dass sie in dieser Weise zutiefst verletzt und beschädigt seien. (In der Theorie stellt bereits die Sozialisierung in "Systeme des Rassismus" sowie das sozial konstruierte Unterdrückungssystem der Zweigeschlechtlichkeit und Heterosexualität hinein eine solche tiefe Verletzung und Beschädigung aller dar.) (Kein Witz) (Witz) Diese Manipulation wirkt am effektivsten auf tatsächlich emotional Verletzliche und psychisch Kranke, insbesondere solche, die Schwierigkeiten haben, mit den Regeln und Härten der Realität zurechtzukommen, sowie auf Naive, Wütende und Enttäuschte. So kann die Pseudo-Realität eine Masse von Sympathisanten aufbauen, von denen einige ihre Psychopathologien übernehmen. Dies ist die Alchemie des pseudo-realistischen Projekts: sonst normale Menschen in psychologisch, emotional und spirituell gebrochene Erfüllungsgehilfen zu verwandeln, die nicht mehr mit der Realität umgehen können und daher die Pseudo-Realität bevorzugen müssen, und diese Menschen strategisch einzusetzen. Beweislastumkehr und Kontrolle Pseudo-Realisten behaupten, man müsse die Welt durch eine bestimmte theoretische Linse, mit einem bestimmten ("kritischen") Bewusstsein, aus einem bestimmten Blickwinkel wahrnehmen, um sie richtig wahrzunehmen, und wirft Außenstehenden vor, dazu unfähig zu sein. So wird zwischen Sehenden und Blinden unterschieden, zwischen denen mit kritischen und denen mit falschem Bewusstsein, denen, die wach seien, es verstanden hätten, und den Ignoranten etc. Die Beweislast liegt plötzlich bei denen, die die Realität bewohnen, denen ständig entgegengehalten wird, sie hätten die Theorie nicht verstanden und sich nicht genug damit auseinandergesetzt. Je mehr sich das totalitäre System manifestiert, desto mehr wird aus dem Vorwurf des Unverständnisses der Vorwurf, sich der Wahrheit böswillig zu verweigern. Dieser Böswilligkeit kann man dann auch mit Strafe und Zwang zuleibe rücken, also mit Gewalt. Der oberste Zweck von Pseudo-Realitäten ist, wie erwähnt, ihren Teilnehmern Macht zu verschaffen. Das tun sie auf verschiedene Weise. Etwa indem sie eine Doppelmoral zum Vorteil der Zugehörigen etablieren und moralisch-linguistische Fallen stellen. Zu letzteren gehören Begriffe mit Doppelbedeutungen (Motte/Bailey) sowie das Unterdrucksetzen mit Beweislastumkehr und Kafkafallen (z.B. White Fragility[ext] - das Bestreiten deines Rassismus beweist deinen Rassismus). Für diejenigen, die von den Pseudo-Realisten kontrolliert und tyrannisiert werden und nicht an die Pseudo-Realität glauben, ist es demütigend und demoralisierend, zur Teilnahme an einer Lüge gezwungen zu sein. Doch eine Pseudo-Realität kann nur als solche existieren, wenn nicht für jeden sofort offensichtlich ist, dass sie nicht echt ist; sie muss eine gewisse oberflächliche Plausibilität haben. Daher ist es eine schwierige und frustrierende Aufgabe, ihre Verzerrungen sichtbar zu machen, und der Versuch stößt nicht nur auf den erbitterten Widerstand der Anhänger, sondern auch auf den der nützlichen Idioten. Utopismus Das kleinste Beispiel für eine Pseudo-Realität wäre die Wahnwelt eines Psychiatrie-Patienten. Sein Wahn wird normalerweise behandelt, nicht belohnt und befördert. Doch es ist denkbar, dass er mit rhetorischem Geschick einige Menschen davon überzeugen kann, dass seine Pseudo-Realität eine bessere Deutung der Realität sei als die normale. Dadurch rutscht er in eine Macht- und Führungsposition und sein Wahn wird belohnt und befördert. Noch eine Stufe höher kann eine sektenhafte Pseudo-Realität zur globalen sozialen Bewegung werden. Dazu müssen nur zwei weitere Annahmen zutreffen. Erstens die, dass eigentlich gesunde Menschen verführt und manipuliert werden können, an eine Pseudo-Realität zu glauben. Zweitens die, dass Sekten ideologisch und vor allem utopisch werden können. Utopisch sind sie, wenn sie darauf ausgerichtet sind, in ferner Zukunft eine ideale Gesellschaft zu schaffen. Dies stellen sie als weiten Weg dar, dessen erfolgreiche Beschreitung aber gleichwohl möglichst bald eine Revolution erfordere. Ein solcher utopischer Endpunkt der Gesellschaftsentwicklung spielt eine wichtige Rolle im Denken der woken Ideologen. Ihr pseudo-realistisches Denken nähert sich der Wirklichkeit stets von diesem utopischen Endpunkt her und versteht sie dadurch systematisch falsch. Sie denken sich eine (sehr diffuse) perfekte Gesellschaft und erfinden pseudo-reale Gründe dafür, dass diese perfekte Gesellschaft noch nicht verwirklich ist. Um die realen Gründe dafür ans Licht zu heben, dass die Gesellschaft nicht perfekt ist, müsste man sich gewissenhaft mit der Realität auseinandersetzen. Doch das ist genau das, was die Pseudo-Realisten meiden und nicht können, weil es ihre Illusionen platzen ließe und ihre Pathologien, ihre (auch moralischen) Fehler und ihre Probleme sichtbar machen würde. Sie brauchen die perfekte Gesellschaft gerade deshalb, weil sie mit der bestehenden nicht zurechtkommen und es vermeiden, sich mit den wirklichen Gründen dafür zu konfrontieren. Die Pseudo-Realität ist eine Möglichkeit, in diesem Zustand zu verharren und trotzdem mehr oder weniger erfolgreich - wenn auch zornig und unglücklich - in der Welt zu existieren. Die Strategie ist, so viele Menschen wie möglich zu verführen, zu nötigen oder zu zwingen, die eigene Pathologie zu übernehmen, so dass man mit ihr nicht mehr so allein ist und Regeln des Zusammenlebens einführen kann, in der sie die Norm ist. Utopistische Ideologien sind psychopathisch. Paralogik und Paramoral Da sie nicht wahrheitsgetreu mit der Realität korrespondiert, lässt sich eine Pseudo-Realität nicht in logischen Begriffen beschreiben. Sie verwendet für ihr Denken über die Welt eine Paralogik, die Struktur und Regeln hat, aber keine logischen Ergebnisse hervorbringen kann und in sich widersprüchlich ist. Teile von ihr sind in sich logisch, aber sie lassen sich nicht zu einem logisch kohärenten Ganzen zusammensetzen. Doch durch den oberflächlichen Anschein der Logik lassen sich normale Menschen manipulieren, eine Logik in die Pseudo-Realität hineinzuinterpretieren, die nicht da ist, und sie vernünftiger erscheinen zu lassen, als sie ist (nützliche Idioten, s.o.). Das Hereinfallen der "sehr klugen Leute", wie Lindsay sie auch nennt, auf die Manipulation ist entscheidend für den Erfolg der Pseudo-Realität, da die Gruppe der wahren Gläubigen immer verhältnismäßig klein sein wird. Die paralogische Struktur ist alchemisch, da es ihr Ziel ist, eine Sache in eine ganz andere zu verwandeln: die Realität in einen perfekten utopischen Zustand. Dass sie dahin führe, kann nie widerlegt werden, da ihre Vertreter immer behaupten werden, dass etwas falsch gemacht worden sei. Wo immer die Pseudo-Realisten an der Macht sind und die Umsetzung ihrer Ideen nur Zerstörung hervorbringt, ist etwas falsch gemacht worden. Richtiger Kommunismus wurde nie versucht. Die Pseudo-Realität nutzt zu ihrer Durchsetzung eine zu ihr gehörige Paramoral. Dies ist ein sozial wirksames Moralsystem, das eine Umkehrung herkömmlicher Moral darstellt. Die Paramoral lässt Anhänger als gut und normale Menschen als böse erscheinen. Dieses Phänomen der Umkehrung dessen, was man unter anständigem Verhalten versteht, lag Anfang 2020 dem Witz des "New Guy"-Mems zugrunde[ext]. Die Paramoral vergleicht alles und jeden mit dem perfekten utopischen Zustand. So erscheint jeder, der ihr widerspricht oder von ihrem Programm abweicht, als jemand, der den leidvollen, unperfekten Zustand der Welt beibehalten will und somit irrational, dumm oder böse sein muss. Die Vertreter der Pseudo-Realität handeln in dem Glauben, auf einen perfekten Weltzustand hinzuarbeiten, was ihr Handeln automatisch als moralisch richtig ausweist, auch wenn sie lügen, belästigen, beleidigen, verletzen und so weiter. Es ist das Prinzip "Der Zweck heiligt die Mittel", und dieser Zweck, den leidvollen, ungerechten Zustand der Welt zu beenden, sticht alle anderen Zwecke und heiligt daher letztlich auch alle Mittel. Die Paramoral etabliert zweigeteilte Varianten von Tugenden wie Toleranz, Akzeptanz, Mitgefühl, Fairness und Kompromiss. Dies ist eine extreme, am Ende absolut gesetzte Variante der im Politischen oft zu beobachtenden Doppelmoral. Für die Vertreter der Pseudo-Realität ist die Anwendung und Geltung dieser Tugenden immer genau dort äußerst wichtig, wo sie der Pseudo-Realität dienen (Heiligung von George Floyd), und streng verboten, wo sie das nicht tun (Ignorieren unzähliger schwarzer Kriminalitätsopfer und der ursächlichen sozialen Probleme). Die Paramoral wird mit totalitärer Strenge durchgesetzt. Dies ist nötig, um sie aufrechtzuerhalten, da sonst leicht zu erkennen wäre, dass sie eine Lüge und unmoralisch ist. Die Paramoral ist eine Inversion der Moral, die sich moralischer als gewöhnliche Moral anfühlen kann, aber tatsächlich bösartig ist, da sie mehr Leiden und Konflikt in die Welt bringt. Sie dient Menschen mit bestimmten Psychopathologien, die nicht mit den Unannehmlichkeiten der Realität umgehen können. Sie gewinnt daher am leichtesten an Stärke, indem sie an das Opfertum solcher Personen appelliert, und an diejenigen mit ähnlichen Erfahrungen, die damit bislang würdevoller umgegangen sind. Paralogik und Paramoral sind die Fäden, an denen die Illusion der Pseudo-Realität hängt. Sie müssen durchtrennt werden, um sich aus ihrem Bann zu befreien. Man muss sichtbar machen, dass es nicht wahr ist und dass es unmoralisch ist. Die Partei Da die Pseudo-Realität nicht real ist, können ihre Bewohner ihre Aussagen bzw. Glaubenssätze nicht selbst nachprüfen. Daher entscheiden Spezialisten über Richtig und Falsch. Sie sind die Schöpfer und wahren Gläubigen der Pseudo-Realität, die revolutionäre Avantgarde und die Partei, die immer recht hat. Sie biegen und drehen die Paralogik so, dass sie recht behalten, und die Paramoral so, dass sie immer tugendhaft sind. Die Fähigkeit dieses Biegens und Drehens wird permanent getestet, und zwar umso strenger, je weiter man in elitäre Kreise aufsteigt. Die Partei kann der Pseudo-Realität den größten Machtgewinn abringen, wenn die Paralogik so unlogisch und die Paramoral so unmoralisch ist, wie sie jeweils gerade noch sein kann, ohne dass die Illusion platzt. Die Realitäts- und Vernunftferne ist bereits an sich eine potente Waffe der Demoralisierung von Gegnern und Beherrschten. Mangels Bezug zu Realität und Logik wird der Diskurs der Herrschenden immer willkürlicher, während die Willkür selbst eine Machtressource ist, weil sie den Beherrschten die Möglichkeit nimmt, sich auf die geltenden Regeln einzustellen. Die Partei findet stets Sündenböcke für ihre Misserfolge. Letztere sind garantiert, da die Pseudo-Realität nicht real ist. Die üblichen Verdächtigen sind innere Feinde und Saboteure aller Art, die sich dem revolutionären Projekt entgegenstellen. Um sie aufzuspüren, sind die Sicherheitsorgane ständig auf der Suche nach Verschwörungen, Spionen und sozialen Gruppen mit falschem Bewusstsein. Aber der ultimative Sündenbock ist am Ende die Partei selbst. Wenn die Pseudo-Realität zusammenbricht, was unausweichlich ist, wird rückblickend die Partei selbst beschuldigt, von der reinen Lehre abgefallen zu sein, durch falsche Denkweisen, falsche Moral korrumpiert gewesen zu sein usw. Das war kein richtiger Kommunismus. So überleben Paralogik und Paramoral den eigenen Tod und können in der liberalen Gesellschaft bei passender Gelegenheit wieder Fuß fassen. Konzentration und Ausbreitung der Psychopathie Psychopathische Ideologien haben selbstkonzentrierende Wirkungen. Sie locken ähnlich psychopathische, opportunistische Schwindler an, die dann den engeren Kreis der Partei bilden. Sie reduzieren die psychologischen Kapazitäten aller, die mit ihnen in Berührung kommen, und zwar durch verschiedene Formen der Demoralisierung, darunter Paramoralisierung, Ostrazismus und dialektische Fallen. So verwandeln psychopathische Ideologien sonst normale Menschen (zumindest vorübergehend) in funktionale Psychopathen. Auch abgesehen von Demoralisierung und Destabilisierung durch Entfremdung von der Realität erzeugt die Teilhabe an einer psychopathischen Ideologie psychopathisches Verhalten. Dieses ist ein Erfordernis der Aufrechterhaltung der Paralogik (um innerhalb der Pseudo-Realität nicht als Idiot dazustehen) und der Paramoral (um innerhalb der Pseudo-Realität nicht als schlechter Mensch dazustehen). Man wird allmählich zu dem Monster, das zu bekämpfen man nicht stark genug war. Tugenden wie Toleranz werden absichtlich pervertiert (zweigeteilt), so dass sie allmählich immer mehr die psychopathischen Tendenzen verstärken. Die Mangelhaftigkeit der Paralogik, die Willkür der Partei und die Dissonanzen um die Pseudo-Realität erzeugen eine ähnliche Unruhe im normalen Menschen, wie sie die Pseudo-Realität bei den pathologischen Individuen abstützt und tarnt. Dies hilft bei Rekrutierung, Indoktrination und Reprogrammierung. Die Betroffenen merken nicht, dass sie reprogrammiert werden und sich psychopathisch verhalten, solange sie sich nicht von Paralogik und Paramoral lösen. Sie sind realitätsinvertiert und halten die Normalen für Psychopathen und sich für die Normalen. Die Pseudo-Realität bewirkt eine vollständige Umkehrung dessen, was es heißt, geistig gesund zu sein. Zusammenfassung Die Ausbreitung der Pseudo-Realität ist eine Drift in den Totalitarismus. Treibende Kraft sind psychopathische Individuen, die aufgrund ihrer Psychopathologien nicht dazu in der Lage sind, sich mit der komplizierten Realität mit ihren Schwierigkeiten und Härten auseinanderzusetzen. Statt ihren Schwächen, Verletzungen und Problemen ins Auge zu sehen, projizieren Sie die Pathologie nach außen, nach dem Muster: Nicht ich bin es, dem etwas fehlt, sondern die Welt ist korrupt und diese Korruption ist Ursache meines Leidens, meiner Unzufriedenheit und meiner Unfähigkeit, meinen Platz auf dieser Welt zu finden. Wäre die Welt nicht korrupt, könnte ich gut in ihr leben. Die Vorstellung der nicht korrupten Welt wird in der ausformulierten Ideologie zur utopischen Vision, auf deren Verwirklichung das Wirken der Pseudo-Realisten gerichtet ist. Wie die Utopie und der Weg zu ihr genau aussehen, können sie nicht sagen, weil die perfekte Welt dafür zu wenig Realitätsbezug hat. Um reale Probleme zu lösen, muss man sich intensiv und ehrlich mit diesen Problemen, also mit der Realität beschäftigen, und gerade dies vermeiden Pseudo-Realisten. Ihre Auseinandersetzung mit der Realität beschränkt sich im Wesentlichen darauf, Beweise dafür zu sammeln, dass die Welt durch und durch korrupt sei und nichts als Leiden hervorbringe. Dadurch können sie erstens ihren persönlichen Problemen ausweichen - es liegt nicht an mir, die Welt ist schlecht, ich bin gut, ich bin rein - und zweitens andere verführen und nötigen, an ihrer Pseudo-Realität teilzunehmen. Verführen, indem sie reales Leiden betonen und ihr Ideologieangebot als Lösung dafür verkaufen, und nötigen, indem sie Menschen beschuldigen, die korrupten, Leiden verursachenden Verhältnisse zu verteidigen, und sie so moralisch und später sozial unter Druck setzen. Bei alldem kommt der Pseudo-Realität zugute, dass normalen Menschen meist das nötige Vorstellungsvermögen und vielleicht auch die Courage fehlt, um sich die Tiefe der Pathologie klarzumachen, die sich hier manifestiert. Pseudo-Realität setzt an wahrnehmbaren Realitäten an und dichtet eine schräge theoretische Deutung dazu. Die gewöhnliche Reaktion nicht pathologischer Individuen besteht darin, die schräge theoretische Deutung im eigenen Kopf durch eine weniger schräge zu ersetzen, soweit Worte und Handlungen der Pseudo-Realisten das irgend zulassen, anzunehmen, dass sie eigentlich diese meinten, und das Ganze auf dieser Grundlage zu verteidigen. Eine Drift in den Totalitarismus ist dies deshalb, weil die Menschen mehrheitlich im Großen und Ganzen normal sind und eine natürliche Tendenz haben, sich an der Realität festzuhalten oder zu ihr zurückzustreben, während die Pseudo-Realisten in die Utopie wollen, also genau in die andere Richtung. Eine Pseudo-Realität aufrechtzuerhalten und voranzutreiben erfordert einen ständigen Energieaufwand in Form von Propaganda, Zwang und Repression[wp]. Die Vertreter der Pseudo-Realität können Realität in ihrem Machtbereich nicht dulden. Sie können es subjektiv nicht, weil die Erkenntnis der Realität ihnen ihre eigene Pathologie vor Augen führen würde, was schmerzhaft und desorientierend wäre, und sie können es strategisch nicht, weil jedes Eindringen der Realität die Illusion der Pseudo-Realität und somit ihre Machtbasis erschüttert. Sie werden daher immer so unumschränkt herrschen, wie sie können, also wie man sie lässt. Solange folglich die Kräfte der Ausbreitung stärker sind als die der Eindämmung, ist totale Herrschaft der Fluchtpunkt der Entwicklung. | ||
– Sebastian Wessels[3] |
Ein zentraler Mechanismus der Wokeness-Ideologie beruht auf dem strategischen Einsatz von Begriffen mit doppelten Bedeutungen. Alle ihre tragenden Begriffe treten in mehreren Bedeutungsvarianten auf, die von unterschiedlicher theoretischer (bzw. theologischer) Tiefe und in unterrschiedlichen Phasen der Indoktrinierung anschlussfähig sind. Die mehr oberflächlichen, naiven Bedeutungen sind ansprechend für Neulinge und anschlussfähig an den Liberalismus; die tieferen bilden die Gedankenwelt der fortgeschrittenen Ideologen, die sich von derjenigen normaler Menschen im Liberalismus drastisch unterscheidet. Die Doppelbegriffe tarnen diese Realitätsferne der Theorie und Forderungen, und verkleiden sie zunächst als etwas Harmloses. Je tiefer man dann in die Theorie und zugehörigen Kreise eintaucht, desto mehr wird man mit den weniger harmlosen Gehalten vertraut. Dieser Mechanismus ist für das Verständnis der "Social Justice"-Ideologien und der Mechanismen ihrer Verbreitung wesentlich.
Nehmen wir den Begriff "Antirassismus" als naheliegendes Beispiel. "Antirassismus" hat eine Bedeutung, die für den Neuling verständlich und ansprechend ist, und eine andere, deutlich davon unterschiedene, weit tiefere Bedeutung für den arrivierten Gläubigen. Der Neuling denkt sich: "Antirassismus? Na, klar bin ich gegen Rassismus. Bin dabei!" In diesem Moment weiß er noch nicht, dass "Antirassismus" für fortrgeschrittene Theorievertreter bedeutet, alle Weißen für Rassisten und Diskriminierung für die beste Form der Antidiskriminierung zu halten, eine authentische Kommunikation auf Augenhöhe zwischen Vertretern verschiedener "Rassen" für unmöglich zu halten, sich zu einem lebenslangen Bemühen zu verpflichten, immer und überall Rassismus zu sehen, und sein liberales und humanistisches Welt- und Menschenbild zugunsten eines kollektivistischen, dystopischen und revolutionären aufzugeben. Den Worten der Theorievertreter ist dies zwar relativ leicht zu entnehmen - James Lindsay wies einmal darauf hin, dass sie sich manchmal selbst ein Bein stellen, indem sie zu früh zu viel verlangen. Doch die meisten Neulinge übersehen die Warnzeichen zunächst oder nehmen sie nicht ernst. Sie nehmen anfangs einfach das auf, was sich in ihr noch liberales Weltbild und Leben einfügen lässt, halten dies für das Wesentliche und ignorieren den Rest. Das ist kaum überraschend, da selbst Gegner der Wokeness diese in neun von zehn Fällen so kritisieren, als hätte sie einfach die Prinzipien des Liberalismus nicht verstanden.[4] Man wirft etwa Aktivisten vor, Männer und Frauen oder auch Weiße und Nichtweiße nicht mit gleichen Maßstäben zu messen, als wäre das eine Inkonsistenz oder Heuchelei. Es ist keine Inkonsistenz oder Heuchelei, sondern im Rahmen des woken Weltbildes völlig richtig und gewollt. Dies ist kein liberales Weltbild, sondern ein kollektivistisches, das davon ausgeht, dass sich die hierarchisch angeordneten Identitätsgruppen im Krieg befänden und sozialer Fortschritt danach verlange, die jeweils unteren zum Sieg zu führen. Die liberale Forderung nach gleichen Maßstäben ist in diesem Kontext die absurde Forderung, Alliierte und Feinde gleich zu behandeln. Dies ist ein fundamentales Missverständnis, das sich aber aus zwei Gründen aufdrängt. Erstens weil das tatsächliche Weltbild der Wokeness recht weit von alltäglichen Denkweisen entfernt ist, so dass man sich in gewissem Umfang damit beschäftigen muss, um zu verstehen, von welchen Prämissen die Theorievertreter ausgehen. Zweitens weil die Wokeness insofern an den Liberalismus anschlussfähig ist, als sie seine Prinzipien und Mechanismen zu nutzen weiß, um sich auszubreiten und ihre eigenen Regeln durchzusetzen. Die erwähnten Begriffe mit unterschiedlichen Tiefenebenen sind ein wichtiger Teil dieser auf Transformation zielenden Anschlussfähigkeit. Immer bildet ein naives Verständnis, das für Neulinge plausibel und moralisch ansprechend ist, nur die Spitze des Eisbergs des tieferen, breiteren und revolutionären Begriffsverständnisses der Fortgeschrittenen. Ein weiteres Beispiel wäre "Diversity". Naiv versteht man darunter einfach Vielfalt; eine bunte Gruppe von Leuten mit verschiedenen Hintergründen. Die tiefere Bedeutung dagegen ist: Eine Gruppe von Leuten aus verschiedenen klar definierten Identitätsgruppen, welche "kritisches Bewusstsein" haben, also die Gesellschaft durch die Brille der Theorie als großes Unterdrückungssystem betrachten und das Ziel verfolgen, dieses zu Fall zu bringen. Ein paar konservative Frauen, Schwarze und Schwule zählen nicht als "Diversity". Was ist "Inklusion"? Offenheit und Beteiligungsmöglichkeiten für alle, würde man meinen. Die tiefere Bedeutung ist: Einführung eines engen theoriekonformen Systems von Sprach- und Verhaltensregeln in einem sozialen Raum und Ausschluss aller, die sich dem nicht fügen. Ganz in diesem Sinn rechtfertigen etwa öffentlich-rechtliche Medien die Einführung von Gendersprache damit, dass sie "alle ansprechen" wollten. Eine knappe Mehrheit der Bevölkerung, Männer und Frauen zu etwa gleichen Teilen, lehnt Gendersprache jedoch ab und fühlt sich von ihr somit nicht "angesprochen", sondern abgestoßen. Das beunruhigt Theorievertreter nicht, denn aus ihrer Sicht ist "Diversity", "Inklusion" und alles andere Gute nur unter dem Regime der Theorie möglich. Wo die Theorie nicht ist, ist Unterdrückung. Dem Regime der Theorie widersetzen würden sich nur die, die die Unterdrückung aufrechterhalten wollen, und auf die muss man natürlich keine Rücksicht nehmen. Das Denken ist so total auf diese binäre Antithese von Unterdrückung und "Social Justice" verengt, dass von seiner Warte aus nicht vorstellbar ist, die Theorievertreter könnten selbst unterdrückerisch wirken. Wie weit das gehen kann, zeigen kommunistische Regime, die es noch nach Jahren der autoritären Herrschaft von Parteibonzen fertiggebracht haben, sich als Underdogs zu inszenieren, die sich gegen die Mächtigen der "Bourgeoisie", "Faschisten", "Imperialisten" etc. verteidigen müssen. In taktischer und psychologischer Hinsicht kann man besagte Doppelbegriffe auch als trojanische Pferde[wp] beschreiben. Die naive Bedeutung ist für die meisten Menschen vollkommen einleuchtend, und sobald man dem Pferd wohlwollend und naiv die Tür geöffnet hat, beginnt die tiefe Bedeutung ihren Einfluss geltend zu machen. Von da an ist es schwer, an irgendeinem Punkt "stopp" zu sagen, denn man hatte sich selbst anfangs freudig zu dem politischen Ziel bekannt, das der Begriff ausdrückt. Es ist um ein Vielfaches schwerer, von einer Position zurückzutreten, die man bereits öffentlich eingenommen hat, als auf dem beschrittenen Weg jeden Tag ein paar Zentimeter weiterzugehen. Ersteres ist ein Kraftakt und Risiko des Gesichtsverlusts, Letzteres geschieht wie von selbst. Dafür sorgen die Aktivisten im Haus, für die es nicht schwer ist, ihre ständig wachsenden Forderungen als Notwendigkeiten der Verfolgung des Ziels auszugeben, zu dem sich Chef und Belegschaft bereits bekannt hatten. Wer A sagt, muss auch B sagen. Immer hängen moralisch die Damoklesschwerter über den Köpfen: Ihr wisst doch, wie wichtig Diversity ist. Wenn ihr wirklich Diversity wollt, müsst ihr uns auch dieses zugestehen, denn ohne dieses kann es keine Diversity geben. Seid ihr etwa nicht mehr für Diversity, war das nur ein Lippenbekenntnis? Wollt ihr etwa nichts gegen Rassismus tun? Dachtet ihr, das wird ein Spaziergang? Ihr wollt Gerechtigkeit, aber es darf nichts kosten? Stört euch die Unterdrückung der Frauen nicht? Eine weitere wertvolle Metapher für die Funktionsweise dieser doppelbödigen Begriffe ist die von Motte[wp] und Bailey[wp]. Sie nimmt Bezug auf einen Typ mittelalterlicher Burgen. "Bailey" ist eine Art Burghof außerhalb einer kleinen Festung, in dem gewirtschaftet wird. Die Motte ist die eigentliche Festung auf einer Anhöhe. Die beiden stehen für zwei Positionen, die Theorievertreter je nach Situation in Diskussionen einnehmen. Wenn sie angegriffen werden, ziehen sie sich in die Motte-Position zurück, die leicht zu verteidigen ist, aber sonst wenig abwirft. Die Motte-Position entspricht der naiven Begriffsbedeutung, der jeder zustimmt. Zum Beispiel: Es gibt sozial konstruierte Geschlechterrollen, die den Chancen der Menschen zur Selbstentfaltung möglicherweise unnötige Grenzen auferlegen und die wir in diesem Fall verändern können und sollten. Jeder weiß das, jeder stimmt dem zu, niemand bestreitet das ernsthaft. Wenn die Gender Studies angegriffen werden, können sie daher einfach behaupten, dass es ihnen doch nur um dies gehe, und sofort ist der Angreifer entwaffnet. Ist der Angriff vorbei, beziehen sie dann wieder die Bailey-Position: Biologisches Geschlecht gibt es gar nicht, die Geschlechter per se sind sozial konstruiert und nicht angeboren, sondern zugewiesen, Geschlecht ist ein Spektrum, an der Vagina ist nichts inhärent Weibliches, Männer können gebären, an Familie und Heterosexualität ist nichts Natürliches und so weiter. Solche Positionen sind im Rahmen wissenschaftlicher Rationalität unmöglich zu verteidigen, aber man kann herrlich damit wirtschaften. Jeder Unterschied und jede Komplementarität zwischen Männern und Frauen erscheint von ihr aus gesehen als Auswirkung eines Unterdrückungssystems, das überwunden werden muss, und die Theorieanhänger sind die Experten, denen im Rahmen dieses gigantischen Überwindungsprogramms Ressourcen und Autorität zufließen. |
– Sebastian Wessels[5] |
Ein hochinteressanter, aufschlussreicher und überaus lesenswerter Artikel über den Wokeismus und wie er Amerika und den ganzen Westen, auch uns, ergreift.
Ein Leser hatte mich auf diesen Artikel aufmerksam gemacht, weil er in komprimierter Form all das bestätigt, was ich seit Jahren im Blog schreibe:
In Amerika greift die Ideologie des Wokeismus um sich. Wir Europäer erhalten eine Anschauung davon, was uns erst noch bevorsteht.
Da traf der Kommunismus auf den Bedarf an Religion und Feindbild, und heraus kam ein klassischer totalitärer Ideologiestaat wie Sowjetunion[wp], Nazideutschland, Mao-China oder eben 1984. Nach einer Sektenstruktur wie im Katholizismus[wp] oder bei Scientology, wonach die Menschheit mal gut war, bis sie an einer entscheidenden Stelle falsch abgebogen ist, ein Unglück passierte, und der Weg zum Paradies nur über die Rückabwicklung des Unglücksfalles gelingen kann.
Anders gesagt: Die linke Politik wirkt nicht nur zerstörend, sie hat die Zerstörung als Ziel. Es ist das, was ich schon so oft beschrieben habe: Man unterstellt, dass es so eine Art natürlichen Paradieszustandes gibt, der durch Fehlleistungen (wie Eva mit dem Apfel) verhindert wurde und uns alle in einen Katastrophenzustand lenkte. Wenn man das nun wieder rückabwickelt und einfach alles zerstört, was seit diesem falschen Abbiegevorgang aufgebaut wurde - also schlicht alles außer veganen Soja-Burgern und Lastenfahrrädern - dann müsse sich notwendigerweise der natürliche Paradieszustand wieder einstellen. Oft im Blog beschrieben. Und dem Islam nicht unähnlich, der ja auch unterstellt, dass das zu einem abschließenden großen Vernichtungskampf kommen müsse, auf den dann das dauerhafte Paradies folgt. Und ich hege den Verdacht, um wieder mal in den Dauerthemen meines Blogs zu bleiben, dass beides Produkte eines evolutionär entwickelten Rudelprogramms im Hirn sind: a) es gibt einen Feind/Konkurrenten, der anhand gewisser Merkmale erkennbare ist. b) Vernichte ihn. c) Dann wird alles gut, weil Du dann die verfügbaren Resourcen wie Nahrungsmittel und Sexualpartner für Dich alleine hast. Was im Ergebnis fatal ist, denn es entsteht damit eine ideologische Überzeugung, die nichts mehr produziert oder herstellt, sondern sich alleine darauf beschränkt, zu vernichten, zu blockieren, zu verhindern, zu zerstören. Völlig desktruktiv, und das findet sich ja sogar in deren Wortwahl: "Dekonstruieren". Oder wie man es früher nannte: "Macht kaputt, was Euch kaputt macht.". Mehr als das Kaputtmachen hatten die nie.
Dafür gibt es einen Fachbegriff: Motte-and-Bailey-Argument[wp] oder -fallacy.
Das Konzept des Rudelchefs, der für alle anderen denkt.
Das Prinzip der Abtrünnigkeit.
Das Paradies, in dem alles sauber ist und vegane Milch und veganer Honig von den Bäumen tropfen.
Es gibt keine konstruktive, keine produktive Ader darin. Es geht nur darum, alles kaputt zu machen und dann zu erwarten, dass sich von alleine ein goldenes Paradies einstellt.
Im Klartext: ARD und ZDF. Haben ich und auch andere schon oft beschrieben, dass ein zentraler Aspekt der öffentlich-rechtlichen Propaganda ist, Minderheiten als Mehrheiten und Mehrheiten als Minderheiten erscheinen zu lassen. Der Ideologiekrieg tritt nun in die große Phase der Vernichtung ein. Wir werden sehen, was danach kommt. | ||||||||||||||||||
– Hadmut Danisch[8] |
Wokistan
Zitat: | «Wokistan hat inzwischen Worte für das gefunden, was in #Afghanistan passiert. Es ist das alte Mantra: Der Westen ist schuld. Egal, was passiert.» - Prof. Dr. Rumpelwicht[9] |
"Wokeness" und "Signalling"
Ein interessanter Artikel behandelt "Wokeness" als Religion und Statusaufbau:
Der Begriff "Wokeness" hat leider kein deutsches Gegenstück, es ist aber im wesentlichen etwas, was man hier teilweise in dem Begriff "Gutmensch" unterbringt oder eben mit ideologisierten, fanatischen Feministinnen. Eine Herleitung, nach der man in diesem System besonders gut Status innerhalb einer speziellen Gruppe aufbauen kann, ist für mich als jemand, der Signalling und Statusaufbau bereits aus evolutionären Gründen für ein sehr wichtiges Prinzip zum Verständnis des Menschen hält, natürlich besonders interessant. Ich hatte ja schon angeführt, dass jede Gruppe Status nach ihren Regeln bewertet, Geschäftsleute anders als Punker, aber das üblicherweise gewisse "Costly Signals"[13] verwendet werden, die eben schwerer zu fälschen sind. Daher braucht jedes System, bei dem Status aufgebaut und bewertet werden soll gewisse Regeln, nach denen dies geht, und gewisse Schwierigkeiten, Status zu erlangen.
Ja, ich denke auch, dass die meisten wirklich von den Ideen überzeugt sind und auch davon, Gutes zu tun und gegen das Böse zu kämpfen. Dass ihr System hoch unlogisch ist, fällt wegen dem religiösen Ansatz mit vielen Dogmen und der Filterblase selten auf. Es ist ein selbststabilisierender Faktor, dass Zweifel an dem System Statusabzug gibt und Kritik oder auch nur ein Nachdenken darüber ebenso.
Genauso wie bei einer Religion nicht wirklich hinterfragt werden darf, ob die dortigen Thesen Sinn ergeben und ob es einen Gott gibt, wirkt auch hier das Dogma der Gemeinschaft: Der Zweifler ist ein Sünder und ihm bleibt nur Reue und Rückkehr in den Schoß der Gemeinde oder Verstoßung.
Also übersetzt: Die Hauptdogmen des Wokeismus sind:
Also das durchaus bekannte Bild: Macht und Vorurteile führen zu Privilegien bestimmter Gruppen, die unverdient und ungerecht sind und daher abgebaut werden sollten.
In der Tat trifft man immer wieder auf diese Moralisierungen, die es besonders schwer machen, sich sachlich über das Thema auszutauschen. Die Grundaussagen sind Glaubenssätze, wer sie hinterfragt, der muss ein schlechter Mensch sein.
Die "Adeligkeit der Opfergruppen" oder vielleicht besser die Idealisierung und in gewisser Weise auch die Romantisierung dieser Opfergruppen in Anlehnung an den "edlen Wilden" wurde hier auch schon mehrfach besprochen. Gerade diese sehr starke binäre Einteilung:
Manichäismus[wp] sagte mir bisher nichts, ich habe es daher mal nachgeschlagen:
Also eine Religionsgemeinschaft, die stark dualistisch ausgeprägt war und in der es Licht und Finsternis gab, wobei es die gab, die schon "im Licht" waren und diejenigen, die durch "Reinheit" dahin gelangen konnten. Das klingt relativ ähnlich, wobei die Nähe zum Christentum, die auch im Wikipedia-Artikel anklingt, aus meiner Sicht stark ist, wenn man dort Konzepte wie "sündig geboren" berücksichtigt.
Das die Umkehrung der Opferhierarchie durchaus für viele interessant sein dürfte, die bei konventionellen Statusaufbau wesentlich weiter unten stehen, ist sicherlich etwas, was der "Wokeness" sehr geholfen hat. Aber natürlich ist es ein System für Studierte, weil man sich nicht so einfach hineindenkt. Insofern ist es für das interne Statussystem dieses Systems besonders interessant. Allerdings würde ich widersprechen, dass es nur für Weiße interessant ist. "Wokeness" an sich passt vielleicht eher zu Weißen, aber viele "Marginalisierte" werden sich weniger als "erwacht" als vielmehr als Freiheitskämpfer gegen ihre Unterdrückung sehen, die sie schon immer erlebt haben. Sicherlich werden da auch viele einen "Red Pill-Moment" gehabt haben, indem sie noch mehr "die Strukturen" und dass diese absolut alles umfassen erkannt haben. Aber gerade Bewegungen wie "Black Lives Matter" oder eben Hasstiraden wie von "Sarah Leong" gegen Weiße[22] zeigen ja, dass sie eben auch für andere interessant sind.
Wenn man den modernen intersektionalen Feminismus als Signalling versteht, dann wird deutlich, dass auch die unlogischen Regeln dort Sinn machen. Ich hatte das schon einmal in meiner "Fußball-Analogie"[25] deutlich gemacht: In einem Sport um Punkte sind interne Widersprüche egal, genauso wie es beim Darten egal ist, dass die Dreifach-1 genauso schwer zu treffen ist, wie die Dreifach-20, aber eins 3 Punkte gibt und das andere 60 Punkte. Genauso ist es dann egal, dass Asiaten in den USA im Schnitt mehr verdienen als Weiße, als besonders schlau und fleißig gelten, und in Ländern wie Japan und Korea erhebliche Macht genießen und überproportional in Berufen wie Arzt oder Rechtsanwalt vertreten sind. Sie werden, ähnlich wie ein Feld im Dart, eben in gewisser Weise in die Regeln eingearbeitet, hier eben als marginalisierte Minderheit, die selbst mit der Beschimpfung von Weißen Punkte machen kann und mit der zusammen man Punkte machen kann, wenn man sie, Doppelabschluss aus Harvard und aus einem der reichsten Länder dieser Erde, ebenfalls als Opfer der Unterdrückung durch Weiße ansieht.
Interessante Fragen:
Die Antwort ist eben immer, dass es für das andere Verhalten Statuspunkte gibt.
Das ist wahrscheinlich auch der Grund, warum einige sehr kompliziert schreibende Personen in dem Bereich sehr erfolgreich sind: Es ist schwieriger sie zu verstehen, gleichzeitig überdeckt es Unlogik.
"Aktuell bleiben" und mit den veränderten Regeln mithalten können, wäre demnach wichtig in dem Statusspiel: Wo man früher sagen durfte, dass Männer an allem Schuld sind, muss man jetzt Cis-Männer sagen, damit man Transmänner ausnimmt. Insofern kommen die radikalen Transideologen gerade recht, denn sie bewirken eine zusätzliche Möglichkeit, "Wokeness" zu signalisieren. Das gilt ebenso für Wörter wie PoCs oder diverse andere Wortschöpfungen.
Ja, mit immer komplizierteren und weltfremden Konzepten ("Ein Penis ist weiblich") entfernen sich die "Woken" immer mehr von dem, was ansonsten als normal wahrgenommen wird, aber sie schaffen gleichzeitig immer bessere Möglichkeiten den eigenen Status zu signalisieren.
Ja, das scheint mir auch schlicht die beste Erklärung zu sein. Deswegen kann es auch kein wirkliches erreichbares Ziel geben, an dem die Welt gut genug ist. Neulich sagte eine Feministin in einer Diskussion, dass ein Fall von sexueller Gewalt schon zu viel ist und dass quasi Männer an einer absolut gewaltfreien Welt arbeiten müssten. Der Einwand, dass dieses Ziel schon aufgrund der vorhandenen Psychopathen nicht zu erreichen ist, verstößt gegen die oben dargelegte Norm, dass alle Menschen gleich sind und allenfalls sozial konstruiert. Es wird daher niemals ein "Gut genug" geben, sondern immer eine strikte Einteilung in Gut und Böse, die erlaubt, dass man Signalling[wp] als "woker Mensch" betreibt.
Die Spirale in den Abgrund oder das Race to the Bottom[31] kann in der Tat dazu führen, dass man sich immer weiter hineinsteigert und immer kleinere Fälle immer energischer angreift, um Status aufzubauen. Und natürlich bringt es weit weniger Punkte "das Normale" zu machen, wer neue Wege findet, in dem System Status aufzubauen, der kann sich vor die Anderen setzen. Und Signalling dürfte auch der Grund sein, warum man so gerne übereinander herfällt statt sich gegenseitig Fehler nachzusehen, um die Sache voran zu bringen: Wenn man jemanden aus der Gemeinschaft einen Fehler aufzeigen kann, dann hat man das System natürlich besser verstanden als er und es bekommen auch viel schneller und einfacher mehr wichtige Leute mit, die das System kennen und danach Punkte vergeben. Wehrt sich der andere noch unberechtigt, dann kann man noch nachhaltiger deutlich machen, wie groß die Hingabe zum System ist und wie gut man es kennt. Und weil dieser interwoke Kampf so erbittert geführt wird und es Punkte dafür gibt, Zweifler anzugreifen, ist es häufig besser sich nicht gegen sie zu stellen. Sie haben insofern häufig einen "Fanatikerbonus", weil unnötiges Aufregen für sie interne Punkte gibt und sich damit für sie lohnt. Gleichzeitig zeigt das auch die Grenzen auf: Wer sich nicht beeindruckt zeigt und es so umkehren kann, das er sich über die "Woken" lustig macht und sie als Fanatiker darstellt, der kann eben in einem rationalen System, in der normaleren Welt, Leute auf seine Seite ziehen. Das kann allerdings ein Win-Win für Beide sein: Der eine zeigt, dass er auch bei Fanatikern cool bleibt und sich nicht von diesen einschüchtern lässt und der andere zeigt, dass er auch hartnäckige Feinde bekämpft.
Das ist eben das, was ich hier auch schon zur Unlogik in der Religion dargestellt habe (unter Zitierung von Jared Diamond): Eine Religion, die durch Fakten belegbar ist, ist keine Religion und bietet sich nicht zum Signalling an. Ein wahrer Gläubiger kann sich gerade dann auszeichnen, wenn das System voller Unlogik ist.[13] Deswegen sind bei den wahren Gläubigen auch Bekehrungsversuche fast sinnlos. Aber bei den Umstehenden, den Sympathisanten, den Interessierten kann dafür sehr schnell ein "Der Kaiser ist nackt"-Effekt eintreten, der verhindert, dass sie überhaupt in dieses Denken hineinkommen. Es dürfte auch der Grund sein, warum Leute wie Milo oder aber die schwarze Konservative Candace Owens schwierige Gegner für woke Menschen sind, weil sie eben eigentlich bestimmte Merkmale haben, die sie eigentlich zu einer Opfergruppe machen, eben Schwul oder Schwarz. Auch hier passt aber der Ansatz, dass man dies dann eben ausblenden muss und sie nur nach anderen Kriterien bewerten muss, etwa Milo als weißen Mann, der damit ein Rassist ist oder Owens als eine, die sich eben nur an Weiße anbiedern will. Allerdings ist das sehr vermintes Gebiet, weswegen ein Gegner wie Jordan Peterson sicherlich angenehmer anzugreifen ist.
In der Tat machen viele Woke die Welt eben nicht besser, sondern hetzen Leute noch gegeneinander auf, verschärfen das Klima und provozieren Gegenreaktionen, weil sie Identitäten angreifen und zu "den Bösen" machen und ihnen damit mehr Gewicht geben und eine Outgroup, die sie angreift.
In der Tat sind natürlich nach wie vor viele bekannte Feministinnen weiß, von Valenti in Amerika über Wizorek in Deutschland. Aber viele PoCs stutzen diese natürlich immer wieder zurecht in dem Kampf um Macht. Und viele männliche Feministinnen sind sich sehr bewusst, dass sie immer davon bedroht sind, dass sie jemand dafür kritisiert, doch wieder zu viel Raum einzunehmen oder ein übergriffiges Verhalten gezeigt zu haben. Hinzu kommt, dass auch viele männliche Feministen noch ein weiteres Spiel suchen: Den Status in Sex umwandeln, da Status nun einmal attraktiv macht.[33] Und da das eigentlich gegen die Regeln ist, droht wiederum ein Statusabbau, wenn es als Belästigung angeprangert wird oder zu offensichtlich ist.
Es kann eben gut sein, seinen Platz gefunden zu haben. Und es kann auch angenehm sein, nicht zu weit oben zu stehen, um sich nicht dem Vorhalt auszusetzen, dass man zuviel für sich in Anspruch nimmt. Weswegen viele weiße Feministinnen den Kampf für PoCs unter Inkaufnahme deren Vorrechtstellung in der Kategorie "Rasse" vielleicht durchaus angenehm finden.
Das ist in der Tat der Kern: Die Guten, die Erwachten, gegen die Sünder. Jeder kann auch ein Erwachter werden, wenn er sich nur an die Regeln des Kults hält, auch wenn es für einige Schwieriger als für andere ist (weil sie mehrfach privilegiert sind oder besonders schlimme Formen der Privilegierung haben).
Das alte Erbsündekonzept eben. Auch du kannst gut werden. Wenn du genug Abbitte leistest und ein frommes Leben führst. Trete unserem Kult bei und lerne den Weg. Trete nicht unserem Kult bei oder lehne ihn sogar ab und schmore für immer in der Hölle.
In der Tat kann man gut vertreten, dass dieser Zustand schon eingetreten ist, bei dem die Grenze überschritten worden ist. Interessant wäre aber, ob die Bewegung trotz der Radikalisierung noch wächst oder nicht. Momentan scheinen sie das "Glück" zu haben, dass die Flüchtlingskrise ein großes Signalling-Potential bietet und das noch dadurch ausgeweitet wird, dass Gegenbewegungen vorhanden sind (die wiederum selbst eine Identitätspolitik betreiben, in der sie Signalling betreiben). Mal sehen, wie es weiter geht. | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
– Alles Evolution[35] |
Trojanische Pferde der Wokeness
Ein zentraler Mechanismus der Wokeness-Ideologie beruht auf dem strategischen Einsatz von Begriffen mit doppelten Bedeutungen. Alle ihre tragenden Begriffe treten in mehreren Bedeutungsvarianten auf, die von unterschiedlicher theoretischer (bzw. theologischer) Tiefe und in unterschiedlichen Phasen der Indoktrinierung anschlussfähig sind. Die mehr oberflächlichen, naiven Bedeutungen sind ansprechend für Neulinge und anschlussfähig an den Liberalismus; die tieferen bilden die Gedankenwelt der fortgeschrittenen Ideologen, die sich von derjenigen normaler Menschen im Liberalismus drastisch unterscheidet. Die Doppelbegriffe tarnen diese Realitätsferne der Theorie und Forderungen und verkleiden sie zunächst als etwas Harmloses. Je tiefer man dann in die Theorie und zugehörigen Kreise eintaucht, desto mehr wird man mit den weniger harmlosen Gehalten vertraut. Dieser Mechanismus ist für das Verständnis der "Social Justice"-Ideologien und der Mechanismen ihrer Verbreitung wesentlich.
Nehmen wir den Begriff "Antirassismus" als naheliegendes Beispiel. "Antirassismus" hat eine Bedeutung, die für den Neuling verständlich und ansprechend ist, und eine andere, deutlich davon unterschiedene, weit tiefere Bedeutung für den arrivierten Gläubigen. Der Neuling denkt sich: "Antirassismus? Na, klar bin ich gegen Rassismus. Bin dabei!" In diesem Moment weiß er noch nicht, dass "Antirassismus" für fortgeschrittene Theorievertreter bedeutet, alle Weißen für Rassisten und Diskriminierung für die beste Form der Antidiskriminierung zu halten, eine authentische Kommunikation auf Augenhöhe zwischen Vertretern verschiedener "Rassen" für unmöglich zu halten, sich zu einem lebenslangen Bemühen zu verpflichten, immer und überall Rassismus zu sehen, und sein liberales und humanistisches Welt- und Menschenbild zugunsten eines kollektivistischen, dystopischen und revolutionären aufzugeben. |
– homo duplex[36] |
Postfeminismus
Zitat: | «Wokeness Endstadium: An der FU in Berlin soll es immer wieder zu sexuellen Belästigungen gekommen sein. Der AStA bittet aber darum, in diesem Fall nicht die Polizei zu informieren, da der Tatverdächtige von "Rassismus bedroht sein könne".» - Anabel Schunke[37] |
Einzelnachweise
- ↑ Kommentar von Jochen Schmidt am 9. September 2020 um 11:16 Uhr, in: Bürgerrechte, Privilegien und das Wegrutschen der Linken, Man Tau am 23. Juli 2020
- ↑ Sebastian: Trojanische Pferde der Wokeness, Homo duplex am 9. Februar 2021
- ↑ Sebastian: Pseudo-Realität, Homo duplex am 15. Februar 2021
- Ein drastisches Beispiel ist das freudige Zerstören von Existenzen durch Online-Mobs wegen Nichtigkeiten. Das Muster "White Fragility" habe ich als Beispiel genannt und verlinkt. Das ist Missbrauchsverhalten. Immer in dem Bewusstsein, unschuldig, gut und Opfer zu sein.
- ↑ Siehe auch: Coachkritik
- ↑ Sebastian: Trojanische Pferde der Wokeness, Homo duplex am 9. Februar 2021
- Dies ist ein Auszug aus dem Text "Psychologische Hebel der Wokeness", der in dem Buch "Im Schatten guter Absichten: Die postmoderne Wiederkehr des Rassendenkens" vollständig zu lesen ist.
- ↑ Twitter: @NZZ - 18. Juli 2023 - 8:31 Uhr
- ↑ 7,0 7,1 7,2 7,3 7,4 7,5 7,6 7,7 Ayaan Hirsi Ali[wp]: In Amerika greift die Ideologie des Wokeismus um sich. Wir Europäer erhalten eine Anschauung davon, was uns erst noch bevorsteht, Neue Zürcher Zeitung am 18. Juli 2023
- Anreißer: In Gender-, Rassismus- und Klimafragen dominieren radikale Aktivisten die Debatten. Sie sind nicht an der Lösung der Probleme interessiert, sondern an der Umsetzung einer verheerenden Utopie.
- ↑ Hadmut Danisch: Ayaan Hirsi Ali über die Woke-Ideologie, Ansichten eines Informatikers am 19. Juli 2023
- ↑ Twitter: @rumpelwicht23 - 16. Aug. 2021 - 20:00 Uhr
- ↑ David French: The Great White Culture War, National Review am 8. August 2018
- Anreißer: Discussion of American cultural conflicts has to take place alongside pivotal conversations about race, not instead of them.
- Die Erörterung amerikanischer Kulturkonflikte muss neben zentralen Gesprächen über Rassenfragen stattfinden, nicht an deren Stelle.
- ↑ Reiham Salam: The Utility of White-Bashing, The Atlantic am 6. August 2018
- ↑ 12,00 12,01 12,02 12,03 12,04 12,05 12,06 12,07 12,08 12,09 12,10 12,11 12,12 12,13 12,14 12,15 12,16 12,17 12,18 12,19 12,20 12,21 The preachers of the great awokening, Quillette[wp] am 21. September 2018
- ↑ 13,0 13,1 Christian Schmidt: Religion als Costly Signal, Alles Evolution am 19. Januar 2013
- ↑ Bo Winegard, Benjamin Mark Winegard: A social science without sacred values, Research Gate, Oktober 2015, DOI: 10.13140/RG.2.1.4542.5368
- ↑ Erik Wemple: Opinion: Face it, Tucker Carlson: Your anti-diversity segment was racist, Washington Post am 10. September 2018
- ↑ Bo Winegard: "Equalitarianism" and Progressive Bias, Quillette am 7. Februar 2018
- ↑ Anna North: After her US Open loss, Serena Williams had to manage other people's feelings about her. Again., Vox am 10. September 2018
- ↑ Elizabeth Adetiba: Serena Williams and the privilege of righteous anger, SB Nation am 10. September 2018
- Anreißer: The aftermath of the US Open shows us society has yet to reckon with the weight of race and gender at the same time.
- Die Reaktionen auf die US Open zeigen uns, dass die Gesellschaft noch nicht mit dem Zusammenspiel von Rasse und Geschlecht gerechnet hat.
- ↑ Bruce Bawer: The Victims' Revolution: The Rise of Identity Studies and the Closing of the Liberal Mind, Broadside Books, September 2012, ISBN 978-0061807374
- ↑ Bradley Campbell: The Rise of Victimhood Culture: Microaggressions, Safe Spaces, and the New Culture Wars, Palgrave Macmillan, Februar 2018, ISBN 978-3319703282
- ↑ Wikipedia: Manichäismus
- ↑ Sarah Leong und die "Ich habe mich nur verteidigt"-Verteidigung, Alles Evolution am 4. August 2018
- Die alte "Ich wurde angegriffen und habe mich gewehrt"-Verteidigung kombiniert mit "alles nur Satire" und "ich habe die imitiert".
- ↑ C. Anderson, J. A. D. Hildreth, L. Howland: Is the Desire for Status a Fundamental Human Motive? A Review of the Empirical Literature.[archiviert am 13. Juli 2018], Psychological Bulletin am 16. März 2015, http://dx.doi.org/10.1037/a0038781
- ↑ Murray Milner, Jr.: Status and Sacredness, A General Theory of Status Relations and an Analysis of Indian Culture
- ↑ Abgrenzung des alten Feminismus vom intersektionalen Feminismus, Alles Evolution am 4. Januar 2018
- ↑ Offensive[archiviert am 24. Dezember 2018], glaad.org
- ↑ Margaret Simms: Say African American or Black, but first acknowledge the persistence of structural racism, Urban Institute am 8. Februar 2018
- ↑ Kip Téllez: A word about names: Why I call myself a Mexican-American
- ↑ Social justice in the shadows, Quillette am 14. September 2018
- ↑ Conor Friedersdorf: How Americans Became So Sensitive to Harm, The Atlantic am 19. April 2016 (A recently published paper explains how "concept creep" in the field of psychology has reshaped many aspects of modern society. - Ein kürzlich veröffentlichter Artikel erklärt, wie die "schleichende Entwicklung von Konzepten" im Bereich der Psychologie viele Aspekte der modernen Gesellschaft verändert hat.)
- ↑ IDPOL und Privilegientheorien als Prisoners Dilemma, Alles Evolution am 2. Mai 2013
- ↑ Scott Atran: In Gods We Trust: The Evolutionary Landscape of Religion (Evolution and Cognition), Oxford University Press, November 2002, ISBN 978-0195178036
- ↑ Alles Evolution: Status macht attraktiv
- ↑ A Decade of System Justification Theory: Accumulated Evidence of Conscious and Unconscious Bolstering of the Status Quo[ext] - John T. Jost, Mahzarin R. Banaji, Brian A. Nosek, 2004 (Political Psychology 25, Bd. 6: 881-919)
- ↑ Christian Schmidt: "Wokeness" und Signalling bzw. Statusaufbau, Alles Evolution am 23. September 2018
- ↑ Trojanische Pferde der Wokeness, homo duplex am 9. Februar 2021
- ↑ Twitter: @ainyrockstar - 3. Feb. 2023 - 16:27 Uhr
Sophie Barkey: Sexuelle Belästigung an der FU? Asta rät dringend davon ab, die Polizei zu rufen, Berliner Zeitung am 3. Februar 2023- Anreißer: An der Berliner Freien Universität soll es zu sexuellen Belästigungen gekommen sein. Doch die Polizei möge man bei einer Begegnung mit dem [migrantischen] Verdächtigen besser nicht rufen, schreibt der Asta.
Querverweise
Netzverweise
- Die marxistische Ideologie hinter der Woke-Bewegung
- Der Marxismus-Experte Dr. James Lindsay analysiert und erklärt vor dem EU-Parlament detailliert die marxistische Ideologie hinter der Woke-Bewegung und deren Ziele, sowie die Gefahren für Europa.
- Diese perfide und nur schwer zu durchschauende Strategie wurde in der Vergangenheit bereits unter Mao während der Kulturrevolution erfolgreich angewandt.
- Sollte diese weiterhin unterschätzt bzw. - wie bisher - überhaupt nicht verstanden werden, wird die unausweichliche Folge die Zerstörung der europäischen Kultur und Gesellschaft sein.
Deutsche Übersetzung |
Wenn wir sagen, was ist Woke? Woke ist Maoismus mit amerikanischen Merkmalen. Wenn ich mir eine Anleihe bei Mao selbst erlauben darf, der sagte, seine Philosophie sei Marxismus-Leninismus mit chinesischen Merkmalen, was bedeutet, dass Woke Marxismus ist. |
Englisches Original |
When we say what is woke? Woke is Maoism with American characteristics. If I may borrow from Mao himself, who said his philosophy was Marxism Leninism with Chinese characteristics, which means Woke is Marxism. - James Lindsay |
- James Lindsay at European Parliament - Woke Conference - Paul Boonefaes (11. April 2023) (Länge: 28:20 Min.)
- https://www.bitchute.com/video/hJkUAVRnMOC3/