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Bettina Röhl

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Hauptseite » Personen-Portal » Bettina Röhl

Bettina Röhl
Bettina Röhl, Mai 2005
Geboren 21. September 1962
Beruf Journalist
URL bettinaroehl.de

Bettina Röhl (* 1962) ist eine deutsche Journalistin und Publizistin. Sie wurde mit kontrovers diskutierten Veröffentlichungen über Joschka Fischer, Daniel Cohn-Bendit und über ihre Mutter Ulrike Meinhof[wp] bekannt.

Bettina Röhl ist eine der Zwillingstöchter Ulrike Meinhofs, der Kolumnistin der Zeitschrift konkret und späteren Terroristin der Rote Armee Fraktion[wp], und des ehemaligen konkret-Verlegers Klaus Rainer Röhl[wp]. Röhl studierte in Hamburg und Perugia (Italien) Geschichte und Germanistik. Seit 1986 arbeitet sie als Journalistin, unter anderem für die Zeitschrift Tempo, die Männer Vogue und Spiegel TV. Derzeit schreibt sie vorwiegend für die politische Zeitschrift Cicero. Röhl setzt sich in ihren Veröffentlichungen häufig kritisch mit unter anderen Joschka Fischer, der 68er-Generation[wp] und deren politischem Erbe auseinander.

Bettina Röhl schrieb im April 2005 für die Zeitschrift Cicero die Trilogie Die Sex-Mythen des Feminismus, Die Gender Mainstreaming-Strategie und Der Sündenfall der Alice Schwarzer?, in der sie als Kritikerin des Genderismus und des von Alice Schwarzer in ihrem Buch Der kleine Unterschied und seine großen Folgen propagierten radikalen Feminismus der 1970er Jahre hervortrat.

Nach dem Aufkauf der WirtschaftsWoche durch den Salon­sozialisten Holzbrinck und der Entlassung des bisherigen Chefredakteurs Tichy[1] wurde auch Bettina Röhls Arbeitsverhältnis aufgelöst. Sie ist derzeit als regelmäßige Autorin für den Blog Tichys Einblick tätig.[2][3]

Zitate

  • "Sind Sie Mann? Dann hatten Sie Ihre Chancen in den letzten 20.000 Jahren. [...] Das dümmste, was einem zurzeit passieren kann, ist ein männlicher 'Normalo' zwischen 25 und 55 Jahren zu sein." [4]
  • "Was hier als Gleichberechtigung daher kommt, ist jedoch tatsächlich Frauenbevorzugung und Männerbenachteiligung mit zweifelhaftem Nutzen für Frauen und zweifellosem Schaden für Männer." [5]
  • "Trotz ihrer formalen Anerkennung als Wissenschaft ist Gender Mainstreaming in der Sache das Gegenteil von Wissenschaft." [6]
  • "Der grüne Pazifismus [ist] eher eine schizophrene Verherrlichung von Gewalt, zum Beispiel gegen den Staat, dessen Institutionen, aber auch gegenüber politisch Andersdenkenden." [7]
  • "Die Öko-Politik der Grünen ist in deren dreißigjähriger Geschichte eine Katastrophen­kette von Irrtümern." [7]
  • "Propaganda und Aktionismus sind die wahren Künste der Grünen." [8]
  • "Die grünen Missbrauchsopfer grüner Kinderschänder, um es zu wiederholen, die noch eisenhärter verschwiegen und unterdrückt wurden, als die inzwischen besonders von den Grünen thematisierten Missbrauchsopfer in der katholischen Kirche, stehen vor einer grünen Mauer, die für sie bisher unüberwindlich war. [...] Jetzt steht auch die grüne Omertà der Medien auf dem Prüfstand." [8]
  • "Die großen Themen der Zeit, weit bedeutender als die Themen Euro, Steuern, Umwelt und all die anderen Dingen, mit denen sich die Bürger abspeisen lassen, sind die Themen Gender, Bildung, Migration und Integration. Das sind die großen gesellschaftlichen Heraus­forderungen, die über Schein oder Sein oder Verschwinden oder Fortbestehen der deutschen Gesellschaft entscheiden." [9]
  • "Ironischerweise ist festzuhalten, dass die 68 und der ambivalente Anti-Amerikanismus aus Amerika importiert wurden und nicht originär deutschen Ursprungs sind, weshalb die nachträgliche Legende, dass 68 aus einem mutigen Kampf deutscher Studenten und Intellektueller gegen Adolf Hitler dreißig Jahre nach Hitlers Tod entstanden sei, eine plumpe Geschichts­klitterung ist." [10]
  • "Das Bewusstsein ist auf Beliebigkeit gestellt. Beliebigkeit wirkt allerdings besonders destruktiv, wenn gleichzeitig tradierte Werte gezielt zerstört werden. [...] Die Zerlegung der Gesellschaft in gendernde Frauen und gegenderte Männer zerstört nicht nur die Familien und Familien­verbände, fördert und perpetuiert das ohnehin schon gigantische Singletum in der Gesellschaft, sondern verstört viele Menschen auch in ihrem eigenen Inneren." [11]

Artikel

Diskussion

  • Youtube-link-icon.svg Tichys Ausblick - Bettina Röhl und Prof. Michael Wolffsohn - Tichys Ausblick (27. Mai 2021) (Länge: 36:46 Min.)
    Antisemitische Mobs ziehen durch die Straßen in Deutschland und Europa, attackieren Juden, beschädigen jüdische Einrichtungen und Synagogen, setzen jüdische Flaggen in Brand. Die sonst so schnellen urteils­freudigen Medien und der Öffentlich-Rechtliche Rundfunk berichten zaghaft, blenden wichtiges aus und versäumen kaum eine Gelegenheit, eine angebliche israelische Mitschuld zu betonen.
    Der jüdische Historiker und Publizist Prof. Michael Wolffsohn[wp] widerspricht heute Abend bei Tichys Ausblick der gängigen Behauptung, die größte Gefahr für Juden in Deutschland würde gegenwärtig vom Rechtsextremismus ausgehen. Die von Juden selbst als am größten wahrgenommene Bedrohung sei der muslimische bzw. arabische Antisemitismus, der weitestgehend herunter­gespielt oder ganz verschwiegen wird.
    Aber warum tut sich die sonst so betont tolerante und egalitäre Linke mit einer klaren Haltung zu diesem Thema so schwer? Mehr noch: Warum verbündet sich diese Linke an vielen Stellen mit jenem muslimischen "Antizionismus" und überschreitet dabei oft selbst die Grenze zum Antisemitismus? Warum beschäftigt man sich mit Israelkritik, während immer mehr Juden Deutschland aufgrund wachsender Anfeindungen und Gewalt verlassen wollen? Darüber spricht Roland Tichy mit der Journalistin, Autorin und Zeitzeugin Bettina Röhl, die aus dem Innenleben der westdeutschen radikalen Linken zu berichten weiß.
  • Youtube-link-icon.svg Kulturbruch '68? - Podiumsdiskussion mit den Zeitzeugen Bettina Röhl, Cora Stephan, Jörg Friedrich und Gerd Held - Bibliothek des Konservatismus (30. Mai 2018) (Länge: 88:50 Min.) (Bettina Röhl, Cora Stephan[wp], Jörg Friedrich[wp] und Gerd Held)[12]

Texte

Bettina Röhl wurde am 21.September 1962 in Hamburg in einen Journalisten­haushalt hineingeboren. Ihre Mutter Ulrike Röhl geb. Meinhof war zu dieser Zeit Chefredakteurin, ihr Vater Klaus Rainer Röhl Herausgeber der linken Zeitschrift "konkret". "konkret" wurde in den sechziger Jahren mit einer Auflage von über 200.000 verkauften Heften zu der wichtigsten Zeitschrift der Studentenbewegung von "68".

1968 kam es zur Scheidung ihrer Eltern, Bettina Röhl und ihre Zwillings­schwester gingen mit ihrer Mutter nach Berlin (Dahlem), wo sie zwei Jahre lang die Privatschule Königin-Luise-Stiftung in Berlin-Zehlendorf (1811 im Gedenken an Königin Luise gegründet) besuchte. In Berlin erlebte Bettina Röhl die Studenten­bewegung und besuchte seit 1968 einen der ersten (sehr gemäßigten) Kinderläden (in einer alten Bäckerei) im Stadtteil Wilmersdorf.

Im Mai 1970 ging ihre Mutter, die bis zu diesem Zeitpunkt unter ihrem Mädchen­namen Ulrike Meinhof ihre berühmt gewordenen 100 Kolumnen geschrieben und Fernsehfilme und Rundfunk­feature gemacht hatte, als Mitbegründerin der RAF[wp] in den Untergrund. Am Tag des Abtauchens von Ulrike Meinhof wurden Bettina und ihre Regine Röhl von der RAF für vier Monate nach Sizilien in ein Barackenlager (das für Erdbebenopfer am Fuße des Etna errichtet worden war) verschleppt. Im September 1970 befreite Stefan Aust[wp] (Spiegel-Chefredakteur) die Röhl-Zwillinge aus der sizilianischen Verschleppung und übergab sie Klaus Rainer Röhl, der das Sorgerecht im Mai 1970 erstritten hatte.

Bettina Röhl wuchs danach zusammen mit ihrer Zwillings­schwester in Hamburg Blankenese bei ihrem Vater auf und machte 1982 auf dem humanistischen Christianeum (seit 1688 Gymnasium) in Hamburg Othmarschen ihr Abitur. Danach studierte sie Germanistik und Geschichte in Hamburg und Perugia (Italien). 1986 fing sie bei der Zeitschrift TEMPO als Volontärin an. Es folgten vier Jahre TEMPO, danach arbeitete sie bei der Männer Vogue und Vogue und zwei Jahre bei Spiegel TV. Als freie Journalistin veröffentlichte sie seitdem in Welt, Tagesspiegel, Rheinische Post, Magdeburger Volksstimme, Spiegel, Stern, ZEIT, NDR, Cicero, Dummy, Berliner Journalisten, die Presse (Österreich), taz und anderen.

2001 löste Bettina Röhl mit der Veröffentlichung der so genannten Fischer-Prügel-Fotos (von 1973) in Bild und Stern und dem ebenfalls von ihr entdeckten Fischer-Prügel-Film in den Tagesthemen eine Debatte um die Vergangenheit von Joschka Fischer und "68" aus. In zwei Filmen für das Fernsehmagazin Panorama präsentierte Bettina Röhl weitere Fakten zum Thema Fischer, unter anderem in Bezug auf Molotow­cocktails.

In Deutschland und in der Welt mochte man die Fischer belastenden Fakten nicht, weshalb sich die Medien im In- und Ausland entschlossen, die Journalistin Bettina Röhl mit einer Hass- und Verleumdungs­kampagne zu überziehen. Zu diesem Zeitpunkt wurde der bis dahin unbekannte Text Bettina Röhl, Meinhof-Tochter und dergleichen erfunden. Zielrichtung war Herabsetzung der journalistischen Leistung. Seit 2001 erschienen eine Reihe von Interviews, die Bettina Röhl für Print- und Fernseh­medien gab, zuletzt ihr Interview in der taz zur RAF-Ausstellung[13] im Februar 2005.[14]

In den letzten Jahren schrieb Bettina Röhl Artikel und Texte zu Joschka Fischer, 11. September, Irak-Krieg[wp], Agenda 2010[wp], Maut, RAF-Ausstellung, Friseur Udo Walz, Guido Westerwelle, Pim Fortyun, Daniel Cohn-Bendit, Das Meinhof-Gehirn, Christian Ströbele, die Zeitschrift TEMPO, zu Vaterschaftstest (Mensch Mann!), zur Visa-Affäre und zum Anti­diskriminierungs­gesetz (taz), über die Sex-Mythen des Feminismus, den Sündenfall der Alice Schwarzer, die Gender Mainstreaming-Strategie, über Rudi Dutschke[wp], den FDP-General­sekretär Dirk Niebel[wp], über Gerhard Schröder, Franz Müntefering[wp] und die Wahl 2005, über die Grünen und das verlorene Elexier der Avantgarde usw. Für einen Bericht über die polnische Stadt Danzig in Cicero interviewte sie den Bremer Bürgermeister Henning Scherf und den Danziger Bürgermeister Pawel Adamowicz. Ihr Interview mit dem 1999 verstorbenen Vorsitzenden des Zentralrats der Juden Ignatz Bubis[wp] in Deutschland über linken Antisemitismus im Frankfurt der siebziger Jahre, das sie kurz vor seinem Tod mit ihm führte, ist eines der meist gelesenen Seiten ihrer Homepage. Ihre beiden vielbeachteten Interviews mit den Literatur­kritikern Marcel Reich-Ranicki[wp] und Fritz J. Raddatz[wp] erschienen im April 2004 und im Januar 2005 in der Netzeitung.

– bettinaroehl.blogs.com[15]
Zitat: «Die zweite Karriere der Bee Gees:

Mit der Platte "Stayin' alive"[wp] von den Bee Gees[wp] war 1977/78 dem politisch korrekten Protest- und Ciffsong ein Schlag ins Gesicht versetzt worden. Bis dahin hatten die 68er die Jugend okkupiert und mußten nun ungläubig mit ansehen, wie in der Popkultur eine neue Jugend den Ton bestimmte. Vor allem aber waren die 68er entsetzt, dass sie das erste Mal feststellen mußten, dass ihr ewiges Jugendmonopol, an das sie sich bis heute verbissen klammern, eine trügerische Selbsteinschätzung sein könnte. Den ersten 68ern schwante wahrscheinlich, dass es nicht nur Tausende von Generationen von Menschen vor ihnen gab, sondern bösartiger Weise der Weltenlauf auch noch Tausende von Generationen nach Ihnen parat hat, die nicht unbedingt genau so ticken würden, wie die 68er es der Welt vorschreiben möchten.

Mit der so genannten Disco-Ära begann das bis heute andauernde Geschrei der 68er, dass die jeweilige neue Jugend nach 68 oberflächlich und dumm sei. Die ersten 68er-Jungeltern tauchten auf, die sich als beste Freunde ihrer Kinder in die Klamotten ihrer Teenie-Töchter und -Söhne warfen und verkündeten, dass sie eigentlich die wahren Jungschen seien: Peinlichkeit war nie etwas, vor dem sich die 68er wirklich fürchteten.»

Trau keinem 68er!

In den Medien werden zur Zeit schwarz-grüne Phantasien als Weg zum Glück beschrien. Locken die Grünen die Konservativen in ihr eigenes Waterloo?

Die jüngste Legende, die 68 derzeit der Gesellschaft dekretiert, heißt: 68 ist tot. Die 68er seien bereits aus demographischen Gründen eine aussterbende Spezies.

Die 68er achten strikt darauf, dass es ausschließlich ihresgleichen sind, die sich "kritisch" mit 68 aus­einander­setzen (dürfen). Wer nicht 68er ist und das Maul aufmacht, ist dümmlich, redet über Dinge, von denen er nichts versteht, ist ewig gestrig oder gar rechts (radikal).

Dieser Meinungsterror ist gesellschaftlicher Konsens, Konsens der öffentlichen oder zumindest der veröffentlichten Meinung. Ein bisschen angereichert mit ein paar so genannten konservativen Stimmen.

Tatsächlich ist 68 die Messlatte der politischen Korrektheit. Das ideenlose bürgerliche Lager wehrt sich allenfalls durch Passivität, durch ein paar Luftblasen und apportiert permanent die eigene Existenzberechtigung und überhaupt, man sei gar nicht soo schlimm und hätte ja auch sehr viel gelernt.

Der durchschnittliche 68er ist zwischen 50 und 70 Jahre alt, also in einem Alter, in dem typischerweise die Machtpositionen besetzt werden. Die Generation zwischen 40 und 50 teilt sich in 2/3 stramme Nachwuchs-68er und ein knappes Drittel inzwischen eingeknickter Yuppies[wp]. Wie da die Legende des demographischen Endes der 68er überhaupt Platz greifen konnte, bleibt unverständlich. 68 hat sich längst verselbständigt und ist Generationen-unabhängig die herrschende Denk- und Indoktrinationswelt geworden.

Ein paar Girlies und ein paar halbstarke Superstars und ein paar smarte ober- und altkluge Medienmenschen ändern an dem Gesagten wohl kaum etwas. Auch ein paar Jung­konservative stehen auf verlorenem Posten, woran auch nicht erreichte 18 % der Wählerstimmen oder selbst auch mal eine gewonnene Wahl nichts ändern. Die Apparatmacht in Staat, Mediengesellschaft und Gesellschaft, Kunst und Wirtschaft, Wissenschaft und Lehre bleibt in der Hand der 68er. Die lange Resistenz der Wirtschaft und der Gewerkschaften, die aus unterschiedlichen Traditionen 68 ablehnten, ist längst Vergangenheit.

Die verkrampften und spaßunfähigen 68er haben in ihrem wissenschaftlich-atheistischen Sozialismus ihre eigenen Götter Marx[wp] und Freud[wp] (Jung[wp] und Reich[wp], Lenin[wp], Mao[wp] und Che Guevara) personenkultig götzenhaft angebetet. Es war ein Leichtes für sie mit ihrem eigenen Sektenkult in Gestalt ihrer geistig überlegenen Süffisanz und mit ihrem selbst empfundenen Anspruch der Weltbelehrung und geistigen Welterneuerung, der größen­wahnsinnige Züge trägt, alle Anfeindungen und Herausforderungen seit 35 Jahren bis heute mühelos zu kontern und zu überdauern.

Die Ende der Achtziger zum Massenphänomen gewordene Esoterik haben die 68er quasi anschließend an ihre alte Drogen- und ein wenig Baghwan[wp]-Erfahrung schnell geentert und ihrem System längst einverleibt.

Die Esoterik ist eines der Einfallstore der 68er in das Managerwesen der Wirtschaft geworden, wo Placebo und Autohypnose, selbstverständlich an knallharten Erfolgszahlen gemessen, Standard­gedanken geworden sind. Viele so genannte Leiter von Managerkursen für Top-Leute werden von ergrauten esoterischen 68ern und Nachwuchs-68er geleitet, die die Power hemmungsloser Durchsetzung und die Konditionierung des Ichs des Individuums angeblich in betriebs­wirtschaftlichen Nutzen umwandeln helfen.

Die Psychologie ist eins der großen Felder, auf denen die 68er die Macht übernommen haben, weshalb alles wissenschaftlich von Kapazitäten testiert abläuft. Da wird die große Kohle verdient. Von links, von sozial keine Spur. Seitdem 68 in Staat und Medien die Herrschaft übernommen hat, was unter Helmut Kohl sukzessive passierte, spielen die immer zahlreicher werdenden Verlierer keine Rolle mehr. Die schießt man aus dem Sozialsystem raus mit dem eleganten Begriff der Ich-AG[wp]. Wie gut, dass 68 immer gleich auch die Kritik mitliefert, die zur eigenen Macht­anreicherung gehört, und das Wort "Ich-AG" schnell zum Unwort des Jahres kürt.

Als ich ein kleines Kind war, lehrte mich meine Mutter Ulrike Meinhof, dass Strauß[wp], Barzel[wp] und co. das schlechthin Böse seien. Naiv dachte ich, dann muss ja Willy Brandt[wp] das schlechthin Gute sein und war enttäuscht und auch ein bisschen böse, dass ich nach der Wahl von Brandt zum Bundeskanzler 69 zu hören kriegte, dass der Brandt auch nur das kleinere Übel sei, da Brandt - so erklärte sie es mir kindgerecht - die Welt nicht umstürzen, sondern nur revisionistisch reformieren und ansonsten erhalten wolle. Das Ziel sei jedoch die Zerstörung des Staates, damit ich später, wenn der Kommunismus ausgebrochen sei, den sie und ihre 68er-Genossen durchsetzen wollten nur auf den Markt gehen brauchte, um mir meine Kleider (sie sagte "Hosen") und alles was ich wollte, kostenlos, soviel ich brauchte, zu holen. Fragen, Zweifel oder gar Kritik meinerseits ließ Ulrike Meinhof gnadenlos nicht zu.

Als ich wenige Jahre später auf dem altehrwürdigen humanistischen Christianeum meiner Erinnerung nach in der fünften Klasse mit einem der wenigen waschechten 68er-Junglehrer ins Diskutieren kam, weil uns dieser Lehrer aufgefordert hatte, zu diskutieren und gegenüber Autoritäten kritisch zu sein, wurde ich eifrig und kritisierte eben diesen Lehrer, weil er die eingeführte so genannte brainstorming-artige "Quatsch-Stunde" eigentlich eine der fünf regulären Deutsch­stunden, die der Lehrer umfunktioniert hatte, zu einer reinen Quatsch­stunde entgleiten ließ. Der strikte und harsche Bescheid des Lehrers, der doch nun selber die Macht der Autorität gegen alles Böse von oben in Händen hielt, war, dass es so nun nicht ginge, ich müsse schon das Richtige kritisieren. Gemeint war wahrscheinlich der Klassenfeind von oben, der den Lehrer satt und zufrieden stellend alimentierte.

Diese kindlichen Erfahrungen haben an Gültigkeit kaum etwas verloren. Selbst, wenn die 68er, wie jetzt, flächendeckend an der Macht sind, ist es nicht im eigentlichen Sinn die Opposition die opponiert, sondern das moralisch-überlegene Monopol des Gegen–den-Imperialismus-und-die-Reaktion-Seiens, des Gegenseins schlechthin, des Kritischseins, des überhaupt Nachdenkens und Experimentierens haben die moralisch-überlegenen Linken zu ihrem höchst eigenen Ding erhoben.

Das öffentlich verordnete Denkkartell 68 fällt nicht mehr auf, weil es inzwischen über zwei Generationen das Maß der Dinge geworden ist. Normal Null im Koordinatenkreuz der auf diese Weise gerade nicht mehr möglichen geistig-politischen Aus­einander­setzung ist 68 geworden.

Der gesamte geistige In- und Output läuft durch den Filter 68 und so ist es verständlich, dass die ersten tüddelig gewordenen 68er auf ihre eigene Geschichte hereinfallen und verkünden: 68 gibt es nicht mehr, weil das, was schlicht real existiert, natürlich in der Tat nur schwer wahrgenommen werden kann.

Die konservativen Politiker beklagten jüngst, dass sie keine adäquate Repräsentanz in der Kunstszene haben und unterstellen dabei, dass es eine freie Kunstszene gibt, die sich frei mehrheitlich für links entschieden hätte.

Seitdem links unsozial heißt, aber dafür an der Macht ist und die sozial Schwächeren mit der alten Soziallegende alle vier Jahre einmal turnusmäßig an die linke Wahlurne gescheucht werden, machst Du als Künstler Kohle, wenn Du links bist. Insofern fällt die Entscheidung, links zu sein, weder ganz freiwillig noch ist sie völlig unverständlich.

Links hat zwar eine erdrückende Kastration der Meinungsfreiheit mit sich gebracht, die linken Künstler schreien aber nach wie vor: Mehr Demokratie wagen, mehr soziale Gerechtigkeit und schlicht und ergreifend mehr verruchte, gemäßigte Revolution. Auch nach wie vor hat links okkupiert: mehr Emanzipation, mehr Freude, mehr Spaß und einfach mehr Sex. Apropo Sex; die 68er, die größten Sex-Stümper mit ihren Erektions-, Turn- und Psycho­übungen und ihren Orgasmus­problematisierungen haben das Kunststück vollbracht, dass sie das Image der sexuellen Revolution voll und ganz für sich beanspruchen. Welcher kleine bürgerliche Spießer erblasst da nicht vor Neid und ordnet sich da nicht auch gleich noch politisch unter.

"Du sollst Dich revolutionieren!" Was das genau heißt, weiß niemand. Aber schon mal Mitglied in der Sekte 68 zu werden und das ABC auswendig zu lernen, kann nicht schaden. Sei subversiv, kämpfe an Deinem kleinen Platz, demonstriere, geh' in die Gesellschaft und belehre und bekehre Dein Umfeld...

Die Demonstrationskultur hat zwar seit 98 an Schwung verloren, aber es ist doch erstaunlich, wie intensiv heute von oben organisiert noch gegen einen fiktiven revisionistischen Gegner, der überhaupt nicht mehr benannt werden kann, in einem Staate, in dem 68 die Macht selber an sich gerissen hat, demonstriert wird.[16] Mutig bringen Künstler dem Kanzler Schröder im eigenen Hause Protestnoten, um die bösen Teile der Gesellschaft zu überwinden und um ihn Weltpolitik zu lehren, die er selber längst verstanden hat.

Der Kunst immanent ist das Argument des Experiments, die Suche nach Neuem, der Attacke auf das Bestehende, auf das nun in Wahrheit links gewordene Establishment und insofern ist es eine fatale Verwechslung, wenn in der aktuellen Situation die Kunst diese positiven Kräfte in Erfüllung alter, linker obrigkeits­kontrollierender Ideen auf sich selber hereinfällt und die meisten und wertvollsten positiven revolutionären Kräfte einäugig und total reduziert und damit langweilig in den vorgegebenen linken Kanal verpuffern lassen. Diese Art von so genannter politischer Protest und Unkunst von regierungs­amtlichen Kunstbeamten erinnert doch stark an die Kunst im Kommunismus.

Eben noch kämpfte Bohlen mit der Schwerkraft des kleinen Dieter und nun wird er im bereits wieder verpufften Konzert einer bürgerlichen "Revolution" in den Feuilletons zu einer konservativen Künstler­medien­blase gierig verwertet, der einzigen, der man habhaft werden konnte.

Ein wenig attraktiver Steuersong, der nicht einmal besonders kanzlerkritisch ist, und auch die Interpretation offen lässt, dass der selbe Song auch gegen einen Kanzler Stoiber[wp] gesungen worden wäre, der sich immerhin mit derselben wirtschaftlichen und finanziellen Situation hätte aus­einander­setzen müssen, ist morgen wieder vergessen, weil er weder formal Kunst war noch inhaltlich etwas bot. Es ist aber erschütternd wie eine wahrscheinlich überwältigende bürgerliche Mehrheit im Lande der Dichter und Denker einem solchen Steuersong mit der Hoffnung hinterherläuft, dass nun endlich einmal links abgewatscht wird und dass man nun endlich einmal von den gestrengen 68ern anerkannt wird, dass man auch furchtbar witzig sein kann. Der angekündigte "Es wird alles wieder gut"-Song macht die Nullnummer, der die Konservativen gierig hinterher gelaufen sind, in besonders drastischer Weise deutlich.

Wenn Konservativismus nichts anderes mehr bedeutet als ein bisschen auf Big Brother[wp]-Container zu machen, ein bisschen dem Superstar-Mediengau zu applaudieren, und ein bisschen Spass und Nonsense auf die Beine stellen und immer Obacht zu geben, dass es nicht politisch wird, dann beweist dies, wie durchgängig der Sieg von 68 ist.

Die besondere deutsche Ausprägung von 68 - auch die 68er können nicht davon lassen, das deutsche Wesen besonders gründlich und besonders teutonisch für überlegen zu erklären, obwohl sie dieses Sprüchlein gern den Konservativen um die Ohren hauen - lag in der jüngeren deutschen Geschichte, die in der Tat eine unideologische, gesellschaftliche Erneuerung erforderlich gemacht hätte. Ironischerweise ist festzuhalten, dass 68 und der ambivalente Anti-Amerikanismus aus Amerika importiert wurden und nicht originär deutschen Ursprungs sind, weshalb die nachträgliche Legende, dass 68 aus einem mutigen Kampf deutscher Studenten und Intellektueller gegen Adolf Hitler dreißig Jahre nach Hitlers Tod entstanden sei, eine plumpe Geschichts­klitterung ist.

68 war eine hysterische Hasskampagne gewürzt mit den Errungenschaften der sechziger Jahre, Pille, Pop und pralles Taschengeld. Hinzu kam unterschätzte Assistenz aus Ostberlin, eine unterschätzte Assistenz aus dem Bereich der verbotenen West-KPD, der Einfluss der Dritte-Welt-Krieg-Phantastereien von Mao Tse Tungs in Vietnam und in der chinesischen Kulturrevolution[wp], die die 68er-Führer fanatisch predigten und eine unterschätzte Assistenz aus dem Bereich der enorm großen, links beherrschten Vermögen in Gestalt eigener Unternehmen, eigener Verlage, eigener Zeitungen oder auch der mehrheitlich links beherrschten öffentlich geförderten Projekte, Stiftungen und der Mehrzahl der öffentlich - rechtlichen Banken oder quasi öffentlich-rechtlichen Bankinstitute. Heute sagen die 68er-Veteranen, man kann sich das nicht mehr vorstellen, wie schlimm damals in den Siebzigern alles noch war. Damals sei jede Gewalt gegen diesen imperialistischen, revanchistischen Willy-Brand- und Helmut-Schmidt-SPD-Staat gerechtfertigt gewesen. Dass dies im besten Fall Quatsch, im verwerflichsten Fall bösartige Legenden­verbreitung war, beweisen die nämlichen 68er, die heute unter dem Deckmantel von Terrorismus und kritischen Staatsfinanzen den Rechts- und Sozialstaat an allen Ecken und Enden kastrieren und meilenweit zurückschrauben.

Kohle spielte im linken Lager nie eine Rolle. Über Geld sprach man nicht. Geld hatte man. Die Linken haben uns gelehrt, Geld sei Macht. Recht haben sie. Herrschaftswissen sei Macht. Rechts haben die Linken. Das Arbeitsrecht, dass die Linken in einer Weise einschränken, wie es sich eine konservative Regierung nicht mal hätte ausdenken können, galt vor allem als 68 noch nicht an der Macht war und dann vor allem für die private Wirtschaft. Für die linksdominierten Unternehmen galt das Arbeitsrecht kraft Gesetzes zwar gleichermaßen, da wusste man sich aber vielfältig praktisch zu helfen.

68 hat keineswegs die Themen, die sich objektiv stellen, aber alle Themen, die öffentlich gestellt wurden, beherrscht. Keins der Probleme wurde von 68 gelöst. Lösungen waren auch nicht mal intendiert. Ostpolitik[wp], Schwangerschaftsabbruch, sterbender Wald[wp], Geschwindigkeits­beschränkung, Dosenpfand, Sozial­kunde­unterricht statt Mathematik, ein Thema nach dem anderen wurde monopolisiert und für Wahl­entscheidungen missbraucht und bevor es um Sach­entscheidungen gehen konnte durch ein neues Thema für eine neue Wahl ersetzt. Wenn irgendwas schief ging, war sofort eine hoch dotierte 68er-Psycho­assistenz zu Hilfe. Wenn etwas schief geht reklamiert 68 eben, dass man die Sache positiv sehen solle, weil man sie doch "ein Stück weit" voran gebracht habe.

Die Revolvermentalität der 68er, die ihr krankes Selbstlob und die Fakten verfälschende Darstellung ihrer Geschichte so oft in den Medien, in den Talk-Shows, in den Schulen, Universitäten und in tausenden von Büchern revolvierten bis nicht nur sie selber gläubig an ihren eigenen Lippen hängen, sondern auch der Rest der Gesellschaft vermeiden auf diese Weise sehr stringent der ihnen obliegenden Beweislast für ihre Behauptungen Genüge zu tun.

Konkret bitte schön, meine Damen und Herren 68er. Wo ward Ihr die charakterlich Überlegenen und die die Gesellschaft voranbringenden Geister?

Das lustigste Beispiel: Die 68er reden soviel über ihre sexuelle Revolution[wp], die die vor ihnen im Trend liegenden Hippies[wp] versuchten, dass die Nachgeborenen irgendwie zwischen Schuldgefühl, Selbstzweifel Bewunderung und ganz viel Neid mit großen staunenden Telleraugen auf ihre Eltern schauen, die es so doll getrieben haben, dass diese Nachgeborenen glauben, dass sie ohne die entfesselten Sexual­innovationen ihrer Eltern überhaupt nicht gezeugt worden wären, als ob nicht vor den 68ern vermutlich tausende von Milliarden Menschen gezeugt worden waren und die 68er dagegen kläglich zugeben müssen, dass sie ein Baby-Mangel produziert haben, den sie flugs den Pillenknick nannten. Als ob die arme Pille Schuld daran sei, dass weniger, aber dafür zigfach problematischer, Verzeihung, problematisierter, und mit einer größeren Zahl unterschiedlicher Partner rumgebumst wurde. Statt den Segen der Pille zu nutzen und Liebe zu machen, faselten die 68er damals Tage, Nächte und wochenlang darüber rum, wie Sex zu sein hätte und diskutierten ihre angeblichen Beziehungs­kisten aus, bis der letzte Tropfen Östrogen und Testosteron und jede Erotik und jeder Sex sie verlassen hatten.

Dass die 68er Ende der siebziger nach Poona in Indien fliegen mussten, um ihren "Kopf los zu lassen" und ihren Unterleib doch noch auf Touren zu bringen, zeigt in welcher Wohlstands­gesellschaft die 68er von ihren Nazieltern aufgezogen wurden.

Schaut Euch die fahlen, grauen 68er von heute genau an, wie sie auf der Straße unverkennbar in ihrer Selbstimitation ihrer längst vergangenen Studententage herumschleichen, da lobt man sich doch die fidelen Rentner, die auf Mallorca einen los machen.

68 überzog die Republik mit dem Thema Datenschutz und ist kaum an der Macht rigoros dabei unter Ausnutzung der an sich gerissenen geistigen Führerschaft den Überwachungsstaat zu etablieren. Gegen Terroristen kämpfen, ja klar, aber nicht mit Gewalt, aber dafür den Normalbürger der 99,999 % der Bevölkerung ausmacht, immer strikter überwachen - das ist schick, zumal man weiß, dass damit endgültig der Blick auf die Welt, die größer ist, als 68 unterdrückt wird: 68 für immer.

Einst wussten die 68er, die sich zunächst um die Nazivergangenheit Deutschlands weit weniger bemühten als heutzutage, dass sie auch ohne das Unrecht der Väter­generation allem Dagewesenen und insbesondere den eigenen Eltern und Großeltern rundum überlegen waren. Dass sie den Gleichaltrigen, meist leise tretenden Nicht-68ern in jeder Hinsicht voraus waren, stand ohnehin fest. Mit den grauen Haaren der 68er wuchsen neue Generationen heran. Denen erzählte man einen vom Pferd über die - in satten Jahren aufgewachsen - eigene, gelebte Vergangenheit. Die 68er sind so die Oberlehrer der Eltern wie der Kinder und der Kindeskinder und dulden, da verstehen sie keinen Spaß, keinen Widerspruch. Im Gegenteil, sie verlangen strikte Anerkennung und Unterordnung. Wir haben schließlich nach 20.000 Jahren schief gelaufener Menschheits­geschichte Demokratie und Modernität über Euch gebracht. Falls noch jemand eine andere Meinung hat, schlagen die 68er-Veteranen mit Marx und Freud zurück und scheuen dabei nicht davor zurück Menschen zu zerstören. Therapiewütig wie sie sind, haben sie auch gleich ein Umerziehungs­programm parat.

68 ist ein Moloch, der alles frisst. Die Idee Rückzug ins Private und die Politik möge sich aus dem Privaten fernhalten, ist also kontraproduktiv, weil 68 in einem solchen Falle unaufgefordert die Bedingungen des Privatisierens diktiert.

Klar, dass diese 68er bei dem Thema ewiges Leben/Gentechnik - ein Thema zu dem sie schon früh gegen fiktive Konservative angekämpft haben - nun plötzlich, wo dieser ewigen Jugend 68 das Alter droht, eine spürbare Enthemmung in die Gesellschaft gebracht haben und ein beredtes Schweigen an den Tag legen. Schließlich weiß jeder echte 68er für sich selber-Gott und den Himmel gibt es nicht - dass er es eigentlich verdient hätte ewig zu leben und der Gesellschaft ewig zu dienen, um ihr auf keinen Fall als wertvolles Mitglied abhanden zu kommen. Klonideen und Wieder­geburts­gedanken der Esoterik mischen sich bei den 68ern unheilvoll und ganz nebenbei: die Andersdenkenden werden auf keinen Fall geklont, die sollen gefälligst aussterben.

Die neueste 68er-Idee, in die man dort regelrecht verliebt ist, geht so:

Die gute Erfahrung der einst DDR-gebusterten Sonder-68er-Partei der Grünen, die in der Koalition seit 98 die gute alte Tante SPD so ausgelutscht hat, dass sie nur noch ein geistig-politischer Schatten ihrer selbst ist, soll nun wiederholt werden. Dieselben Grünen haben einst einen blühenden und durchsetzungs­starken Holger Börner[wp] in Hessen zu Wut und Verzweiflung und vielleicht sogar in einen frühen Tod getrieben. Man hat also Erfahrung. Man möchte in einer grün-schwarzen Koalition jetzt CDU und CSU anpacken und vampirartig aussaugen und eine kleine belächelte FDP sich selber erledigen lassen. Jetzt will man endlich an die bei der CSU und CDU vermuteten letzten Wirtschaftstöpfe mal so richtig ran.

Die schwarz-grüne Koalition wird von selbst verliebten Journalisten die dem so genannten Strukturalismus anheim gefallen sind, schwelgerisch und inflationär herbeigeredet und wieder gehen die 68er aufs Ganze. Die grüne Verpflichtung zur Natur, die es im Angesichte der politischen Kampfmaschinen, die die Grünen führen, wohl allenfalls an der so genannten grünen Basis gibt, und der Schöpfungs­gedanke des verachteten Christentums, dass man nun plötzlich bei den Christ­unionisten, die man ewig als unchristlich gescholten hat, ansiedeln möchte, seien doch, so die Überflieger­gedanken, die beiden Seite der selben Medaille, so dass einzig und allein eine grün-schwarze Koalition den wirklichen Sinn sui generis mache. Manch ein CDU-Mann ist von soviel grünem Interesse und plötzlicher "Anerkennung" geschmeichelt und fühlt sich endlich auch einmal so richtig dazugehörig.

Fischer wird parteiloser erster Kaiser von Mitteleuropa, ein Bürgerkaiser selbstverständlich, schließlich ist Fischer genauso kleinwüchsig wie Napoleon. Das passt schon einmal. Ansonsten Stoiber ist ein guter Onkel, Merkel eine gute Tante und Merz ein nützlicher Technokrat und die bringen die Mehrheitsmacht und die so genannten Ex-Streetfighter, K[wp]-Grüppler und Mao-Anhänger und Pol-Pot[wp]-Fetischisten üben die Macht aus, bis die CDU und CSU ausgelutscht am Boden liegen. Dann schaun wir mal weiter.

Die 68er tun alles für den Menschen an und für sich und schlecht hin. Das Individuum ist unwichtig. Die Struktur zählt, der richtige Geist zählt und das ist der heilige Geist 68. Gleichzeitig gelingt es den 68ern nachhaltig, um das inhaltsleere Zauberwort der Grünen hier einmal zu benutzen die Öffentlichkeit denken zu machen, dass das individuelle, private Glück nur mit ihnen zu haben sei und die soziale Gerechtigkeit sowieso.

Wenn sich keine konservative Ideenkraft formiert, die in der Lage ist, den gigantischen Fake 68 zu dekuvrieren, wird 68 die Nachfolge der christlich abendländischen Kultur übernehmen. 68 ist auf dem besten Wege dazu und alles anders als weg. Die 68er lachen sich, wie die berühmten Gurus, die ihre Jünger finanziell und mental auspressen und ihnen Askese predigen, schlapp, wenn sie ihr auf billiges Öl gestütztes Luxusleben führen und die Amis dafür schelten, dass sie für sie die Drecksarbeit machen, und Ölquellen­sicherung betreiben. Es ist eben dreifach witzig, zu herrschen, moralisch überlegen zu sein und die Beherrschten nach Strich und Faden zu verarschen.

– bettinaroehl.de[17]
Die 68er sind fakten- und logikresistent. Die 68er kamen nicht im gleichnamigen Jahr aus dem Nichts, sondern konnten auf Strukturen ideeller wie auch physischer Art zurückgreifen. Die kommunistischen Unterwanderungs­aktivitäten der DDR und anderer Staaten aus dem "real-sozialistischen" Lager hatten ein Netz in der BDR geschaffen, das einiges her gab und der eigentliche Kick kam bekanntlich, wie könnte es anders sein, aus den USA. Das war schick, und das war samt des Antiamerikanismus, der ebenfalls von der anderen Seite des großen Teiches kam, irgendwie jugend-revolutionär.

Festzuhalten bleibt, dass das 68er-Lager mit seinem längeren Vorlauf bis in die Gründerzeit der Bundesrepublik und bei differenzierter Betrachtung bis in die zwanziger Jahre des letzten Jahrhunderts zurückreichend, inzwischen seit Generationen das Denken und die gesellschaftlichen Denkstrukturen massiv zu beeinflussen in der Lage war. Die Jammerei und die Selbst­glorifizierung von "68", als hätte man sich erst gegen einen furchtbar bösen Staat durchsetzen müssen, ist ein sich hartnäckig haltendes Gerücht.

Dass die glorreiche Bekenner­gemeinschaft "68" auf den Putz gehauen hätte mit den total verqueren, schwülstig nachgeäfften verpackten Blumengedichten von Mao im Kopf und dessen wahn­witzigen menschen­experimentellen Ideen im Herzen, und mutig Deutschland von Adolf Hitler posthum befreit hat, entspricht nicht dem Gang der Geschichte.

Die 68er sind also in der 150-jährigen Kontinuität des sozialistisch-marxistischen Lagers stehend, welches sich über 150 Jahre auf Subversion, Revolution, Konspiration und wenn's sein musste auf Mord und Massenmord einzustellen hatte, um sich durch zu beißen, mit allen Wasser gewaschen. Sie beherrschen alle, vor allem die konspirativen, Tricks.

Die Propagandanummer, dass die Absolutisten verjagt und die Früh­kapitalisten beschnitten werden mussten, ist insofern fatal effizient, als die sozialen Forderungen zu Gunsten der Unter­privilegierten weit überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung selbstredend richtig und unterstützenswert waren und sind und zwar unterstützenswert mit aller Kraft, also auch heute, wo es um die Fettaugen der 68er selber geht. Aus dieser Wichtigkeit saugt das real existierende linke Lager in des Legitimation, die ihm nicht zusteht, weil von Anbeginn an persönliche Egoismen und die absurde Diktatur des Proletariats den Gedanken der Solidarität für den Einzelnen konter-karierten und pervertierten.

So richtig die Einrichtung von Gewerkschaften, die erste Sozialrechts­gebung, das erste Arbeitsrecht waren und historisch bleiben, so sehr steht fest, dass in der Bundesrepublik des beginnenden 21. Jahrhunderts die 68er-Nomenklatura Schindluder mit der von ihr okkupierten Idee des Sozialen treibt, sich galoppierend unsozialer verhält als irgendeine bürgerliche Regierung sich dies auch nur zu denken getraut hätte und im Übrigen den großen Fehler des Sozialismus beibehält und nicht den Einzelnen sieht, sondern nur Gruppen und Systeme. Mit diesen Abstrakta wird das Individuum übergebügelt und ausschließlich noch die eigene Karriere wird mit dem undefinierten, wie gesagt, propagandistisch gebusterten Rückgriff auf die linken Ursprungsideen gefördert und dies wird geschmacks­verstärkt mit der gezielt erzeugten Latenz, dass alles, was nicht 68er-Nomenklatura ist, im Grunde entweder Nazi oder zumindest Nazi-Schuld zu vertreten hat.

Kunst, Medien, Geisteswissenschaft und Literatur sind heutzutage strotzende geistige Waffenkammern der 68er

Hinzu kommt, dass das 68er-Lager die Kunst, speziell die Literatur und die Geisteswissenschaften und die Medien seit langem beherrscht, was dazu führte, dass die so entstandenen Archive strotzende geistige Waffenkammern der 68er sind und die Nomenklatura, die diese Waffen-kammern in den unterschiedlichsten Lebensfeldern beherrschen, jederzeit mobilisierbar ist. Dieses Phänomen eines anonymen nicht durch Absprache vernetzten, sondern durch Stallgeruch kohärent schwingende gesellschaftliche Geflecht, ist das eine sich ständig regenerierende artig erfüllende Standbein der 68er. Darüber hinaus gibt es natürlich auch regelrechte 68er-Netzwerke und auch einige Bonzen, die dieses Konglomerat von Netzen für persönliche Zwecke nutzen.

Seit 30 Jahren gibt es mit schöner Regelmäßigkeit RAF-Revivals und mit gleicher Regelmäßigkeit werden auch die Bemühungen vieler RAF-Aufarbeitungs­seilschaften revivalt. Jedes Mal derselbe Ablauf: Die selbst ernannten ausnahmslos 68er-Individual- und Gesellschafts­therapeuten und RAF-Ober-Beurteilungs­indianer verordnen dem staunenden Volk, dass die RAF zwar essentieller Bestandteil von "68" war, was aber nur 68er sagen dürfen, aber im Übrigen vor allem die Jugend heute wissen müsse, dass man sich zu distanzieren habe usw. usw. Alles, das, was jetzt an Ausstellungs­befürwortern und Diskutanten öffentlich aufgetreten ist, drischt seit dreißig Jahren bekannte Argumente, in dem Vertrauen darauf, dass seit dem letzten RAF-Aufarbeitungs­jubiläum ein paar Jahre vergangen sind, entsprechend viele Jahrgänge gestorben und ebenfalls entsprechend viele Jahrgänge nachgeboren sind.

Eine Seilschaft, die im Zusammenhang mit der jetzt in die Diskussion geratenen RAF-Ausstellung aktuell zu nennen ist, ist die von der Grünen Bundestags­vize­präsidentin Antje Vollmer[wp] mit der leicht hysterisch bebenden Stimme am oberen Ende, die im erweiterten Beirat des Ausstellers Kunst Werke sitzt, von dem zehn Jahre lang fanatischen Ex-KBWler Gerd Koenen, der als historischer Berater fungiert und dabei propagiert, dass das rote Jahrzehnt sogar eine Art dritter Weltkrieg(!) gewesen sein soll, der Ex-Grünen und früheren K-Grüpplerin Adrienne Göhler, die heute als Kuratorin des Hauptstadt-Kulturfond die 100 000,- Euro für die Aussteller bewilligte, bevor diese ein Konzept vorgelegt hatten und dem Oberlegitimator und 68er - Reemtsma-Institut - Mannes Wolfgang Kraushaar[wp], der die Ausstellung historisch begleiten soll.

Ein paar wechselnde Mitglieder aus Terroristen, Sympathisanten und ultralinks in ihren Lebensläufen basierten Sektenjüngern komplettieren die Aussteller-Seilschaft, die geradezu gewerbsmäßig und manisch zugleich sich seit Jahrzehnten ihres Favorits, nämlich der RAF annehmen. Jedes Mal, wenn diese RAF-Traditions­pfleger zuschlagen und etwa, wie jetzt eine Ausstellung machen, oder sich Seilschafts­mitglieder mit weisen Häuptern im Glanz ihrer Allwissenheit und ihrer tonnen- und schiffs­ladungsweise zusammen­getragenenen RAF-Details und Details aus der 68er-Geschichte einzeln hervor getan haben, passiert stereotyp zwanghaft dasselbe. Allein die Form wurde jeweils ein bisschen aktualisiert.

Die Frage an die Aussteller-Seilschaft, die jetzt in Berlin staatsdotierte Kunst zu Aufklärungszwecken veranstalten will, ist eine zweifache: 1. Warum müssen die Aussteller alle dem Thema persönlich verhaftete Lager-68er sein, die sich wie ein anständiger Richter es tun müsste selbst wegen Befangenheit ablehnen müssten? Und 2. Warum müssen unbedingt Leute ran, die schon so oft offenkundig ergebnislos hoch dotiert und selbstverliebt, voll im 68er-Gedankengut verhaftet, die RAF zu Belehrungszwecken thematisiert haben?

Fahndungsplakat der "ersten Generation"

Nicht die RAF ist das Phänomen, das in den Schaukasten der Ausstellung gehört, sondern die größere Hälfte und der harte Kern der 68er selbst, die die RAF zum Mythos gemacht haben, früher zum Teil massiv konkret unterstützten und in jedem Falle zu Taten anpuschte, gehören in den Schaukasten, um sich von unbefangenen Experten begutachten zu lassen.

Wenn Antje Vollmer im Bewusstsein dessen, dass die 68er-Mischpoke die kleine unerwartete Ausstellungskrise im Sommerloch 2003 locker schaukelt und zu Recht darauf vertraut, dass völlig selbsttätig in den Medien die lässig überlegenen Verteidiger auftreten und tagesaktuell auf einem flugs konstruierten imaginären Gegner der Ausstellung drauf schlagen, mit ihrem ganzen Lager im Hintergrund brutal zurückschlägt und ein paar wenige Stimmchen einer Bildzeitung und bis zur Unkenntlichkeit herunter­zensierter Opfer der RAF als "Kampagne" gegen ihre welthistorische Großtat der RAF-Aufklärung bezeichnet, dann muss man sich überlegen, ob sie wegen Volksverhetzung, wegen Volksverdummung und Bruches der Würde der Toten fristlos aus ihrem extrem hohen Staatsamt gekündigt werden muss. Sie selber betreibt eine RAF-Kampagne alter Schule, wie sie auch schon früher in Publikationen in einer glatt gebügelten RAF-Sprache übelste Scholastik klassenkämpferisch gegen den Staat und für die Raffer abgelassen hat.

16 Jahre Helmut Kohl

16 Jahre Helmut Kohl an der Macht - das war ein übler Streich der Geschichte. Nach außen hin mussten die Konservativen, denen wenig Ruhm des Regierens gelassen wurde, im Wesentlichen den Kopf für das Regieren hinhalten, während die 68er, die kraft ihrer Ideologie eine staats­zersetzende Opposition sind, ihre Stärken in der Oppositionsrolle ausspielten und der lange Marsch durch die Institutionen und eben auch die Köpfe der Mainstream-Menschen "68" zunehmend und durch die Kohlsche Leere befördert, die Macht sicherte.

Seit Schröder und Fischer 98 an die Macht kamen und mit ihnen eine ganze 68er-Clique geht's mit dem Staat nach dem einem Regierungswechsel immanenten Anfangshoch kontinuierlich bergab. Das liegt daran, dass die 68er, wie gesagt, eine Oppositionssekte sind, die ihre größte Macht­entfaltung aus der Opposition heraus ausübt haben. Insofern war es, um es ironisch auszudrücken, ein erfreulicher Schicksals­schlag gegen "68" gewesen, dass deren Häuptlinge 1998 an die Macht kamen. "68" muss an der Regierung auf Sicht scheitern und es ist auch gut, wenn sich die 68er auf diese Weise zeigen müssen, damit sie besser erkannt und an ihren heutigen und damaligen Taten und den Kontinuitäten zwischen diesen Taten gemessen werden können. Scheitert "68" über kurz oder lang an der Regierung kriegt auch "68" an der Oppositions­spitze den wohlverdienten Bags, den offenkundig nur das linke Lager mit Selbstheilungs­kräften sich selber zufügen kann, da die konservative Seite dazu außerstande ist.

"68" hat den geistigen Platz der Opposition seit Jahrzehnten kontinuierlich besetzt und diese Besetzung der Opposition mit der Machtübernahme 1998 noch verstärkt. "68" ist die Opposition, CDU, CSU und FDP und PDS müssen sich so nennen lassen und dürfen auch ein wenig in irgendwelchen Details herumkaspern, aber die große Linie dessen, was Opposition ist, das bestimmt der Zeitgeist "68".

Da "68" auch die Regierung übernommen hat, ist der Status quo richtigerweise so zu beschreiben: "68" ist Regierung und Opposition und hat damit das demokratische System der Bundesrepublik Deutschland quasi ohne nachweisbaren Verfassungsbruch ad absurdum geführt und aufgehoben. Die Medien sind fürwahr mehrheitlich gleichgeschaltet, um es mit einem bösen, aber klaren Ausdruck zu sagen, so dass auch die Medienkontrolle weitestgehend flach fällt, aber umgekehrt eine starke flankierende Wirkung aus den Medien heraus für die amtierenden 68er permanent geliefert wird.

Das andere Lager, das früher vielleicht einmal das bürgerliche Lager genannt worden wäre, hat als Lager aufgehört zu existieren und ist nur noch ein amorpher Haufen von nicht linken Parteiungen und Gruppierungen, die den 68ern längst bewusst oder unbewusst hinter herlaufen und von ihrer Unterlegenheit zumeist selber überzeugt sind.

Welcher politischer Problemfall auch immer: Wenn's in der Sache nicht geht mit irgendwelchen Theorien und Theoremen, dann wird auf die Person(nen) "geschossen". Das bürgerliche Lager war in fünfzig Jahren nicht in der Lage in Biographien wie der von Herbert Wehner oder aktuell Karl Wienand oder oder oder Licht zu bringen und politischen Vorteil zu ziehen. Im Gegenteil, die einzigen, die hier überhaupt Aufklärung brachten, waren die selbstverliebten und in das Spiel mit dem Feuer verliebten 68er, die gern auch mal ins eigene Nest machen, auch wegen des Showeffektes, dass man gar kein homogenes Lager sei usw.

Nehmen Sie irgendeinen politischen Aspekt und geben Sie ihn in den gigantischen Rechner 68 ein. Sie kriegen, egal ob Werktag, Nacht oder Feiertag je nach Bedarf sofort das notwendige Material, dessen Inhalt nicht stimmen muss oder der sogar wahrheitswidrig zusammengestellt ist, um missliebige Personen mundtot zu machen und um missliebige Ideen vom Tisch zu fegen.

In der Lagerauseinandersetzung stümpern, tümeln und empören sich die wenigen, die einmal das Maul überhaupt aufreißen, wie jüngst in Bezug auf die Diskussion um die RAF-Ausstellung Friedrich Merz, Guido Westerwelle oder gar Christopf Stölzl. In Starkdeutsch reden sie von "eiskalten Mördern" "ohne jedes Ideal" und begründen so ihre Ablehnung der RAF-Ausstellung. Man merkt ihnen auf erschütternde Weise an, dass sie keinerlei Detail­kenntnisse und keine Ahnung vom Umgang mit "68" und keine Ahnung von wirklicher Politik haben. Mit ihren neben der Sache liegenden Statements signalisieren sie der "Gigant­maschine 68": angedeutete Turbulenzen vorbei, Opposition ist eingeknickt oder so lächerlich, dass wir nicht mehr darauf reagieren müssen. Die Ausstellung findet statt und zwar gestärkt im Sinne von "68."

Die Opfer wurden kurz öffentlich vorgeführt. Die 68er wissen, wie man so was durch freundliche Einladung und Aufforderung zum Dialog macht. Zu den Inhaltsfragen, wie ein solcher Dialog aussähe, kommt es nicht mehr. Die Angehörigen der Opfer, die Kritik gegen diese Ausstellung verlautbaren lassen haben, sind, werden in die Rolle derjenigen gedrängt, die gegen Aufarbeitung oder gar Aufklärung sind. Der Tenor der Aussteller und ihrer Claqueure in den Medien ist jetzt: Wer gegen die Ausstellung ist, ist ein ewig Gestriger, der das Thema nicht verstanden hat, eine sachliche Historik ablehnt und die RAF zur Begründung rechtsradikaler Gegenthesen missbrauchen will. Und sogar dies Argument tauchte in den Medien auf: Wer gegen die Ausstellung ist, will in Wahrheit die Wehrmachts­ausstellung, die in der Diskussion jetzt immer mehr nach vorne gerückt wird, nachträglich schlecht machen. Damit liefern die oberschlauen Verteidiger der Ausstellung ungewollt das richtige Argument: Die Wehrmachts­ausstellung auszurichten hat man klugerweise nicht alten Nazis übertragen und auch nicht Freunden und Sympathi-santen von Nazis. Dass nun die 68er und alten RAF-Sympathisanten für sich reklamieren, ihre historische Pestbeule in Gestalt der RAF künstlerisch aufzupeppen und der Nachwelt kritisch zu erläutern, ist komisch und pervers zugleich.

Der Schleyerfilm - ein deutsches RAF-Märchen

Mitten in der Diskussion um die RAF-Ausstellung in Berlin und NRW wurde der Hachmeister-Film "Schleyer, eine deutsche Geschichte"[ext], der in der ARD jüngst ausgestrahlt wurde, bereits im Vorwege ein Medienereignis eigener Art. Nach allem Anschein war die synchrone Präsentation der Ausstellung und des Schleyerfilms von langer Hand vorbereitet, derartige Synergien lieben die 68er über alles. Der Macher des Schleyerfilms Lutz Hachmeister[wp] wurde schnell zum Experten gekürt und verkündete in einem Interview schon vorab, dass die kurz zuvor ins Gerede geratene und verschobene RAF-Ausstellung in jedem Fall kommen und ein riesiges Spektakel werden wird.

Doch wer den Film gesehen hat, hat schnell verstanden, dass dies in Wahrheit kein Film über das Leben Schleyers[wp] ist, sondern ein Film über die Ziele und Motive der RAF in Bezug auf die Ermordung Schleyers. Der Film schneidet vieles in Schleyers Leben an, gründelte tief in den viel zitierten Schmissfalten des späteren RAF-Opfers und erzählt entlang des Lebens Schleyers tatsächlich dokumentarisch die Nazizeit, die Adenauer- und Erhard-Ära, die 68er-Lichtphase, den Krieg in Vietnam, den Kapitalismus der siebziger Jahre und die Zeit der RAF.

Schleyer, das Opfer der RAF wird für den Zuschauer Stück für Stück zum Täter oder zumindest zu einem verständlichen Feind der RAF, die ihn mehr oder weniger nach der suggestiven Logik des Films dann doch wohl erschießen mussten?

Zur Stimmungsmache wurde in den Dokumentarfilm mit pompösem Getöse auch schon mal eine Spielfilmszene von Nazifilmer Veit Harlan eingeblendet, von der nicht jeder Zuschauer im bewusst schnell geschnittenen Filmablauf mitbekam, dass hier Kunstmaterial verwendet wurde. Szenen wurden mit dramaturgisch aufdringlicher Musik inhaltlich verknüpft, die miteinander nichts zu tun haben, um unterschwellige Empfindungs­linien suggestiv herzustellen.

Erst ließ Hachmeister eine ältere Frau Schleyer von heute kurz auftreten, die sich etwas umständlich an Cohn-Bendit erinnert. Dann tritt ein junger Cohn-Bendit in einer Talkshow von 1978 auf und behauptet Schleyer sei jeden Tag mit dem Massenmörder Heydrich[wp] in dessen Karosse in Prag damals herumgefahren und was das heißt, könne man sich denken. Hachmeister ließ diese Behauptung Cohn-Bendits in seinem Film gezielt und wider besseres Wissens unkommentiert wirken. Später sagt Hachmeister in einem Interview der Taz, dass die Einlassung von Cohn-Bendit auch durch den in der Talkshow von 1978 neben diesem sitzenden leicht mahnend wirkenden Rudi Dutschke[wp] bereits für sich genommen Bände gesprochen hätte, dass das mit den Heydrich-Karosserie­fahrten doch schwachsinnig gewesen sei. Doch das, was sich Hachmeister nachher denkt, fehlte als Kommentar in seinem Film.

Daniel Cohn-Bendit

In derselben unterschwellig lancierenden Weise bedient Hachmeister das Klischee aller Revolutionäre, dass die Reichen nachts in Edelrestaurants, wie einst Schleyer in Prag und heute die 68er in Berlin, Frankfurt und anderswo, sitzen. Wenn's im Film dann gewollt ist, dass Schleyer ein Nazitümler war, sitzt er ein paar Sequenzen weiter mitten in der primitiven Deutsch­schunkelei in Prag oder später in einer Kölner Bahnhofskneipe.

So einer war, dies suggeriert der Film eben leider eher auf der emotionalen Ebene, nicht nur Mitglied in der SS - ein an sich bedenklicher Tatbestand - sondern damit automatisch ein Nazimörder. Dieser unausgesprochene Vorwurf steht im Zentrum des Films. Hachmeister fand bei Schleyer, der in Prag die rechte Hand des dort von den Nazis eingesetzten deutschen Wirtschafts­verwalters für die besetzten Gebiete war, zwar keine Hinweise auf Straftaten und erklärt in einem nachträglichen Interview zum Film, man habe Schleyer gerade keine Zwangs­arbeiter­rekrutierung und erst recht keine Teilnahme an Exekutionen nachweisen können - was offenbar auch schon der Stasi nicht gelungen war.

Es wäre aber entscheidend gewesen diesen Umstand auch im Film zu benennen, weil er bewusst eine Relation herstellt zwischen Schleyers Tätigkeit für die Nazis in Prag und seinen Terror­mördern. Das was über Schleyer in dem Film zutage gefördert wird, rechtfertigt weder dessen Ermordung, noch rechtfertigt es dessen Mörder, die von Gerüchten abgesehen, zur Tatzeit von Schleyers Vergangenheit gar nichts wussten, überhaupt zu präsentieren. Denn das Entscheidende ist doch: Schleyer wurde eben nicht wegen seiner SS- und Nazi-Vergangenheit ermordet, sondern als Repräsentant des angeblich so verderblichen Kapitalismus. So wird perverserweise durch den Film auch die Be- und Verurteilung von Schleyers Nazivergangenheit im Wahn des Terroristen­hätschelns erstickt.

Mit dieser Relation, die den Film beherrscht, verfehlt er das Thema dem Zuschauer die Person Schleyer nahe zu bringen und muss sich den gravierenden Vorwurf gefallen lassen, den damaligen Arbeitgeber­präsidenten als Vehikel missbraucht zu haben, um den mediengeilen Terrormördern ein Forum für ihre Hassstatements zu geben und die dann doch nicht naiven Ziele der RAF öffentlich-rechtlich lanciert zu haben.

Welche Rolle gibt Hachmeister, der die Desinformation der DDR zur Person Schleyer benennt, eigentlich dem notorischen Wallraff[wp] in seinem Film?

Einem Wallraff, der gerade eben erschrocken erkannt hat, dass er nach Ostberlin zu Polit­gesprächs­partnern fuhr, die ihn trotz seiner heftigen Abwehr aber dennoch unwissend bleibend zum IM machten? Wallraff, das gehetzte Opfer, dass in allen Medien den breitesten Raum zur Selbstdarstellung erhält, greift in dem Film Hachmeisters in einer atemberaubenden Selbstgerechtigkeit Schleyer dafür an, dass dieser in Argentinien als Daimler Benz-Vertreter bei den Juntaführern auf dem Schoß gesessen hätte, während er selber bei den Moskau- und KGB-gesteuerten proletarischen DDR-Diktatoren, wenn auch, wie gesagt, völlig unwissend, desinformiert wurde und Männchen machte. Unter lautestem Protest: nein, ich werde nicht IM, auf keinen Fall.

Über die Person Schleyer hätte man am meisten erfahren, wenn vor allem Schleyer selbst mehr präsentiert worden wäre. Stattdessen nutzte Hachmeister schamlos das Vertrauen des Schleyerclans aus, dass er den ersehnten objektiven Film machen werde. Man merkt, den Einspielungen der Aussagen der Schleyerfamilie an, dass sie umfangreich und ausgiebig und Atmosphäre schaffend interviewt wurden und dass eine Schnittschere angesetzt wurde, die zwar zeitlich eine lange Präsenz der Schleyers zuließ, aber die die Schleyers zu betroffenen und unwichtigen Plappermäulern degradiert.

Propagandistisch in elegant verwobener gedanklicher Verfilzung zwischen dem Anspruch des Filmes Schleyer braun zu zeichnen und den RAF-Terroristen das Opfer zu liefern, welches in Wahrheit Täter sei, fabulieren dagegen drei der Schleyer-Mörder, die als solche aber nicht benannt werden, über ihre angeblichen politischen Motive und die böse Weltgeschichte, die sie geradezu zwangsläufig zu Befreiungs­mördern für dieses Land machte.

Der Filmemacher fragt die von ihm präsentierten Ex-Terroristen, die reine Verlautbarungs­interviews geben, natürlich vollkommen unabgesprochen, nicht danach, wer Schleyer erschossen hat. Warum auch? Hachmeister weiß, dass die Terroristen die Frage mit routinierten Antworten abwimmeln und sich auch noch unter öffentlichem Beifall selber zu feinen Menschen erklären würden, die Kameraden nicht verraten.

Falsa demonstratio nennen die Juristen den Tatbestand, wenn etwas draufsteht, was nicht drin ist und genau um diesen Tatbestand handelt es sich bei dem so genannten Schleyer-Stück... Schleyer ist das Vehikel, die Legitimation und der spielerische Aufhänger dafür ein erneutes RAF-Märchen zu schreiben, in dem alles in Schleyers Leben, von seiner Burschen­schafts­jugend, seiner SS-Zeit in Prag, seiner Arbeit bei Mercedes Benz, und seiner Phase als nächtelang durchredenden und saufenden Arbeitgeber­kumpel am Ende quasi zwangsläufig zu seiner Liquidation durch die Terroristen führen musste. Der Film von Hachmeister ist das, was man einen erneuten Mythosschub nennen darf.

Die gar nicht so unterschwellig gestellte Sinnfrage des Films heißt von Anfang an: Wurde Schleyer moralisch-historisch gleichsam zu Recht Opfer der RAF? Selbst die vielen Einwände von Arbeits­kollegen, Familien­mitgliedern, Freunden und Feinden, die sagen, ja, er war eigentlich wärmer, sympathischer, fähiger, verlässlicher. Er war eigentlich anders, als das öffentliche Bild ihn erscheinen ließ, wirken auf grausame Art entschuldigend und damit im Sinne der Täter der RAF rechtfertigend. Ekel erregend und makaber ist es mit anzusehen, wie ein gewisses Frohlocken in die Debatte um die RAF hineinkommt: Jetzt haben wir es dem Schleyer gegeben, jetzt war unsere gute alte RAF-Begeisterung doch schwer in Ordnung. Und dies in einem Tenor, als wenn selbst einmal unterstellt, was offenbar unzutreffend ist, Schleyer wäre ein Nazimörder gewesen, also ein Täter, dies nicht das Mindeste daran ändern würde, dass die Lyncher von der RAF selber uneinge-schränkt Täter blieben. Die alte "klammheimliche Freude" über die Opfer droht zu einer öffentlich zur Schau gestellten und mit öffentlich-rechtlichen ARD-Mitteln "gerechtfertigten" Freude hochstilisiert zu werden.

Und eine weitere Tatsache unter-drücken die frohlockenden Ausstellungs­befürworter und Schleyerfilm-Enthusiasten, nämlich dass Schleyer nicht dazu taugt, die anderen Dutzenden von Todesopfer der RAF zu konsumieren und als Argument verschwinden zu lassen und erst recht nicht diejenigen unter den Opfern, in deren Personen Nazi­vergangenheits­verdächtigungen selbst aus RAF-Sicht nie Thema waren. Historisch ist richtig, dass das Naziargument bei der RAF zur Tatzeit eine erschütternd geringe Rolle spielte und im Fall Schleyer das Moment "Arbeitgeberpräsident", "Kapitalist" und "Imperialist" fast singulär im Vordergrund stand. Das Ammenmärchen von den besser­deutschen Terroristen wird jedoch von Hachmeister bestens bedient.

Um die Sache ganz deutlich zu benennen: Selbstjustiz ist in der Bundesrepublik Deutschland verboten. Die Todesstrafe ist abgeschafft und das gilt auch für die Idioten von der RAF. Auf die völlig ungeklärte Frage, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang Schleyer zu verurteilen sein könnte, steht fest, dass die Tötung Schleyers Mord war. Weiter steht fest, dass die Tötung Schleyers nicht mit irgendwelchen im Jahr 2003. Jahrzehnte nach der Tat heraus­gemendelten Fakten und Konstrukten gerechtfertig werden kann, da die Täter zur Tatzeit sich mit dem Thema der Vergangenheit von Schleyer von Vermutungen und Gerüchten und offenbar, wie man jetzt hört, von der Desinformation aus der DDR abgesehen, gar nicht beschäftigt hatten. Der Film über Schleyer ist ein Paradebeispiel dafür, wie ein Mythos RAF kräftig weiter geschürt wird.

– bettinaroehl.de[18]

Einzelnachweise

  1. Roland Tichy lernte Lokal­journalismus beim legendären "Salzburger Volksblatt". Er studierte in München Volkswirtschaft und Politik, absolvierte die Deutsche Journalisten­schule. Nach einer Zeit als wissen­schaftlicher Mitarbeiter am Volks­wirtschaft­lichen Institut in München arbeitete er im Bundes­kanzleramt, danach als Bonner Korrespondent der WirtschaftsWoche. Nach der Wieder­vereinigung war er für den Umbau des Rund­funk­systems der DDR zuständig, danach folgten Stationen in Industrie und Medien. Seit 2007 ist er Chefredakteur der WirtschaftsWoche. Tichy ist Autor mehrerer Bücher, zuletzt erschien "Wohin treibt Europa".
  2. Wirtschaftswoche streicht Bettina Röhl-Kolumne, PI-News am 26. Oktober 2014
  3. "Ab sofort erscheint ihre Kolumne Bettina Röhl direkt jeden Dienstag auf der Seite Tichys Einblick. - Bettina Röhl direkt - Das Geld kommt aus der Steckdose, 28. Oktober 2014
  4. Diskriminierung - nein danke!, taz am 21. März 2005
  5. Die Gender Mainstreaming-Strategie. Utopie oder Wirklichkeit?, Cicero am 31. März 2005
  6. Das Gegenteil von Wissenschaft, Wirtschaftswoche am 7. Juli 2013
  7. 7,0 7,1 Der Philo-Pädophilismus der Grünen 2013, Wirtschaftswoche am 23. Juli 2013
  8. 8,0 8,1 Propaganda und Aktionismus: die wahren Künste der Grünen, Wirtschaftswoche am 23. Juli 2013
  9. Kolumne Bettina Röhl direkt: Was ist Liberalismus?, Wirtschaftswoche am 15. Oktober 2013
  10. "Trau keinem 68er!" am 22. Januar 2003; Gute Zitate: Bettina Röhl
  11. Der alles erdrückende Konsens der Bundesrepublik, Wirtschaftswoche am 17. Dezember 2013
  12. YouTube-Kommentar: "Herzlichen Dank an das Podium und das unverblümte Eingeständnis, die Meinung des anderen schlicht nicht respektiert zu haben bzw. bis heute nicht zu respektieren! Schlimme Sache per se. Auch hätte man durchaus bereits im Alter von Anfang 20 oder später leicht feststellen können, dass Mao, Stalin & Co. schlichte Massen­mörder waren und daher nicht als Referenz taugten. Schade um die verlorenen Generationen in Deutschland, die sich dieser Ideologie anschlossen und bis heute unsinnig wirken."
  13. Winfried Sträter: RAF-Ausstellung in Berlin: Von Benno Ohnesorg bis Stammheim, Deutschlandfunk Kultur am 20. November 2014
  14. "Über diese Ausstellung lacht sich die RAF doch tot", taz am 7. Februar 2015
    Anreißer: Die Journalistin und Zeitzeugin Bettina Röhl über die RAF und das Versagen der RAF-Ausstellung: "Belanglos, wenig intellektuell, die echten Geschichten fehlen." Eines gesteht sie der Ausstellung zu: "Sie transportiert den Mythos RAF perfekt".
  15. About, bettinaroehl.blogs.com (abgerufen am 9. März 2024)
  16. Anmerkung: Dieser Text ist zwanzig Jahre alt. 2024 bringt die linksgebügelte Regierung tausende Demonstranten auf die Straße gegen eingebildete "Nazis".
  17. Trau keinem 68er![archiviert am 2. Juni 2009], bettinaroehl.de
    Dieser Artikel erschien in gekürzter Form in der Februarausgabe der Zeitschrift "Eigentümlich frei".
  18. Die bereits im Vorwege missratene RAF-Ausstellung und deren moralische Legitimation[archiviert am 29. April 2009], bettinaroehl.de

Netzverweise