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OLG Köln, Beschluss 4 UF 258/11 vom 21.02.2012

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Das OLG Köln hat mit seinem Beschluss 4 UF 258/11 vom 21.02.2012 gegen das Wechselmodell entschieden und der Mutter den Lebensmittelpunkt zuerkannt. Wesentlich scheint, daß die vom Vater angestrebte Gestaltung des Umgangs nicht dem Willen des Kindes entsprach. Auch vermochte der Vater keine gravierenden Mängel oder Lücken des Gutachtens aufzuzeigen. Leider enthält der Beschluss keine Aussagen zur Ausgestaltung der Umgangsregelung, zum Alter des Kindes oder zum vom Vater vor der Trennung geleisteten Anteils an der Betreuung und Erziehung.

Originaltext des Beschlusses

Anmerkung: Der Beschluss wird nur unvollständig wiedergegeben, da er in einer kostenfreien Datenbank lediglich auszugsweise und ohne Absatznummern veröffentlicht wurde.


"... Die gemäß §§ 58, 59, 61, 63, 64, 111 Nr. 2, 151 Nr. 2 FamFG zulässige - insbesondere form- und fristgerecht eingelegte - Beschwerde des Kindesvaters hat in der Sache keinen Erfolg.

Zu Recht hat das Familiengericht in dem tenorierten Umfang das Umgangsrecht des Kindesvaters gemäß §§ 1684 Abs.&bsp;3, 1697a BGB geregelt, nachdem sich die Kindeseltern über den Umfang des Umgangsrechtes des Kindesvaters nicht hatten einigen können und unter Berücksichtigung der tatsächlichen Gegebenheiten und Möglichkeiten sowie der berechtigten Interessen der Beteiligten die getroffenen Regelungen dem Wohl des Kindes N. am besten entsprechen.

Sowohl für die Regelung zum Umgangsrecht wie auch zum Sorgerecht in dem Verfahren 4 UF 259/11 OLG Köln = 401 F 62/10 ist eine Kindeswohlentscheidung zu treffen. Entsprechend den Grundsätzen des Bundesverfassungsgerichtes (vgl. hierzu u.a. BVerfG FamRZ 2010, 865; BVerfG E 79, 201) ist bei einer Entscheidung über die elterliche Sorge wie auch zum Umgangsrecht sowohl dem Elternrecht aus Artikel 6 Abs. 2 Satz 1 GG als auch der Grundrechtsposition des Kindes aus Artikel 2 Abs. 1 GG i.V.m. Artikel 1 Abs. 1 GG Rechnung zu tragen. Im Rahmen der erforderlichen Abwägung der verfassungs­rechtlich geschützten Rechte ist jedoch im Bereich des Artikels 6 Abs. 2 GG das Wohl des Kindes immer das entscheidende Kriterium. Bei Interessenkonflikten zwischen dem Kind und seinen Eltern muss damit das Kindeswohl allein bestimmend sein. Das Kind ist ein Wesen mit eigener Menschenwürde und eigenem Recht auf Entfaltung seiner Persönlichkeit aus Artikel 1 Abs. 1 GG sowie Artikel 2 Abs. 1 GG (BVerfG E 24, 119). Es bedarf des Schutzes und der Hilfe, um sich zu einer eigen­verantwortlichen Persönlichkeit innerhalb der sozialen Gemeinschaft zu entwickeln. Gerade unter diesem Gesichtspunkt ist grundsätzlich der Wille des Kindes beachtlich, soweit dieser mit seinem Wohl vereinbar ist bzw. überhaupt eindeutig festgestellt werden kann (vgl. BVerfG E 55, 171; Bundesverfassungsgericht, FamRZ 2008, 1737). Daher muss jede gerichtliche Lösung eines Konflikts zwischen den Eltern, der sich auf die Zukunft des Kindes auswirkt, neben dem Kindeswohl auch seine grundrechtlich geschützte Individualität berücksichtigen; denn die umgangs- wie sorgerechtliche Regelung nimmt entscheidenden Einfluss auf das weitere Leben des Kindes und betrifft es ganz unmittelbar in seinen grundrechtlich geschützten Rechten (vgl. BVerfG E 37, 217; 55, 171).

Wegen dieser grundrechtlich geschützten Sphäre des Kindes als selbständiger Grundrechtsträger ist der Maßstab für die Entscheidung zum Aufenthaltsbestimmungsrecht wie auch zum Umgangsrecht stets das Kindeswohl. Gewichtige Gesichtspunkte des Kindeswohls sind die Bindung des Kindes, die Prinzipien der Förderung (Erziehungs­eignung) und der Kontinuität. Die einzelnen Kriterien stehen aber letztlich nicht wie Tatbestands­merkmale kumulativ nebeneinander. Jedes von ihnen kann im Einzelfall mehr oder weniger bedeutsam für die Beurteilung sein, was dem Wohl des Kindes am besten entspricht (vgl. BGH FamRZ 2011, 796-801; 2010, 1060; 1990, 392 f. m.w.N.). Erforderlich ist eine alle Umstände des Einzelfalles abwägende Entscheidung. Hierbei sind alle von den Verfahrens­beteiligten vorgebrachten Gesichtspunkte in tatsächlicher Hinsicht soweit wie möglich aufzuklären und unter Kindeswohl­gesichts­punkten gegeneinander abzuwägen, um eine möglichst zuverlässige Grundlage für eine kindeswohl­orientierte Entscheidung zu erlangen (vgl. Bundesverfassungsgericht FamRZ 2009, 1897; BGH FamRZ 2010, 1060). Diesen Grundsätzen wird die angefochtene Entscheidung gerecht. Das Familiengericht hat zu der streitigen Frage zum Umfang des Umgangsrechtes ein familien­psychologisches Gutachten eingeholt.

Der Senat verweist insoweit auf den Inhalt des familienpsychologischen Gutachtens des Sachverständigen Dipl.-Psychologen H. K. vom 20.07.2011. Der Inhalt dieses Gutachtens wurde zudem ausführlich in der nicht-öffentlichen Sitzung des Familiengerichts vom 20.09.2011 mit den Beteiligten erörtert. Die Beteiligten hatten Gelegenheit hierzu Stellung zu nehmen. Auch der Kindesvater hat sich hierzu geäußert. So wird in dem Sitzungs­protokoll auf Seite 3 ausgeführt:

"Auf Befragen erklärt zunächst der Kindesvater, dass er mit den anfänglichen Feststellungen des Gutachters zunächst durchaus einverstanden ist, insbesondere was auch die Ausführungen des Gutachtens zu der positiven Entwicklung von N. sowohl im Haushalt der Kindesmutter wie in seinem eigenen Haushalt betrifft. Insgesamt merkt er jedoch an, dass das Gutachten aus seiner Sicht methodisch und an vielen Stellen fehlerhaft und wissenschaftlich nicht sauber erarbeitet sei. Hierzu führt er aus: 'Auch das Ergebnis des Gutachtens teile ich dann nicht. Meines Erachtens gibt es einen anderen kompetenten Fachmann, der sich zu dem vorliegenden Problemkreis umfassend und wissenschaftlich fundiert geäußert hat, das ist Prof. Dr. G.' Hierzu überreicht der Kindesvater einen schriftlich gefassten Vortrag des vorgenannten Professors. Abschriften hiervon werden der Gegenseite unmittelbar überreicht.

Auf Grundlage der insbesondere auch von diesem Sachverständigen aufgestellten Feststellungen möchte ich für das vorliegende Verfahren einen eigenen Vorschlag einbringen. Ich habe hierzu ein Umgangsmodell entwickelt….." Konkrete Einwände gegen das Gutachten, die die fachliche Richtigkeit der dort gemachten Ausführungen in Frage stellen könnten, lassen sich aus dieser Stellungnahme nicht entnehmen. Auch der Senat hat keinerlei Indizien dafür, dass das Gutachten nicht sorgfältig erarbeitet worden wäre, insbesondere nicht in methodisch- fachlicher Hinsicht dem Stand der Wissenschaft entspricht. Der Umstand, dass der Kindesvater den von der Sachverständigen beurteilten Tatsachen eine andere Bewertung beimisst, also seine persönliche Sicht der Dinge den fachlich fundierten Feststellungen der Sachverständigen gegenüberstellt, geben dem Senat keine Veranlassung, der Auffassung des Kindesvaters zu folgen. Auch die Einholung eines Obergutachtens ist nicht erforderlich. Ein Obergutachten wird dann erforderlich, wenn die Richtigkeit der gutachterlichen Feststellungen fundiert angegriffen werden und sich dem Gericht die Erstellung eines neuen Gutachtens aufdrängt, weil die Grundvoraussetzungen der Verwertung des eingeholten Gutachtens nicht gegeben sind. Solche Umstände hat aber weder der Kindesvater dargetan noch sind sie dem Senat ersichtlich.

Damit steht aber die angefochtene Entscheidung des Familiengerichts zum Umgangsrecht im Einklang mit den sachverständigerseits getroffenen Feststellungen. Nach eingehender Anhörung der beteiligten Eltern sowie des betroffenen Kindes und Auswertung der bekannten Umstände, ist der Sachverständige in seinem auf den Seiten 106-111 des Gutachtens gemachten Ausführungen zur „Beantwortung der gerichtlichen Fragestellung und darüber hinausgehende Empfehlungen aus psychologischer Sicht" zu dem Ergebnis gekommen, dass die Kindeseltern im Wesentlichen über die gleiche Erziehungskompetenz verfügen. Beide Elternteile lieben ihren Sohn und sind an seiner Förderung interessiert. Der Sachverständige kommt zu dem Ergebnis, dass beide Wohnungen und Wohnumgebungen bei den Kindeseltern für N. zugleich gut geeignet sind.

Der Sachverständige stellt sodann fest, dass N. weiterhin seinen Hauptanteil des Aufenthalts bei seiner Mutter haben sollte. Dies entspräche N. originären Bedürfnissen und folge dem von N. deutlich geäußerten Willen. Auch sein Bedürfnis nach Stabilität und Kontinuität in der aktuellen Lebenssituation nach der Trennung der Eltern sei hierauf gerichtet. N. leide unter den Konflikten der Eltern und bei einem Belassen der jetzigen Situation sei am ehesten eine Gefährdung seiner weiteren Persönlichkeitsentwicklung zu vermeiden. Der Sachverständige hebt im Folgenden hervor, dass der Kindeswille im vorliegenden Fall als deutlich zielorientiert geäußert sei. Er sei stabil und autonom und als ausreichend intensiv zu bewerten. So müsse er aus psychologischer Sicht als bedeutsam und beachtlich angesehen werden.

Neben dieser Einschätzung des Kindeswillens stellt der Sachverständige für den Senat überzeugend aufgrund der vorgenommenen Explorationen fest, dass die Kindesmutter im höheren Maße in der Lage ist, feinfühlig und bindungstolerant auf N. tatsächliche Bedürfnisse einzugehen und diese von eigenen Befindlichkeiten zu trennen und von daher eine höhere Bindungstoleranz besitzt. Insbesondere diese Bindungstoleranz lasse der Kindesvater derzeit vor allem aufgrund seiner erheblichen Verlustängste in Bezug auf N. und wegen seines inzwischen in Teilen generalisierten Misstrauens deutlich vermissen.

Dieser Angst gilt es, so ist der Senat der Auffassung, allerdings dergestalt entgegenzuwirken, dass N. Umgangskontakte mit dem Kindesvater in der Zukunft möglichst stressfrei ausgeführt werden können und N. Gelegenheit erhält, ungezwungen und unbefangen von den Trennungskonflikten seiner Eltern den Umgang mit seinem Vater pflegen zu dürfen. Hier sind beider Elternteile gefordert, den nunmehr eingeräumten Umfang konfliktfrei auszugestalten und die in den beiden Verfahren deutlich hervorgetretenen Eigeninteressen zurückzustellen. Sobald N. erfährt, dass die Kindeseltern sich in der Fürsorge um ihn nicht zerstreiten, sondern sich selbst zurücknehmen und nur N. Wohl im Auge behalten, wird auch dieser die von ihm als sehr belastend empfundene Trennungssituation schadlos überstehen.

Von daher folgt der Senat auch der Auffassung des Sachverständigen, dass bei der vorliegenden Sachlage ein umfassendes Wechselmodell dem Kindeswohl in keiner Weise dienlich ist. Die Frage, ob ein Wechselmodell der seelisch-geistigen Entwicklung eines Kindes am besten entspricht, kann nicht generalisierend beantwortet werden. Vielmehr ist stets auf den Einzelfall abzustellen. Sind sich die Kindeseltern einig und ziehen an einem Strang, braucht der häufige Wechsel zwischen den beiden Elternteilen und der nicht eindeutigen Zuordnung zu einem Haushalt nicht gegen das Kindeswohl zu sprechen. Auch das Alter des jeweiligen Kindes spielt hier eine Rolle. Je jünger das Kind ist, desto verlässlicher muss eine Orientierung sein. Von daher kann, muss aber nicht unbedingt ein Hin- und Herwechseln zu einer gewissen Desorientierung führen. Vorliegend schließt sich der Senat den überzeugenden Feststellungen des Sachverständigen dahin an, dass N. ein verlässlicher Orientierungsrahmen entsprechend seinen Bedürfnissen und seinem Willen gegeben werden muss. Dies hat zur Folge, dass dem Kindesvater zwar ein recht ausgedehntes Umgangsrecht zuzubilligen ist, andererseits aber der Schwerpunkt des täglichen Lebens bei der Mutter liegen soll. Gegen das Wechselmodell spricht gerade die heillose Zerstrittenheit der Eltern, die teilweise offen ausgelebt wird und N. nicht verborgen bleiben kann und ihm nicht den Eindruck einvernehmlicher Sorge und Verantwortung für ihn vermitteln kann.

Andererseits verbleibt dem Kindesvater durch N. recht häufigem Aufenthalt bei ihm genügend Einfluss dahin, maßgeblich dessen Entwicklung sowie Persönlichkeits- und Identitätsbildung mitzubestimmen, da zudem die gemeinsame Sorge mit Ausnahme des Aufenthaltsbestimmungsrecht bei beiden Elternteilen verbleibt. Wichtig für N. Entwicklung ist, dass er seine Eltern dahin erlebt, dass sie sich gemeinsam um seine Zukunft kümmern und sorgen und ihn als eigenständige Persönlichkeit akzeptieren und lieben. Diese Elternerfahrung wird N. aber nur dann machen können, wenn die Kindeseltern sich bereit und in der Lage zeigen, sozial adäquat angemessen miteinander umzugehen.

Zu dem Umfang der Umgangskontakte zwischen N. und seinem Vater verweist der Senat zunächst auf die zusammenfassenden Ausführungen der Sachverständigen K. auf Seite 108 des Gutachtens. Auch wenn die Kindesmutter in der mündlichen Verhandlung sich zu dem ausgedehnten Umfang kritisch geäußert hat, ist dem Sachverständigen im Wesentlichen zu folgen. Auch hier war den Willensbekundungen von N. Rechnung zu tragen, die dahin ausgerichtet waren, mit seinem Vater den bisherigen intensiven Kontakt pflegen zu dürfen. Diese positiven Beziehungen mit ihm müssen aufrechterhalten bleiben. Von daher erschien es sinnvoll, um einerseits den Interessen von N. zu dienen und andererseits weiteren Streitigkeiten zwischen den Kindeseltern möglichst zu verhindern, auch ohne ausdrücklichen Antrag für die Urlaubzeit eine Regelung von Amts wegen zu treffen. Das Gericht ist im Umgangsrechtsverfahren nicht an konkrete Anträge gebunden und hat unter Beachtung des Kindeswohls seine Entscheidung zu treffen. Soweit die Kindeseltern einvernehmlich anderweitige Regelungen treffen wollen, sind sie daran nicht gehindert.

Soweit der Sachverständige in seinem Gutachten sich dazu geäußert hat, dass es wünschenswert wäre, wenn die Kindeseltern auch gemeinsame Unternehmungen mit N. stattfinden lassen, erscheint dieser Gesichtspunkt zur Zeit bei der angespannten Situation zwischen den Kindeseltern kaum durchführbar. Hier müssen die Kindeseltern zunächst darauf bedacht sein, die Konfliktsituation zu deeskalieren. Sollte zwischen ihnen wieder eine alltägliche Kommunikation möglich werden, ist es an den Kindeseltern selbst zu entscheiden, ob sie solche Gemeinsamkeiten ausüben können. Auch hier wird das Verhalten von N. abzuwarten sein, der sich im Laufe der Zeit an die „Normalität" der Trennung wird gewöhnen müssen.

Die Eltern müssen darauf bedacht sein, die Umgangskontakte konfliktfrei durchzuführen. Sollten sich hier Unzuträglichkeiten ergeben, die dem Kindeswohl von N. entgegenstehen, müsste nachträglich nochmals eventuell seitens des Familiengerichtes interveniert werden. Auch dies kann nicht im Interesse einer gedeihlichen und kontinuierlichen seelisch geistigen Entwicklung von N. sein.

Das Beschwerdevorbringen kann die oben gemachten Feststellungen zur Kindeswohlentscheidung des Senates nicht entkräften. Dabei ist zu bemerken, dass sich die Beschwerdebegründung nur am Rande mit der familiengerichtlichen Entscheidung zum Sorge- und Umgangsrecht auseinandersetzt. In erster Linie greift der Beschwerdeführer Umstände wieder auf, die Gegenstand der einstweiligen Verfügungsverfahren waren und über die bereits entschieden worden ist. Hierzu sei deswegen nur in aller Kürze Stellung genommen.

Nicht nachvollzogen werden kann der Vorwurf, dass die Beschlüsse zum Aufenthaltsbestimmungsrecht und zum Umgangsrecht unter dubiosen Bedingungen gefasst worden seien. Wie oben ausführlich begründet, ist Grundlage der Sorgerechts- wie auch der Umgangsrechtsentscheidung das fundierte Gutachten des Sachverständigen K. vom 20.07.2011. Dass der Beschwerdeführer diese Feststellungen nicht in allen Punkten teilt, erscheint aufgrund seiner Interessenlage verständlich. Jedoch vermag dies nicht die Richtigkeit der auf wissenschaftlicher Grundlage getroffenen Feststellungen des Sachverständigen zu entwerten. Diese sind vielmehr überzeugende Grundlage für die vom Familiengericht getroffene Entscheidung, der der Senat in vollem Umfange folgt.

Von daher geht auch der Vorwurf des Beschwerdeführers zur falschen Tatsachenfeststellung (Beweiswürdigung) unter Ziffer a) der Beschwerdebegründung fehl. Grundlage der Entscheidung sind die sachverständigerseits getroffenen Feststellungen in tatsächlicher und fachlicher Hinsicht. Diese haben dem Familiengericht wie auch dem Senat die notwendige Sachkunde verschafft, die festgestellten Tatsachen, so wie sie im Sachverständigengutachten wiedergegeben sind und wie sie vom Antragsteller zur tatsächlichen Seite jedenfalls nicht angegriffen worden sind, fachlich zu würdigen und eine am Kindeswohl ausgerichtete Entscheidung zu treffen.

Soweit der Beschwerdeführer Vorwürfe gegen den Verfahrensbeistand, Frau Rechtsanwältin L., erhebt, vermag der Senat auch insoweit der Auffassung des Beschwerdeführers nicht zu folgen. Es kann schon nicht erkannt werden, dass die Verfahrensbeiständin versucht hat, bewusst zum Nachteil des Kindesvaters falsche Tatsachen in die beiden Verfahren einzuführen. Vielmehr hat die Verfahrensbeiständin in ihrem Bericht vom 08.10.2010 lediglich das referiert, was sie von den Verfahrensbeteiligten erfahren hat. Hieraus hat sie versucht, zu Gunsten von N. ihre Schlüsse zu ziehen. Eine einseitige Parteinahme unter falschem Tatsachenvortrag zugunsten der Kindesmutter kann in keiner Weise erkannt werden. Soweit die Verfahrensbeiständin in ihrem Bericht zum Ausdruck gebracht hat, dass N. beim Kindesvater über kein eigenes Kinderzimmer verfügt, mag dies dadurch begründet sein, dass sie N. Aussagen zu den Räumlichkeiten beim Kindesvater falsch interpretiert hat. Bei den hier vorliegenden Entscheidungen des Familiengerichts spielten diese Angaben im Übrigen keine Rolle. Vielmehr hat der Sachverständige im Einzelnen dargelegt, dass die N. zur Verfügung stehenden Räumlichkeiten beim Kindesvater wie bei der Kindesmutter ähnlich sind.

Im Übrigen verkennt der Beschwerdeführer die Rolle des Verfahrensbeistandes. Er nimmt keine den Eltern und deren Verfahrensbevollmächtigten vergleichbare Stellung ein. Anders als die Eltern, deren Interessen mit denen des Kindes im Sorgerechtsverfahren nicht ohne weiteres im Einklang stehen, ist der Verfahrensbeistand deswegen gesetzlich vorgesehen, um ausschließlich die Interessen des Kindes wahrzunehmen. Zur Berücksichtigung des Willens des Kindes und seiner Interessen sieht das Gesetz die Bestellung vor. Die Einrichtung des Verfahrensbeistandes ist Ausdruck der Subjektstellung des Kindes in seiner Individualität als Grundrechtsträger. Sie soll in Fällen eines Interessenkonflikts zwischen Kind und Eltern insbesondere die einseitige Vertretung der Interessen des Kindes ermöglichen und unterscheidet sich insoweit von dem Aufgabenkreis des Familiengerichts und der weiteren Beteiligten (vgl. BGH FamRZ 2010, 1060). Damit hat der Verfahrenspfleger Partei für das Kind zu ergreifen. Dagegen kommt ihm keine Mediatorenstellung zu. Insbesondere hat er nicht neutral die Interessen der Eltern in dem jeweiligen Kindschaftsverfahren zu begutachten. Unter dem Blickwinkel dieser Aufgabenstellung kann die Parteinahme des Verfahrensbeistandes für N. nicht beanstandet werden.

Im Rahmen der wechselseitigen Interessenwahrnehmung der Eltern mag es dazu gekommen sein, dass die Kindeseltern die tatsächlichen Gegebenheiten unterschiedlich gewertet und dementsprechend auch unterschiedlich vorgetragen haben. Dass vorliegend das Familiengericht durch die Kindesmutter bewusst hinters Licht hätte geführt werden sollen, kann nicht festgestellt werden. Im Übrigen wäre ein solcher unrichtiger Taschenvortrag auch nicht kausal für die hier vorliegende Entscheidung geworden. Soweit der Beschwerdeführer insbesondere anführt, die Kindesmutter habe falsch vorgetragen zu den Betreuungsmodalitäten vor oder kurz nach der Trennung, kann dies in entscheidungserheblicher Form nicht nachvollzogen werden. So hat die Kindesmutter dem eigentlichen Vortrag des Kindesvaters in seinen Antragserwiderungsschriftsätzen nicht in erheblicher Form widersprochen. Der Umfang der beruflichen Tätigkeiten der beteiligten Kindeseltern ist weitgehend außer Streit und hat im Übrigen für die zu treffenden Entscheidungen keine wesentliche Rolle gespielt. Für die Frage der Betreuungsmöglichkeit seitens eines der Elternteile kommt es gerade, insbesondere auch nach der Neuregelung zum Unterhaltsrecht, nicht mehr entscheidend auf den Umfang der Berufstätigkeit der Kindeseltern an. So hat der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass auch von dem betreuenden Elternteil erwartet wird, dass dieser nach Vollendung des 3. Lebensjahres des zu betreuenden Kindes wieder voll erwerbstätig wird. Damit kann die tatsächlich ausgeübte vollschichtige Berufstätigkeit eines Elternteils grundsätzlich keinen entscheidenden Einfluss auf die Sorgerechtsentscheidung haben. Denn auch für den Fall, dass N. beim Vater hätte verbleiben sollen, würde diesen eine Erwerbsobliegenheit zur vollschichtigen Tätigkeit treffen. Von daher kann der Umfang der früheren Betreuungstätigkeit allenfalls eine Rolle spielen für den Grad der Bindung des Kindes an den jeweiligen Elternteil. Diese Frage ist aber gerade durch das fachpsychologische Gutachten abgeklärt worden.

Schließlich bleibt der Vorwurf der Gewalttätigkeit der Kindesmutter gegenüber dem Kindesvater und wohl auch gegenüber N. im Rahmen eines Übergabetermins anlässlich des Umgangs zwischen Vater und N. Hier kann vorliegend nur festgestellt werden, dass, wenn es in der konfliktbeladenen Situation zu solchen Tätlichkeiten gekommen ist, dies gerade Ausdruck dieser Konfliktsituation ist. Keinesfalls kann festgestellt werden und dies ist auch von dem Sachverständigen nicht dargetan worden, dass etwa die Kindesmutter dazu neigen würde, im Rahmen der Kindererziehung Gewalt anzuwenden. Sicher ist dem Antragsgegner darin zuzustimmen, dass die Kinder aus den Konfliktsituationen der Eltern herauszuhalten sind. Dies gelingt leider nicht immer. Gleichwohl kann dies aufgrund des eindeutigen Ergebnisses des Sachverständigengutachtens nicht dazu führen, das Umgangsrecht des Vaters abweichend von der familiengerichtlichen Regelung zu gestalten. ..."

Anmerkungen

Der Feststellung des Sachverständigen, wonach das Kind sich schwerpunktmäßig bei seiner Mutter aufhalten will, hat der Vater nicht widersprochen. Auch hat er keine Bedenken gegen die Bewertung des Kindeswillens als stabil, autonom und ausreichend intensiv vorgebracht. Im vorliegenden Fall hat das Kind anscheinend in der Tat einen starken Wunsch nach Stabilität und Kontinuität und dieses Bedürfnis deutlich geäußert. Insofern fehlt - auch nach der Auffassung etlicher Fachleute, die der paritätischen Doppelresidenz positiv gegenüberstehen - eine wesentliche Voraussetzung für die erfolgversprechende Durchführung. Eine Manipulation des Kindeswillens durch die Mutter wurde vom Vater im Übrigen nicht geltend gemacht.

Des Weiteren hat der Vater offenbar keine differenzierten Einwendungen gegen das Gutachten erhoben. Ob der Inhalt des Gutachtens in der mündlichen Verhandlung wirklich im Beschluss behaupteten erörtert wurde, ist unerheblich. Die pauschale Behauptung, das Gutachten sei aus seiner Sicht methodisch und an vielen Stellen fehlerhaft und wissenschaftlich nicht sauber erarbeitet, ist entschieden zu wenig, um Zweifel an seiner Verwertbarkeit zu wecken. Insbesondere dann, wenn einem Sachverständigen mangelnde Wissenschaftlichkeit oder methodisch-fachliche Mängel angekreidet werden, muß dies in sehr konkreter Form geschehen und nachgewiesen werden (siehe dazu die betreffenden Abschnitte im Beitrag Familienpsychologische Gutachten und den Artikel "Richtlinien für die Erstellung psychologischer Gutachten"). Dies hat der Vater jedoch unterlasssen. Stattdessen hat er dem Gericht mit seiner protokollierten Aussage sogar eine Steilvorlage gegeben.

Sofern der Vater - und darauf deuten seine im Protokoll festgehaltenen Äußerungen hin, die im Gutachten festgestellten Tatsachen nicht angegriffen und damit als zutreffend bestätigt hat, war auch sein Vorwurf hinsichtlich einer falschen Beweiswürdigung wenig aussichtsreich. Eine Mangelhaftigkeit des Gutachtens wäre eher nachweisbar gewesen, wenn bereits die Beweiserhebung (also die Tatsachenfeststellung) des Sachverständigen falsch oder einseitig zu Gunsten der Mutter erfolgt wäre. Dem Gericht ist wohl beizupflichten wenn es sagt, die Richtigkeit der gutachterlichen Feststellungen seien nicht fundiert angegriffen worden.

Der Satz des Beschlusses: „Von daher kann der Umfang der früheren Betreuungstätigkeit allenfalls eine Rolle spielen für den Grad der Bindung des Kindes an den jeweiligen Elternteil.“ lässt zwar erkennen, dass der Vater vor der Trennung an der Betreuung und Förderung einen relativ hohen Anteil hatte. Aber der Kindeswille ist nun mal eindeutig gegen einen hälftigen Umgang gerichtet. Vor diesem Hintergrund spielt es keine Rolle mehr, ob die Einschätzung des Gutachters zutrifft, die Kindesmutter sei in höherem Maße in der Lage, feinfühlig auf die Bedürfnisse des Kindes zu reagieren. Genauso unerheblich ist die der Mutter zuerkannte höhere Bindungstoleranz. Beides hat man schon mal gehört und beides muß keineswegs stimmen. Und angesichts des Kindeswillens nützt es auch nichts, wenn das Gericht beiden Elternteilen eine im Wesentlichen gleiche Erziehungskompetenz und geeignete Wohnverhältnisse attestiert. Das ist lediglich ein Trostpflaster für den Vater.

Man könnte positiv hervorheben, dass der Sachverständige dem Wechselmodell grundsätzlich aufgeschlossen gegenüberzustehen scheint und es laut seiner Aussagen nur bei der vorliegenden Sachlage als dem Kindeswohl in keiner Weise dienlich ablehnt. Es wäre allerdings interessant zu erfahren, ob er schon einmal in einem Fall darauf erkannt hat, in dem ein hälftiger Umgang seiner Meinung nach der seelisch-geistigen Entwicklung eines Kindes am besten entsprach. Wahrscheinlich ist das aber nicht, teilt er doch die fatale Sicht strukturkonservativer Familiengerichte, die Eltern müssten sich für die Praktizierung eines solchen Modells einig sein und an einem Strang ziehen. Solche Fälle landen aber regelmäßig nicht vor dem Familiengericht. Umgekehrt könnte man einen Gutachter, der das Einverständnis der Mutter als zwingende Voraussetzung ansieht, mit einigem Recht als befangen bezeichnen.

Auch die Aussage von den häufigen Wechseln zwischen den beiden Elternteilen bzw. dem Hin- und Herwechseln, dass zu einer gewissen Desorientierung führen könne, lassen die üblichen generelle Vorbehalte erkennen, zumal je nach Ausgestaltung eines hälftigen Umgangs die Zahl der Wechsel keineswegs größer sein muß als beim Residenzmodell.

Die Auffassung des Sachverständigen, je jünger das Kind sei, desto verlässlicher müsse eine Orientierung sein, wird übrigens von diversen Studien nicht bestätigt bzw. erfährt sogar Widerspruch (siehe insbesondere den Beitrag Kindlicher Zeitbegriff, außerdem den betreffenden Abschnitt im Beitrag Wechselmodell).

Wichtige Hinweise zum Familienrecht
  1. "Nur das Familienwohl verwirklicht das Kindeswohl."
  2. "Familie und staatliches Gesetz passen schlecht zueinander. Das verbindende Prinzip der Familie ist die Liebe, das des Staates die Gesetzlichkeit. Dem Staat ist es nie gelungen, ein Familienrecht zu schaffen, das der Familie gerecht wird."
  3. "Um häusliche Verhältnisse, also die Familienverhältnisse, konnte vor einem Gericht nicht gestritten werden. Haus und Familie waren somit ursprünglich autonom und gerade dadurch Grundlage des Gemeinwesens."
  4. "Die Verrechtlichung ist Verstaatlichung der Familienverhältnisse und Auflösung der Familie in einzelne Rechts­verhältnisse. Das hat der Familie und dem Staat mehr geschadet als genützt."
  5. "Es kennzeichnet den totalen Staat, dass er die Menschen auch in den Familien reglementiert und das Familienprinzip zurückdrängt."
  6. "Die Ordnungsmacht beansprucht heutzutage auch in der Familie allein der Staat. Damit hat der Staat das wohl wichtigste Element der Gewaltenteilung beseitigt und sich vollends zum totalen Staat entwickelt." [1]


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Einzelnachweise