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Council on Foreign Relations

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Der Council on Foreign Relations (CFR; deutsch: "Rat für auswärtige Beziehungen") ist das höchste Organ des Tiefen Staates der USA, welches innerhalb der nationalen und internationalen Öffentlichkeit als private Denkfabrik mit Fokus auf außenpolitische Themen auftritt und aufgrund seiner netzwerk­artigen Struktur alle gesellschaftlichen Systemebenen planmäßig beeinflussen und regulieren kann. Die Einrichtung verfügt über jeweils einen Sitz in New York City und Washington[wp] und wurde 1921 in New York von Edward M. House[wp] in Zusammenarbeit mit den deutsch­stämmigen Bankiers Paul M. Warburg[wp] und Otto Hermann Kahn[wp], dem damals einfluss­reichsten Journalisten der USA, Walter Lippmann[wp], sowie New Yorker Unternehmern, Bankiers und hochrangigen Politikern gegründet.

Der CFR konzeptioniert faktisch seit seiner Entstehung die außen­politischen Strategien der USA und kooperiert eng mit seinem britischen Pendant Chatham House[wp] und der Stiftung Carnegie Endowment for International Peace[wp] des Oligarchen-Clans Carnegie. Der CFR ist Herausgeber der zweimonatlich erscheinenden Foreign Affairs[wp], einer Fachzeitschrift für internationale Beziehungen[wp]. Hauptsitz des Council on Foreign Relations ist seit dem 16. April 1945 das ehemalige Wohnhaus des Standard-Oil[wp]-Direktors Harold Irving Pratt an der 58 East 68th Street/Park Avenue an der Upper East Side im New Yorker Stadtteil Manhattan.

Hintergrund

Das Gehirn des US-Kapitalismus - Der Council on Foreign Relations

Herzlich willkommen zu einer neuen Folge von HiStory!

Mein Name ist Hermann Ploppa, und heute befassen wir uns mit den ersten Jahrzehnten der wohl wichtigsten Denkfabrik der Vereinigten Staaten von Amerika. Es geht um den Council on Foreign Relations, also dem Rat für Auswärtige Beziehungen. Klingt akademisch und harmlos zugleich. Doch der Council on Foreign Relations ist vielmehr als nur eine außer­universitäre Bildungs­einrichtung. Wir werden bald verstehen warum.

Die USA ist von der Konzeption her eine offene Gesellschaft. Das heißt: Jeder Tellerwäscher kann zum Millionär aufsteigen. Keine Reglementierung hindert ihn daran. Damit dieser Fall aber tunlichst nicht eintritt, haben die Leute, die schon oben sind, allerlei trickreiche Vorrichtungen ersonnen, um unter sich zu bleiben und sich nicht von Emporkömmlingen an die Seite drücken zu lassen. Nach dem amerikanischen Bürgerkrieg Mitte des Neunzehnten Jahrhunderts hatte sich eine Elite durchgesetzt, die an der nördlichen Ostküste der USA mit Schwerpunkt in New York und Boston zuhause ist. Diese Elite ist weiß, protestantisch und sieht die Kultur Englands als ihre geistige Heimat an. Sie hat ihre eigenen Schulen und Universitäten gegründet, wo nur der eigene Nachwuchs gefördert wird. Exklusive studentische Verbindungen garantieren, dass die Absolventen der Elite­ausbildung von ehemaligen Absolventen gleich in die richtigen Karriere­gleise geschubst werden.

Jene Seilschaften treffen für die Gesellschaft wichtige Entscheidungen. Am liebsten in Herrenklubs, am Rande von Jagd oder Golfspiel. Was nun dieser informellen Seilschaft ihre besondere Macht verleiht, ist der so genannte "Drehtüreffekt". Das heißt: ein Elitemensch wechselt ohne größere Probleme aus einer Leitungs­funktion in der Industrie in eine solche beim Militär, der Politik, den Medien, dem Geheimdienst, der Wissenschaft, oder sogar der Kirche. Mithilfe dieser Rotation ist es möglich, mit extrem wenig Elite-Personal schnell und geräuschlos eine bestimmte Richtungs­entscheidung für die gesamte Gesellschaft durchzusetzen.

Diese Drehtür setzt natürlich eine unbekümmerte Verwischung der Grenzen zwischen Privat­wirtschaft und Regierung voraus. Das, was sich in Deutschland gerade als "Öffentlich-private Partnerschaft"[wp] durchsetzt, ist in den USA spätestens nach der Etablierung von Trusts und Kartellen, also etwa seit dem Jahre 1900, eine Selbstverständlichkeit. De facto herrschte jene kleine Ostküsten­elite. Ihr Selbstverständnis kann man als "paternalistisch" bezeichnen: Das Volk ist dumm und weiß nicht, was ihm gut tut. Eine auserlesene Elite muss für den Pöbel das Denken übernehmen. Schon vor dem Ersten Weltkrieg wurde von oben nach unten die ganze Gesellschaft geordnet nach den Vorstellungen jener "chosen few", der wenigen Erwählten, aus den großen Banken und Industrie­kartellen.

Der wichtigste Denker des Council on Foreign Relations, Walter Lippmann[wp], hat das Credo der Bevormundung in dankenswerter Offenheit dargelegt. Das Volk sei desinteressiert und zu ungebildet, um die Feinheiten der Außenpolitik zu verstehen. Die Parlamentarier wiederum seien nur daran interessiert, ihre Wählerklientel zu befriedigen. Deswegen müsse eine kleine Elite die Datenfülle verarbeiten, verdauen, und das Verdaute dann dem gemeinen Volk und den Volksvertretern so vereinfacht zur Entscheidung vorlegen, dass diese nur noch mit "ja" oder "nein" zu antworten hätten:

Zitat: «(...) das allgemeine Interesse (...) kann nur durch eine spezialisierte Klasse verwaltet werden, deren persönliche Interessen über lokale Themen hinausreichen. Diese Klasse ist befreit von Verantwortung, denn sie agiert aufgrund von Informationen, die nicht Eigentum der Gemeinschaft sind; in Situationen, die das breite Publikum gar nicht begreift (...) die Männer, die aktuell gerade die Macht ausüben, versagen nicht etwa dabei, den Willen des Volkes widerzuspiegeln, denn in den meisten Sachfragen existiert ein solcher Wille gar nicht, sondern sie üben Macht aus aufgrund von Auffassungen, die vor der Wählerschaft verborgen sind.»[anm 1]

In diesem Umfeld entfaltet der Council on Foreign Relations als private Organisation der Finanzkreise und Kartelle eine Macht, die nachhaltiger und raffinierter ist als jede Geheimloge es je hätte sein können. Die zeitweise mächtiger wird als je eine Regierung sein konnte. Die organisatorische Arbeit des Council wird von wenigen Leuten betrieben. Der CFR ersinnt Forschungs­themen und Paradigmen. Diese werden zusammen mit assoziierten Stiftungen wie Brookings[wp], Carnegie[wp], RAND oder dem renommierten Massachusetts Intitute of Technology ausgearbeitet und Politikern sowie der interessierten Öffentlichkeit vorgelegt.

Der Council on Foreign Relations ist ein halboffenes System, das in seinem Kreis Pluralität der Meinungen zulässt - allerdings immer auf dem Fundament des paternalistischen Paradigmas. Der Council unterzieht seine eigene Politik und Governance einer ständigen Diskussion und kritischen Überprüfung. Prophylaktisch forschen die CFR-Leute nach künftigen Erstarrungs­potentialen der eigenen Strategie. Sie sind in der Lage, rasch pragmatische Kurs­korrekturen vorzunehmen, ohne dass es zu größeren Reibungs­verlusten in der CFR-Hierarchie kommt. Das macht den Council wesentlich manövrier­fähiger als eine demokratische Regierung. Den starren Vorgaben einer Diktatur ist der Council on Foreign Relations haushoch überlegen.

Die Regierung der USA verstand es im Ersten Weltkrieg, Wissenschaftler, Journalisten und Künstler in das Kriegsgeschehen fest einzubinden. Wie zuvor schon die Privatwirtschaft, so wurde nun auch das Management des Krieges methodisch-wissenschaftlich organisiert und systematisiert. Hier regiert nicht mehr länger ein US-Präsident durch Eingebungen und Launen. Die neuen Technokraten der Macht wollen ihre Arbeit auch nach dem Krieg weiterführen. Aus diesem Gedanken heraus entsteht 1921 der private Council on Foreign Relations.

Der CFR bekommt ein eigenes Büro in New York. Bald erscheint die Zweimonats­zeitschrift Foreign Affairs, durch welche die nicht aktiven Mitglieder sowie interessierte Außenstehende an den Verein angebunden werden. Aktiv sind in diesem Verein vornehmlich Wissenschaftler, Medienleute und Juristen. Die Geld spendierenden Bankiers und Industriellen hören sich gerne die Vorträge an. So richtig aktiv werden sie immer erst, wenn bei einem Thema ihre persönlichen Geschäfts­bereiche berührt werden. Zu den aktiven Geschäftsleuten gehört Thomas Lamont[wp] aus dem Vorstand des damals weltgrößten Bankhauses Morgan[wp]. Oder sein Kollege Otto Kahn[wp] vom Bankhaus Kuhn, Loeb & Co.[wp]. In dem selben Bankhaus arbeitet auch Paul Warburg[wp], der die Zentralbank der USA mit gegründet hatte. Schließlich bringt sich die Rockefeller-Sippe[wp] immer stärker ein.

Die CFR-Leute bekennen sich zum Internationalismus[wp] und wollen die National­staaten schrittweise abschaffen. Bereits 1908 schwebt dem CFR-Vordenker Archibald Coolidge[wp] eine Weltordnung vor, die ohne Grenzen und Zölle den ganzen Globus zu einem einzigen Marktplatz umwandelt.[anm 2] Diese Auffassung von Internationalismus stellt jedoch nur eine Chiffre für eine hierarchische Weltordnung dar: USA und Großbritannien sollen gemeinsam die Weltmeere kontrollieren. Japan wird als Juniorpartner aufgebaut. Das wichtigste Ziel ist allerdings zunächst, Deutschland vor dem Kollaps der Reparations­zahlungen zu retten. Die CFR-Strategen liefern das theoretische Fundament für die wirtschaftliche Übernahme Deutschlands durch die Wall Street-Banken, die im Dawes-[wp] und später im Young-Plan[wp] festgeschrieben wurde.

Ein weiteres Zentralthema des Council ist die möglichst rasche Wieder­eingliederung der Sowjetunion in die Weltwirtschaft. Soll heißen: US-amerikanische Firmen möchten ihre verlorenen Anteile in der Sowjetunion zurück haben. Die Regierung der USA soll sofort mit der Sowjetunion diplomatische Beziehungen aufnehmen. Denn der Bericht der Soviet Study Group urteilt am 23. März 1923, Lenins Neue Ökonomische Politik bedeute eine "Rückkehr zu Gesundheit und zu soliden Geschäfts­praktiken". Die diplomatische Anerkennung lässt noch bis 1933 auf sich warten. Aber die Rockefellers schließen einen lukrativen Vertrag mit dem sowjetischen Erdölkonzern Azneft[wp] ab. Und CFR-Unternehmer Averell Harriman[wp] errichtet Mangan­erz­berg­werke im Südkaukasus.[anm 3]

Die Council-Männer sind gewiss weder Nazis noch Faschisten. Wie mehrere Untersuchungs­ausschüsse im Kongress der USA nachweisen, finanzieren und bestücken die Geschäftsleute jedoch alle potentiellen Kontrahenten eines kommenden Krieges gleichermaßen mit Know How, Kapital und Investitions­gütern, also auch die Nazis und Faschisten aller Couleur.[anm 4] Dann bedrängen sie die Regierung der USA, gegen die aufgeblähte Bedrohung vorzugehen. Franklin Delano Roosevelt[wp] hatte es verstanden, eine eigene Denkfabrik aufzubauen und sich die Berater des CFR vom Hals zu halten.

Jedoch wird die braune Bedrohung derart heftig, dass im Herbst 1939 das US-Außenministerium für die Berater des CFR geöffnet wird. Führungsstäbe des Ministeriums treffen sich unter konspirativen Umständen mit den Herren Armstrong und Mallory vom Council on Foreign Relations. Nicht einmal die einfachen Mitglieder des Council erfahren etwas von der feindlichen Übernahme des Ministeriums durch Privatleute.

Kaum sind die USA 1941 in den Zweiten Weltkrieg aktiv eingetreten, da entbrennt bereits die Debatte über die neue Weltordnung, die nach dem Ende der Kampfhandlungen - quasi am Reißbrett - entstehen soll. Allen Beteiligten innerhalb und außerhalb des CFR ist klar, dass es dann nur noch zwei Großmächte geben wird, nämlich die USA und die Sowjetunion. Damit aber nicht nach dem Zweiten Weltkrieg Gewinner und Verlierer gleichermaßen in den Strudel einer Rezession geraten - wie nach dem Ersten Weltkrieg -, sollen diesmal welt­umspannende Organisationen für Krisenprävention, Wirtschafts­belebung und Währungs­stabilität errichtet werden. Die CFR- Planer sehen vor, dass private Unternehmen, insbesondere Banken und deren Denkfabriken, diese neue Weltordnung aufbauen.

Dem stellt sich US-Präsident Franklin Roosevelt energisch entgegen. Roosevelts Politik des New Deal unternahm beträchtliche Anstrengungen, staatliche, kommunale, genossenschaftliche und gewerkschaftliche Strukturen nachhaltig zu stärken. Roosevelts Finanzminister Henry Morgenthau[wp] sowie dessen Staatssekretär Harry Dexter White[wp] entwerfen nun eine weltumspannende Nachkriegs­ordnung, die von demokratisch legitimierten staatlichen Organen kontrolliert werden soll.

Nach Whites Plänen vereinbaren 1944 in Bretton Woods[wp] Delegierte aus 44 Staaten eine Weltordnung, gestützt auf vier Säulen. Mit Vereinte Nationen, Weltbank, Internationalem Währungsfonds sowie einer Welt­handels­organisation sollten, so Morgenthau "Instrumente souveräner Regierungen und nicht privater finanzieller Interessen" entstehen. Ganz selbstverständlich sollte zu diesem System auch die Sowjetunion gehören, die in den IWF-Topf mit 1,2 Milliarden Dollar den drittgrößten Beitrag einzahlen wollte.[anm 5]

Doch nach dem Tod von Roosevelt wurden seine Mitstreiter allesamt aus dem inneren Zirkel der Macht in Washington verbannt. Die Konzeption des CFR, dass die Neue Weltordnung vornehmlich von Privatbanken gemanagt werden sollte, hatte nun freie Fahrt. Doch war man sich im Jahre 1945 im Council nicht klar darüber, wie mit der Sowjetunion[wp] zu verfahren sei. Zu verlockend ist für die Geschäftsmänner die Aussicht auf den gigantischen Markt in der Sowjetunion. Raymond Buell[wp] formuliert die "Thermidor-Theorie": Im Grunde sei doch die SU auf dem Weg zur Marktwirtschaft und müsse sich nur noch von ein paar radikalen Überresten befreien, wie dereinst die französischen Revolutionäre Robespierre[wp] auf der Guillotine entsorgt haben.

Die Sowjetunion ist solchen Avancen gar nicht abgeneigt. Stalin[wp] bittet die Wall-Street-Banken um einen Kredit in Höhe von 6 Milliarden Dollar zum Wiederaufbau der Sowjetunion. Von den mit diesem Kredit verbundenen Aufträgen hätten allerdings vornehmlich mittelständische US-Unternehmen im Zivilbereich profitiert. Im US-Außen­ministerium und im CFR, die ja eine große gemeinsame Teilmenge bilden, setzen sich jene Kräfte durch, die in einer erneuten Aufrüstungsrunde gegen einen aufgebauten Feind größere Ertrags­möglichkeiten für die im Krieg aufgeblähten Kartelle sehen. CFR-Bankier Frank Altschul gibt zudem zu bedenken, die Sowjetunion sei gefährlich nahe an den Erdölquellen im Mittleren Osten.

Da die Mehrheit der Bevölkerung der USA 1945 die Sowjetunion positiv einschätzt, malt der CFR von nun an ein immer dunkleres Bild des Kriegs­verbündeten. In Foreign Affairs erscheint 1946 der Artikel eines "Mister X". Hinter diesem nicht eben originellen Pseudonym verbirgt sich der Russland­experte und Mitarbeiter der amerikanischen Botschaft in Moskau, George Kennan[wp]. CFR-Mitglied Kennan enthüllt seinen Landsleuten, "die Russen" hätten keineswegs von ihren Welt­revolutions­plänen Abstand genommen. "Die Russen" seien von Natur aus misstrauisch und würden langfristig nur auf den Zusammenbruch des Kapitalismus lauern. Da "die Russen" mit ihrer starren Diktatur wenig wandlungsfähig seien, sei der Westen gut beraten, "Russland" ganz einfach zu isolieren und einzudämmen (Containment[wp]). Unter dieser Isolierschicht werde der Kommunismus von selber implodieren.

Weiter jedoch will Kennan nicht gehen. Man versetzt ihn nach Südamerika. Ein Bericht des US-Geheimdienstes OSS, der besagt, die Sowjets seien viel zu erschöpft, um einen neuen Krieg zu wagen, wird diskret entsorgt. Präsident Truman[wp] hat keine politische Hausmacht. Also bestimmen Außenminister Dean Acheson[wp] und seine CFR-Freunde die Richtlinien der Politik. Begründet durch die vermeintliche sowjetische Bedrohung bauen die CFR-Leute - ganz dem undemokratischen Credo Walter Lippmanns verbunden - das politische System der USA zu einem Präsidialregime um. Der neue Nationale Sicherheitsrat ist nur dem Präsidenten rechenschafts­pflichtig. Ab jetzt kann der Präsident - unter einem Notstands­erlass von 1950 - ganz alleine einen atomaren Erstschlag veranlassen.[anm 6]

Der Kongress in Washington nimmt seine Entmachtung ohne Murren hin. Mithilfe dieser Aushebelung der Gewaltenteilung kann die nächste Eskalations­stufe gezündet werden. So schreibt CFR-Mann Paul Nitze[wp] aus dem Policy Planning Staff im Außenministerium 1950 ein Memorandum, das NSC-68[wp]. Dieses Papier des Nationalen Sicherheitsrates[wp] gibt zwar zu, dass die UdSSR sowohl in puncto Militär­potential als auch an Wirtschaftskraft dem Westen weit unterlegen ist. Aber - die Sowjets könnten ja in den nächsten vier Jahren im Bereich Nuklearwaffen mit den USA gleichziehen. Aufgrund dieser holprigen Beweislage steigt im September 1950, unter dem Eindruck des Korea-Krieges[wp], aus dem Stand der Militärhaushalt um dreihundert­fünfzig Prozent an.

Das ist der Grundstein des Militär-Industriellen Komplexes[wp] und der "massive retaliation" - der "massiven Vergeltung"[wp] des CFR-Außenministers John Foster Dulles[wp].

Quellen und Anmerkungen

  1. Walter Lippmann: Public Opinion. New York 1921
  2. Archibald Cary Coolidge: The United States as a World Power, New York 1908, S. 172ff.
  3. U.a. Report of the Special Committee on Investigation of the Munitions Industry, 24.2.1936; sowie Committee on Military Affairs: "Economic and Political Aspects of International Cartels", 1944 unter Senator Harley M. Kilgore
  4. David Rees: Harry Dexter White - A Study in Paradox, New York 1973, S. 13
  5. Bernd Greiner: Die Morgenthau-Legende. Hamburg 1995. S. 158
  6. Morton Mintz/Jerry S. Cohen: Power Inc., New York 1976, S. xi: "How many Americans are aware that a President on his own initiative can order a nuclear attack - but that not even the Soviet Union or China grants such ultimative discretionary authority to any one man?"
Apolut[1]
Die Fortsetzung der Erzählung über das zentrale Gehirn und Nervenzentrum der US-amerikanischen Finanzkapitalismus, den Council on Foreign Relations. Wir hatten in einer früheren Folge von HiStory diese Denkzentrale in New York seit den Anfängen im Jahre 1921 bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges beschrieben.

Der Council on Foreign Relations, also der Rat für Auswärtige Beziehungen, wurde von mächtigen Bankiers, Konzernherren, Politikern, Wissenschaftlern und Medienleuten gegründet, um die Außenpolitik der USA professioneller und effektiver zu gestalten. Der Council on Foreign Relations hatte einerseits darauf geachtet, dass sein Personenkreis klein und handverlesen blieb. Andererseits hatten die Council-Leute auch immer der Öffentlichkeit und der Regierung ihre Vorstellungen von guter Politik durch eigene Veröffentlichungen mitgeteilt. Mit der Zeit klappte die Verzahnung dieser exklusiven Denkfabrik mit Regierung und Parlament immer besser. Im Zweiten Weltkrieg hat dann der Council on Foreign Relations die Weltordnung nach dem Krieg formuliert und die Nachkriegs­ordnung entscheidend geprägt. Nachdem im Council nicht klar war, ob man die Sowjetunion in die kapitalistische Weltordnung mit einbeziehen sollte, setzte sich dann doch die Meinung durch, dass man gegenüber dem einstigen Kriegs­verbündeten Sowjetunion eine konfrontative Haltung einnehmen sollte. Mittlerweile war die Macht des Council on Foreign Relations so groß geworden, dass ein Nationaler Sicherheitsrat eingerichtet wurde, der an Regierung und Parlament vorbei die eigentliche Regierung darstellte.

Der Council on Foreign Relations drang nämlich nach dem Zweiten Weltkrieg tief in den Regierungs­apparat der USA ein. Die Vision des Council on Foreign Relations-Vordenkers Walter Lippmann[wp] war Wirklichkeit geworden: Eine diskret agierende neue Kaste von Politik­beratern ignorierte weitgehend die Regeln der demokratischen Gewaltenteilung. Der Nationale Sicherheitsrat traf die Schlüssel­entscheidungen, fernab jeder parlamentarischen Kontrolle.

Mit dem 1952 neu ins Amt gewählten US-Präsidenten Dwight David Eisenhower[wp] regierte es sich noch wesentlich einfacher als unter seinem Amtsvorgänger Harry Truman oder gar unter dessen Vorgänger Franklin Delano Roosevelt[wp]. Denn Eisenhower war ebenfalls Mitglied im Council on Foreign Relations. Ihm zur Seite stand John Foster Dulles[wp], seines Zeichens Council on Foreign Relations-Mitglied und nebenbei neuer Außenminister. Auf dem Fundament des Geheimkabinetts und der gigantischen Vervierfachung des Rüstungsetats im Jahre 1950 verschärfte Außenminister Dulles die Gangart gegenüber der Sowjetunion. An die Stelle des Containments, also der Einhegung der Sowjetunion in ihren eigenen Machtbereich, trat nun die Doktrin der "massiven Vergeltung"[wp].

Bezeichnenderweise wählte John Foster Dulles ein Dinner des Council on Foreign Relations am 12. Januar 1954 in New York, um der durch Rundfunk und Fernsehen anwesenden Öffentlichkeit zu verkünden: "Regionale Verteidigung muss verstärkt werden durch die ergänzende Abschreckung der massiven Vergeltungskraft." "Massiv" meint: nukleare Attacke. Wenn also die Rote Armee Westberlin einnehmen sollte, würde das durch einen atomaren Gegenschlag auf Moskau von den USA quittiert. Eine solche Zuspitzung spannte die gesamte Welt an den beiden Polen USA und Sowjetunion auf.

Doch zu den Kennzeichen des Council gehört die unermüdliche Überprüfung der eigenen Produkte. Auch das Produkt "massive retaliation" des unendlich mächtigen Wall Street-Anwaltes Dulles wird von der Arbeitsgruppe Nuclear Weapons and Foreign Policy unter der Leitung des aufstrebenden Henry Kissinger[wp] unter die Lupe genommen - und dann publikumswirksam verworfen. Denn Kissinger stellt die Befunde in einem Buch vor, das 1957 in die Bestsellerlisten vorrückt.[anm 1]

Kissingers Schlussfolgerung: Wenn die USA bei jedem kleinen Regionalkonflikt zwischen den Supermächten gleich mit der Apokalypse drohen, dann aber doch vor der letzten Konsequenz zurückschrecken, verliert die amerikanische Supermacht rasch an Glaubwürdigkeit. Das hatte sich kurz zuvor im Jahre 1956 gezeigt. In Ungarn gab es einen Volksaufstand, den sowjetische Panzer blutig niederschlugen. Die Amerikaner hatten vollmundig über Radio ihre Hilfe für die Aufständischen angekündigt. Es passierte aber rein gar nichts. Das war nicht gut für das Image der damaligen Supermacht USA. Das Konzept des "Alles oder Nichts" wurde der Lächerlichkeit preis gegeben. Kissinger erarbeitete mit seiner Studiengruppe das Konzept der "Flexible Response"[wp], also zu Deutsch: der flexiblen Antwort. Wenn jetzt die Sowjetunion den USA in die Quere kommen sollte, würde man erst mal Diplomaten vorschicken um zu fragen, was das soll. Falls das nicht fruchtete, würde man auch mal mit konventionellen Waffen winken. Wenn aber auch das nichts brachte, könnte man als letzte Antwort auch Atomwaffen einsetzen.

Doch ein weiteres Motiv dürfte beim Council on Foreign Relations ausschlag­gebend für die flexible Wende gewesen sein. Council on Foreign Relations-Geschäftsleute wie Harriman oder Rockefeller hatten die Erfahrung gemacht, dass sich mit kommunistischen Staaten wunderbare Geschäfte abschließen ließen. War es nicht viel besser, hinter den ideologischen Äußerungen der kommunistischen Staaten jeweils nationalistische Interessen erkennen zu können?

Kissinger kam mit seiner Philosophie des "außen­politischen Realismus" wie gerufen. Und so interpretierte Kissinger die Weltlage um 1960 als ein Gleichgewicht der beiden Großmächte USA und Sowjetunion, zu denen sich jetzt die Volksrepublik China gesellte. Wenn die USA sich mit China anfreundet, wird die Sowjetunion gezwungen sein, einer amerikanisch-chinesischen Übermacht in vielen Punkten nachzugeben. Die Aussicht auf einen erweiterten kapitalistischen Weltmarkt sowohl mit der Sowjetunion als auch mit China gelangt erneut in den Mittelpunkt der Council-Planspiele.

Nun hätten sich die Strategen des Council on Foreign Relations auf ihren Lorbeeren ausruhen können: ausländische Staatsgäste besuchten, vor dem Stelldichein beim Präsidenten, zuerst die Council-Zentrale in New York, um "von Angesicht zu Angesicht mit den einflussreichsten Männern des Landes geredet" zu haben.[anm 2] Staatsmänner wie Chruschtschow[wp] oder Kwame Nkrumah[wp] publizierten in der Hauszeitung des Council, den Foreign Affairs. Und wer im Bereich Außen- oder Sicherheitspolitik in Washington was werden wollte, musste seine Karriere beim Council, "dieser Schule für Staatsmänner", beginnen. Der Council on Foreign Relations stellte das Scharnier dar, durch das die Interessen der New Yorker Finanzwelt immer im Weißen Haus durchgesetzt wurden, egal ob Demokraten oder Republikaner regierten. Dazu wusste ein Insider zu berichten "So wird inoffiziell die Kontinuität gewahrt, wenn in Washington die Wache wechselt."[anm 3]

Doch mit der Zeit machte sich sogar beim Council on Foreign Relations eine krisenhafte Verunsicherung breit. Der Aufstieg der Bürgerrechtsbewegung[wp] irritierte genauso wie die nicht zu übersehende Stagnation der US-Militärmacht in Vietnam und der damit einher gehende Volkszorn in den USA selber. Also raffte sich Anfang der 1970er Jahre der Council zu einer "drastischen General­überholung" der Weltordnung von Bretton Woods[wp] auf. Die seit der Konferenz von Bretton Woods im Jahre 1944 für alle Länder der Welt gültige Deckung des Dollars durch Gold wurde 1973 offiziell aufgekündigt. Wie sollte es in der veränderten weltpolitischen Lage weitergehen? Die klugen Köpfe wurden zusammen gerufen, um im "Projekt 1980" Wege aus der Sackgasse zu weisen. Das "Projekt 1980" sollte in zahlreichen Arbeitsgruppen eine schonungslose Bestands­aufnahme anfertigen sowie als Zukunfts­werkstatt die Welt von morgen entwerfen.

Als erstes wirft der Council on Foreign Relations mit seinem neuen "Projekt 1980" Kissingers Theorie vom Gleichgewicht der Mächte über Bord. In einer Zeit, in der multinationale Konzerne bereits die Umsatzgröße mittlerer National­staaten erreicht hatten und durch die Beschleunigung der internationalen Geldflüsse Konzerne manövrier­fähiger waren als Staaten, da konnten nationale Regierungen nicht mehr das erstrangige Subjekt des Handelns darstellen. Internationale Akteure arbeiten quer durch die nationalen Grenzen. Die Rede ist jetzt von der "Interdependenz". Das meint die gegenseitige Abhängigkeit unterschiedlichster Akteure über Grenzen hinweg. Eine solche Welt kann nur noch durch internationale Apparate wirkungsvoll gehandhabt werden.

Die erste Konsequenz aus der Interdependenz­theorie ist, dass der Council sich als Trilaterale Kommission[wp] ausweitet. Trilateral steht für die drei Seiten, die man nun fest zusammen­schweißen will: USA, Europa und Japan. Council on Foreign Relations und Trilateral Commission dehnen ihren Aufgabenbereich angesichts des Bedeutungs­verlustes der Nationalstaaten auf die Bereiche Innenpolitik und nationale Wirtschafts­ordnung aus.

In der stimulierten, synchronisierten Weltarena treten viele neue Akteure in Erscheinung. Sie alle fordern Teilhabe an der Macht. Miriam Camps entwickelt im Auftrag des Council on Foreign Relations Vorschläge, wie das befürchtete Chaos durch zu viele Mitspieler auf der Weltbühne vermieden werden kann. Dass beispielsweise Tonga in der UN-Vollversammlung dasselbe Stimmrecht hat wie die USA, führe nur zur Blockade. Man müsse sich aufraffen, einige Spieler auszuschließen und abgestufte Zugangsrechte zu globalen Entscheidungs­prozessen einzurichten. Das Papier fordert "mehr exklusive Gruppen, ein gewichtetes Abstimmungsrecht, neue Techniken der Vertretung und möglicherweise verschiedene Kammern oder Ebenen in einigen Welt­organisationen."[anm 4] Es sollte möglich sein, so das Denk-Papier, "die 'Management'-Aufgaben von den partizipatorischen, legitimierenden Funktionen zu trennen."[anm 5] So vornehm kann man die Forderung nach Abschaffung der Demokratie auch formulieren ...

Die Akteure der wichtigen Weltregionen - das sind von jetzt ab laut Council on Foreign Relations: Nordamerika, Europa und Asien - sollen in einem solchen Netzwerk von Bündnissen und Institutionen das US-amerikanische Betriebssystem des Kapitalismus durchsetzen. Denn: "Die amerikanische Macht ist nicht ewig."[anm 6] Der Anteil US-amerikanischer Wirtschafts­tätigkeit betrug 1945 etwa fünfzig Prozent der Weltwirtschaft, und war seitdem kontinuierlich abgesunken. So wie dereinst das antike Rom implodierte, sich aber die römischen Regelwerke in der Vernetzung der katholischen Kirche bis heute erhalten konnten, so hoffen die Theoretiker der US-Hochfinanz, im Council on Foreign Relations die für sie so vorteilhafte US-Variante des Wirtschaftens für alle Zeiten durch ein trilaterales Netz bewahren zu können: "Und weil Amerikas beispiellose Machtfülle dazu verurteilt ist, mit der Zeit dahinzuschwinden, steht an erster Stelle, den Aufstieg anderer Regionalmächte in einer Weise zu bewerkstelligen, die nicht Amerikas Erstrangigkeit bedroht."[anm 7]

Für die USA, so dekretiert der Direktor der Trilateral Commission, Zbigniew Brzeziński[wp], ist die eurasische Kontinentalplatte "der wichtigste geopolitische Gewinn", und dort besonders die zentral­asiatische Region, die natürliche Erdgas- und Erdöl­reserven von Kuwait, dem Golf von Mexiko und der Nordsee "winzig erscheinen lassen". Brzezinski fordert, China, Russland, den Iran sowie die Türkei fest in das trilaterale Bündnis einzubinden.

Es genügt nicht, die neuen Verbündeten mit Hard Power, also Militär- und Sicherheits­technik sowie überlegener Wirtschaftsmacht einzuhegen. Genauso wichtig ist der Gewinn der kulturellen Hegemonie, der Soft Power. Council on Foreign Relations-Vordenker Joseph Nye, der sich auf Antonio Gramsci[wp] beruft, argumentiert zunächst ganz wirtschaftlich: "Wenn die USA Werte repräsentieren, denen andere folgen möchten, wird uns die Führung weniger kosten." Die USA agieren wie kluge Eltern, deren "Macht über die Kinder größer ist und länger dauert, wenn sie sie mit den richtigen Überzeugungen und Werten erzogen haben ..."[anm 8]

So studieren pro Jahr 500.000 Studenten aus aller Welt in den USA, die dann als Eliten in ihren Heimatländern die Anbindung an den American Way of Life[wp] mit der größten Selbstverständlichkeit durchsetzen. Ganz geräuschlos vollzog sich so hinter den Kulissen in der europäischen Politik eine "transatlantische" Wende, die jetzt unübersehbar Früchte trägt.

Denn im Laufe der letzten zwanzig Jahre wurde eine institutionelle Anbindung Europas an die USA durchgeführt, die nur noch schwer rückgängig zu machen ist. Der Council on Foreign Relations-Vordenker John Ikenberry[wp] sagt dazu: Das beste Mittel, "die Beziehungen unter den größten westlichen Staaten zu 'domestizieren'"[anm 9], besteht in der Einrichtung eines transatlantischen Freihandels­abkommens, das "das Risiko einer zunehmenden Wirtschafts­rivalität zwischen einer stärker vereinten EU und den USA abmildert".[anm 10] Unter der Regie von Council on Foreign Relations und Trilateral Commission hat ein ganzes Netz von Organisationen der Soft Power die europäischen Gesellschaften immer feinmaschiger durchdrungen.

Ganz oben befinden sich die Runden Tische, in denen Konzern­direktoren und Finanzgrößen mit Politik­beratern in lockerer Runde die allgemeinen Richtlinien der Politik für die nächsten Jahre besprechen. Auf amerikanischer Seite existiert seit 1972 der Business Roundtable. Seine spiegel­bildliche Entsprechung auf europäischer Seite stellt der 1983 gegründete European Round Table of Industrialists dar. Fünfundvierzig Top-Manager bilden den inneren Kreis. Für Deutschland dabei: Henning Kagermann vom Software-Konzern SAP, Wulf Bernotat vom Energiekonzern e.on, Gerhard Cromme von Thyssen-Krupp und Manfred Schneider vom Chemiekonzern Bayer.

Die Vorgaben der Runden Tische werden zum einen an die europäischen Politiker weitergereicht. Der Transatlantic Business Dialogue hat in seinem Gründungsjahr 1995 siebzig "Empfehlungen" für den USA-EU-Gipfel im Dezember 1995 in Madrid ausgearbeitet, die "New Transatlantic Agenda". Die anwesenden Regierungen übernahmen bereitwillig die Vorschläge aus USA. Während der Transatlantic Business Dialogue die EU-Administration in Brüssel betreut, kümmert sich das Transatlantic Policy Network um die Europa-Abgeordneten in Strasbourg.

Zum anderen erreichen die Vorgaben der Runden Tische wissenschaftliche Netzwerke. Die Gesellschaft für Auswärtige Politik ist die offizielle "Partner"organisation des Council on Foreign Relations für Deutschland. In Ansätzen bereits 1946 aktiv, wurde die DGAP 1955 zeitgleich mit dem Deutschlandvertrag offiziell aus der Taufe gehoben. Karl Kaiser und Erwin Scheuch sind zwei prominente Personen aus diesem Institut. Die Stiftung Wissenschaft und Politik ist offiziell der Ratgeber der Bundesregierung in Fragen der Außenpolitik. Dieses private Institut ergreift ebenfalls energisch Partei für eine unverrückbare Zusammen­schweißung der Wirtschaftsräume der USA und Europas, wie wir den Verlautbarungen dieser Kreise entnehmen: "Auch innerhalb der EU ist Deutschland derzeit gut positioniert, um die widerstreitenden Interessen der Mitgliedstaaten in der Perspektive einer ambitionierten transatlantischen Integrationsagenda zusammenzuführen."[anm 11] Das könnte "die Führungsrolle von EU und USA in der Welthandelsorganisation WHO stärken."

Die Rekrutierung des transatlantischen Nachwuchses besorgt neben dem allseits bekannten Fulbright[wp]-Stipendium der weniger bekannte German Marshall Fund of the US. Dieser wurde 1972 von dem außergewöhnlich eifrigen Transatlantiker Willy Brandt quasi verordnet, und kostete die Steuerzahler in der ersten Rate 150 Millionen DM. Seitdem sind noch weitere erkleckliche Summen aus dem Steuerzahler­topf hinzugekommen.

Gleichermaßen verdiente wie verdienende Leistungsträger aus Politik, Wissenschaft, Medien und Kultur treffen sich seit 1952 in der Atlantik-Brücke. In diesen Kreis wird man handverlesen. Der langjährige Präsident der Atlantik-Brücke, Arend Oetker[wp], bekennt in dankenswerter Offenheit: "Die USA werden von 200 Familien kontrolliert. Wir möchten gerne mit diesen Familien gut Freund sein." Das spiegel­bildliche Gegenstück auf USA-Seite stellt der vom Hamburger Bankier Erich Warburg[wp] und dem Council on Foreign Relations-Funktionär John McCloy[wp] 1952 gegründete American Council on Germany dar.

Es ist schöne Sitte, dass ein neu gekürter deutscher Regierungschef sich im ersten Vierteljahr seiner Amtszeit in New York beim ACG einfindet und den US-Unternehmern Bericht erstattet. So auch Angela Merkel am 12. und 13. Januar 2006. Beim American Council on Germany sagte sie ganz eilfertig: "Wir müssen uns entscheiden, ob wir uns in einem Kampf um Boeing und Airbus verklammern, oder ob wir uns auf die weit bedeutendere Frage konzentrieren, wie wir alle zusammen ... mit China umgehen sollen." Auf Kosten des deutschen Steuerzahlers darf schließlich noch das Aspen Institute[wp] in Berlin für die Irak-Invasion und gegen eine europäische Selbständigkeit agitieren.

Alle hier genannten Einrichtungen sind selbstverständlich pro forma absolut eigenständig. Jedoch findet sich in allen diesen Gruppen als harter Kern das immer gleiche Personal der "üblichen Verdächtigen". Es hat sich nämlich in Deutschland mittlerweile jenes Modell der Herrschaft durch informelle Seilschaften - Walter Lippmann sprach etwas nobler vom "social set" - etabliert, das für die anglo­amerikanischen Gesellschafts­formationen so kennzeichnend ist. Ob im Deutschlandfunk, ob in Talkshows, oder wo auch immer: das Personal von "Experten", das zu jedem beliebigen Thema befragt wird, ist - gelinde gesagt - überschaubar. Und es gehört komplett zum "transatlantischen" Netzwerk.

Wenden wir uns abschließend noch der Frage zu, ob der Council on Foreign Relations nicht mittlerweile von noch aggressiveren Neokonservativen und christlichen Fundamentalisten beiseite gedrückt worden sein könnte.

Viele Council on Foreign Relations-Größen raufen sich die Haare angesichts der Flurschäden, die das inkompetente und rücksichtslose Bush-Regime im fragilen internationalen Bündnisgewebe dereinst verursacht hatte. Joseph Nye geißelt den "Unilateralismus" der Bushisten. Das meint: Die Bushisten lassen ihre "Verbündeten" gar zu deutlich spüren, dass deren Meinung ihnen schnuppe ist. Das Project for a New American Century stellt sich energisch gegen die Vision des Council on Foreign Relations, die Nation USA schleichend in einer globalen Pax Americana[wp] aufgehen zu lassen.

Immer lauter wird der Groll der Council-Männer gegen die allgegenwärtige Israel-Lobby, angeführt von deren Frontgruppe, der AIPAC[wp]. Deshalb wagte Council on Foreign Relations-Mitglied John Mearsheimer[wp] zusammen mit Stephen Walt den Frontalangriff auf die AIPAC-Seilschaft. Ihr Buch zum Thema wetteiferte einst um den Spitzenplatz in der US-Bestseller­liste mit einem Buch von Norman Podhoretz[wp], in dem dieser die Invasion in den Iran forderte. Ironie dabei: Auch Israel-Lobbyist Podhoretz ist Council-Mitglied.

Doch die Mehrheitsmeinung im Council on Foreign Relations lautet, durch zahlreiche Denkschriften bekundet, dass die Bush-Regierung sich im Irak und Afghanistan verzettelte, und dass der alleinige Einsatz der Hard Power dem Iran und anderen Anrainerstaaten langfristig in die Hände spielen würde. Tatsächlich hat sich in den letzten Jahren, in denen die US-Streitkräfte immer tiefer im irakischen Sand versanken, ein erstarkendes Gegenbündnis in der Region formiert: die Shanghai Cooperation Organization. Die SCO stellt strukturell eine Kopie der westlichen Bündnissysteme dar. Der SCO gehören China, Russland, die zentral­asiatischen Republiken, und als Beobachter, Indien, Afghanistan und der Iran an. Und je länger die Hardliner in Washington in jener Region Porzellan zerschlugen, um so deutlicher wird die SCO zu einem Abwehr­instrument gegen die US-amerikanischen Anmaßungen. Dabei hätte Brzezinski die SCO gerne als Teil der trilateralen Ordnung eingebunden.

Und so redete der Altmeister der verfeinerten Pax Americana, Brzezinski, im Jahre 2007 Tacheles: der War on Terror sei eine "bedeutungslose Phrase". Die USA seien auf dem Weg in eine selbstverschuldete Lähmung. Es herrsche Demoralisierung und eine "Kultur der Furcht" durch "fortgesetzte Gehirnwäsche" im Land der unbegrenzten Möglichkeiten, angestiftet durch eine aufgeblähte Sicherheits­industrie. Eine paranoide Stimmung greife um sich, in der gegen Araber gehetzt werde wie im Nazireich gegen Juden.[anm 12]

Solche Töne veranlassten europäische Kongress­veranstalter, Council on Foreign Relations-Leute als Kronzeugen gegen den Bush-Terror mit offenen Armen zu empfangen. Unstreitig gibt es eine große Meinungsvielfalt im Council on Foreign Relations. Council-Mitglied Paul Krugman beispielsweise, ein hochrangiger Ökonom, fordert mehr soziale Gerechtigkeit und erinnert nachdrücklich an Roosevelts New Deal[wp], der dem Wildwuchs der Finanzspekulanten Einhalt gebot. Council on Foreign Relations-Vordenker Robert Putnam fordert einen Administrationsstil, der den Bürgern dient, sie ernst nimmt und die Zivilgesellschaft fördert - und auf diese Weise das von ihm so genannte "Soziale Kapital" anwachsen lässt.

Doch die Grundlagen der Council on Foreign Relations-"Philosophie" sind unantastbar. Nach wie vor schwört der Council auf unbeschränkte Herrschaft der Technokraten und hält nichts von einer Regierung durch das Volk. Das paternalistische Bevormundungs-Paradigma steht über allen anderen Überlegungen. Es ist immer noch gültig, was ein Denkpapier in den 1970er Jahren festgeklopft hatte: "Die Arenen, wo demokratische Prozeduren angemessen erscheinen, sind ... begrenzt."[anm 13] Am Betriebssystem "Pax Americana" wird nicht gerüttelt. Die Council on Foreign Relations-Vordenker werden immer hartnäckig ignorieren, dass der Verlust an Stabilität und Ordnung gerade durch die privatisierte Variante des Bretton-Woods-Systems und der nachfolgenden Entstaatlichung und Deregulierung verursacht worden ist.

Die Vordenker des Council on Foreign Relations können und dürfen keine ehrliche Tiefenanalyse der globalisierten Misere vornehmen. Denn die Geldgeber aus den Kreisen der Investmentbranche, wie beispielsweise Goldman Sachs[wp] oder Morgan[wp], werden sich wohl kaum von ihren Council on Foreign Relations-Theoretikern ans Zaumgeschirr legen lassen. Und so steuern die USA immer schneller und unerbittlicher auf ihren Niedergang zu. Es gibt heute keine Instanzen in den USA mehr, die den Mächtigen den Spiegel vorhalten könnten.

Quellen und Anmerkungen

  1. Henry A. Kissinger: Nuclear Weapons and Foreign Policy. New York 1957
  2. Robert D. Schulzinger: The Wise Men of Foreign Affairs - The History of the Council on Foreign Relations. New York 1984. S. 146
  3. Beide Zitate von Joseph Kraft, Harper's, Juli 1958, in Schulzinger, S. 146
  4. Miriam Camps: The Management of Interdependence - A Preliminary View. CFR New York 1974. S. 59
  5. a.a.O. S. 94
  6. Joseph S. Nye: Das Paradox der amerikanischen Macht - warum die einzige Supermacht Verbündete braucht. Hamburg 2003. S. 17
  7. Zbigniew Brzezinski: The Grand Chessboard - American Politics and its Geostrategic Imperatives. New York 1997. S. 198
  8. Nye a.a.O. S. 30
  9. John Ikenberry, zitiert in Brzezinski, a.a.O. S. 29
  10. RAND-Studie, zitiert nach Brezezinski, a.a.O. S. 199
  11. Volker Perthes/Stefan Mair (Hg.): Europäische Außen- und Sicherheitspolitik - Aufgaben und Chancen der deutschen Ratspräsidentschaft. Berlin September 2006. S. 50
  12. Zbigniew Brzezinski: How a Three-Word Mantra Has Undermined America, Washington Post, 25.3.2007
  13. Samuel Huntington in: Crozier/Huntington/Watanuki: The Crisis of Democracy. New York 1975. S. 114
– Apolut[2]

Einzelnachweise

  1. Hermann Ploppa: HIStory: Der Council on Foreign Relations (Teil 1), Apolut am 28. August 2023
    HIStory: Der Council on Foreign Relations (Teil 1), Apolut auf Odysee am 28. August 2023, 20:37 Min.
  2. Hermann Ploppa: HIStory: Der Council on Foreign Relations (Teil 2), Apolut am 18. September 2023
    HIStory: Der Council on Foreign Relations (Teil 2), Apolut auf Odysee am 18. September 2023, 28:58 Min.

Querverweise

  • Wikipedia führt einen Artikel über Council on Foreign Relations
  • Thomas Röper: Foreign Policy: Washington muss dafür sorgen, dass "Berlins Gazprom-Ära" vorbei ist, Anti-Spiegel am 9. Oktober 2024
    Anreißer: Foreign Policy, die Zeitung des sehr einflussreichen Council on Foreign Relations, hat einen Artikel veröffentlicht, der erneut die schon lange bekannten Ziele der US-Politik anschaulich aufzeigt, nämlich Russland und Deutschland dauerhaft zu trennen.
    Auszug: Wer sich in Geopolitik auch nur ein kleines bisschen auskennt, der kennt die Aussage von George Friedman[wp], dem Gründer von Stratfor, der im Februar 2015 in erfrischender Offenheit zugab, dass es seit einem Jahrhundert das wichtigste Ziel der US-Außenpolitik sei, zu verhindern, dass sich deutsches Kapital und Technologie mit russischen Rohstoffen und Arbeitskräften zusammen tun, weil ein deutsch-russisches Zusammengehen das einzige sei, was die US-Weltherrschaft gefährden könne. Dafür, so Friedman, hätten die USA auch die beiden Weltkriege gekämpft.
    Das ist eine Aussage, die zum Verständnis von Geopolitik unerlässlich ist, denn sie zeigt sehr anschaulich, worum es bei Geopolitik geht, nämlich um Interessen. Die Parolen, der US-geführte Westen kämpfe für Freiheit, Demokratie, Menschenrechte und so weiter sind, nur für das „dumme Volk“ bestimmt, damit es nicht dagegen rebelliert, dass es die Kosten dafür tragen und im Falle von Kriegen für banale Macht­interessen der US-Eliten sterben muss. Den USA ging es bei den Weltkriegen nicht darum, den bösen deutschen Kaiser oder den Nazi Hitler zu bekämpfen, um irgendwem Freiheit zu bringen, sondern für sie waren die Weltkriege nur Instrumente, die sie geschickt genutzt haben, um ihre Machtposition in der Welt auszubauen.
    Und das hat funktioniert, denn die USA sind aus jedem der beiden Weltkriege nach einem im Vergleich zu anderen Kriegs­teilnehmern geringen Verlust an Menschenleben (vor allem wirtschaftlich) als die großen Sieger hervorgegangen, die am meisten von den Weltkriegen profitiert haben und nach jedem Weltkrieg viel mächtiger waren als vorher.
    Das gleiche galt für den Kalten Krieg, in dem die USA nicht für die Freiheit der Menschen gegen den Sozialismus gekämpft haben, sondern ausschließlich für den Ausbau ihrer Machtstellung in der Welt. Und auch diese Rechnung ist aufgegangen, wie die Entwicklungen vor allem in den 1990er Jahren gezeigt haben, als die USA wirklich die einzige Weltmacht waren und ihr Ziel erreicht zu haben glaubten, dauerhaft die Weltherrschaft errungen zu haben. Damals war in den USA ja sogar vom "Ende der Geschichte" die Rede, weil die USA nun die Welt beherrschten und meinten, sie könnten der Welt nunauf ewig ungehindert ihren Willen aufzwingen.