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Minderheitenschutz

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Minderheitenschutz ist ein Begriff aus Verfassungs-[wp] und Völkerrecht[wp], der sich auf Freiheit und Gleichheit von Minderheiten[wp] und ihren Schutz vor Diskriminierung bezieht. Die spezifischen Interessen von ethnischen Minderheiten, Behinderten oder Homosexuellen werden international durch die Menschenrechte, insbesondere durch den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte[wp], und auf staatlicher Ebene durch die in der jeweiligen Verfassung verankerten Individualrechte geschützt.[1]

Wer schützt hier wen und wozu?

Der Deutsche Presserat[wp] hat diese Richtlinie vor kurzem bestätigt: Religions­zugehörigkeit und Nationalität von Straftätern sollen von den Medien verschwiegen werden. Diese Richtlinie greift weit bis in die Polizei­berichte und in die Behörden hinein. (Die Hintergründe und Erlasse[ext], die zum Erblinden der Polizei führen lesen Sie hier.) Der Grund: "Minderheiten" sollen geschützt werden, "Vorurteile" könnten "geschürt" werden. Aber was ist eigentlich eine Minderheit und wann verdient eine Minderheit Schutz?

Vier Halb-Nachrichten und offene Worte

Diese vier Nachrichten aus den letzten Tagen, sexuelle Übergriffe auf dem Schloss­graben­fest in Darmstadt, hier[ext] und hier[ext], eine versuchte Vergewaltigung[ext] in Bad Nauheim mit sehr verschämten Angaben, sind schon regelrecht rebellisch gegen die Vorgaben des Presserates zu nennen, während diese Meldung aus Augsburg[ext] über den sexuellen Missbrauch eines 12-jährigen Mädchens in einem Schwimmbad die Herkunft der zwei 14-jährigen Täter ganz im Dunkeln lässt. Allerdings: Auch der Jugendschutz darf nicht soweit gehen, dass er de facto zur Unterdrückung relevanter Informationen führt.

Noch im Gedächtnis ist die Ermordung des 17-jährigen Niklas P.[ext] Anfang Mai in Bad Godesberg. Ein Schlägertrupp hatte ihn vergleichsweise wahllos angegriffen und zu Tode gebracht. Kurzfristig hieß es, die Täter seien zwischen 17 und 21 Jahre alt, zwei von ihnen hätten einen dunklen Hauttyp, seien 180-185 cm groß, sprächen akzentfrei deutsch, der eine von diesen hätte eine stämmige, der andere eine normale Statur, der dritte Täter habe schwarzes lockiges langes Haar. Und dann hieß es plötzlich ziemlich apodiktisch, der Haupttäter sei Italiener. Punkt. In einer Pressekonferenz der Ermittlungs­behörden kam eine Journalistin auf die Idee zu fragen, ob der Täter außer, dass er in Italien geboren sei und einen italienischen Pass besitze, noch einen weiteren Migrationshintergrund habe. Darauf antwortete der Behörden­sprecher dann kurz: Ja, es gibt noch einen weiteren Hintergrund.[ext] Von da an war klar, dass der Täter marokkanischer Abstammung ist. Diesen Hintergrund hätte die Behörde von sich aus offenkundig nicht eingebracht.

Wie sieht es mit der Motivations­lage der unmotiviert erscheinenden Tat aus? Gibt es eine aversive Grundhaltung eines falsch oder nicht integrierten Täters gegen das Land, in dem er sich aufhält? Dafür könnte sprechen, dass der von Zeugen ziemlich eindeutig erkannte Täter Walid S., 20 Jahre alt, der bereits wiederholt kriminell aufgefallen war, sich seit längerem in Parallel­milieus aufgehalten hat. Wie sieht es mit dem legitimen Informations­interesse der Öffentlichkeit aus in so einem Fall?

Mit dem auf den ersten Blick toll klingenden Argument, damit Minderheiten nicht diskreditiert werden, sollen die Medien und auch die Polizei (die seit einem Beschluss der Innenminister durch interne Dienst­anweisungen in dieselbe Richtung agiert, weswegen auch die Kriminal­statistik nicht mehr viel aussagt), wenn sie denn über Straftaten überhaupt berichten, tunlichst auf die Benennung von Ethnie und Religion der Täter verzichten.

Es geht um folgende Richtlinie 12.1: "Bericht­erstattung über Straftaten In der Bericht­erstattung über Straftaten wird die Zugehörigkeit der Verdächtigen oder Täter zu religiösen, ethnischen oder anderen Minderheiten nur dann erwähnt, wenn für das Verständnis des berichteten Vorgangs ein begründbarer Sachbezug besteht. Besonders ist zu beachten, dass die Erwähnung Vorurteile gegenüber Minderheiten schüren könnte."

"Die Richtlinie bleibt, wie sie ist", sagte Lutz Tillmanns[ext], Geschäfts­führer des Presserats vor knapp zwei Monaten: "Es gab eine ganz breite Mehrheit dafür ... Wir sind überzeugt, dass wir sie nicht ändern müssen", sagte Tillmanns. "Sie ist kein Sprachverbot und kein Maulkorb für Redaktionen. Sie sind autonom in ihrer Arbeit und sollen es auch bleiben."

Der Chefredakteur von n-tv, Tilman Aretz, fordert dagegen: Schluss mit der Richtlinie 12.1[ext] und weist daraufhin, dass die Nummer 12 im Pressekodex vollkommen ausreicht. Da heißt es nämlich:

"Niemand darf wegen seines Geschlechts, einer Behinderung oder seiner Zugehörigkeit zu einer ethnischen, religiösen, sozialen oder nationalen Gruppe diskriminiert werden."

Allerdings ist auch die Vorschrift 12 ihrerseits völlig überflüssig, weil sie Nichts als das Anti­diskriminierungs­gesetz[ext] wiederkäut, das ohnehin gilt. Und selbst das Anti­diskriminierungs­gesetz ist überflüssig, weil das Grundgesetz diese Sachverhalte bereits Jahrzehnte zuvor perfekt geregelt hat. Die ganze Anti­diskriminierungs­orgie ist Selbst­beweih­räucherung von Wichtigtuern und verkleistert den Verstand, den Journalisten brauchen, wenn sie verständig berichten wollen.

Jedenfalls: Mit Logik und Moral hat die Richtlinie des deutschen Presserates nichts zu tun. Mag sein, dass einige Mitglieder des deutschen Presserates es bedauern, dass sie nicht über hoheitliche Gewalt verfügen, sondern nur Mitglied eines privaten Ethik­unter­nehmens auf dem heiklen Gebiet der hoch­sensiblen Pressefreiheit sind. Man muss es in aller Deutlichkeit sagen: Der Deutsche Presserat ist ein anmaßendes, zur Selbst­überschätzung neigendes NGO-Organ: In bester Absicht kontra­produktiv unwissend oder fahrlässig, oft sogar grob fahrlässig Unsinn bewirkend.

Seit sich Medien geradezu sklavisch daran halten, wirken viele Presseberichte seltsam unbestimmt, verschwurbelt und halbherzig, als ob unangenehme Wahrheiten hinter einem Vorhang der Öffentlichkeit verborgen bleiben müssten. Die Leser spüren das und reagieren ablehnend darauf. Die Krise der Printmedien kann auch in dieser Selbst­beschränkung in der Darstellung eine Teilursache haben. Denn die Leser interessieren sich nicht für die Linie des Presserats, sondern für umfassende und wahre Berichte.

Die Silvesternacht in Köln, sexuelle Übergriffe auf Sommer­stadt­festen und in Schwimm­bädern im Mai 2016: Wer sind die Täter? Gehören sie einer schützens­werten Minderheit an und wenn ja: welche Minderheit wird warum geschützt? Oder warum eiern die Medien sonst drumherum? Waren die angegriffenen Frauen auf der Kölner Domplatte zu diesem Zeitpunkt gerade mal keine schätzenswerte Minderheit oder galten der Kölner Polizei­führung andere Minderheiten als höherwertig zu schützende Minderheiten? Es ist ein absurder Tanz um fragwürdige, nie geklärte Begriffe, der aber gleichermaßen den Betroffenen und den Medien schadet.

Muslime Minder- und der westliche Mensch Mehrheit?

Denn was Minderheitenschutz eigentlich ist, spielt in den meisten Diskussionen über Minderheiten­schutz keine Rolle. Das liegt zum großen Teil daran, dass die wenigsten Diskutanten wissen, was eine "Minderheit"[wp] überhaupt ist oder wie sie selbst "Minderheit" definieren. In den meisten Fällen wird in Diskussionen jedenfalls nicht die aktuell gerade zugrunde gelegte Definition des Minderheits­begriffes offengelegt. Die Relationen, wenn sie denn überhaupt je bedacht wurden, die realen Macht­verhältnisse, wenn sie denn überhaupt bewusst sind, sind oft genug willentlich oder versehentlich vernachlässigte Größen.

Sind zum Beispiel rund 1,5 Milliarden häufig sehr junge Muslime auf dieser Welt eine Minderheit? Sicherlich in einigen Ländern - in anderen noch: Spielt es eine Rolle, ob eine Minderheit eine globale Verfügungsgewalt über entscheidende Rohstoffe hat? Ist der westliche Mensch, um einen solchen Typus hier einmal zur Erleichterung der Diskussion einzuführen, zwar eine zahlenmäßige Minderheit, die man aber wie eine gute oder eine böse Mehrheit zu betrachten hätte, weil die Staaten der westlichen Welt in vielen politischen Bereichen oder auch im wirtschaftlichen und militärischen Bereich (noch) den Ton angeben?

Ist Putins Russland eine "Mehrheit", weil es über ein großes Land und große Ressourcen verfügt? Ist China mit seinen 1,3 Milliarden Menschen, die immer noch von einer (sich zunehmend weltoffener zeigenden) kommunistischen Partei auf Linie getrimmt werden, noch Minderheit oder Mehrheit, zumindest im asiatischen Raum? Wie sind chinesische Minderheiten vor dem Hintergrund einer politischen und militärischen Expansion in anderen Gesellschaften zu betrachten? Wie sieht es mit Indien aus? Wie mit der stark wachsenden Bevölkerung Schwarz­afrikas aus? Sind Katholiken Mehrheit oder Minderheit? Sind Christen, die (angeblich) derzeit meist verfolgte Religions­gemeinschaft auf diesem Globus, eine Mehrheit oder eine Minderheit? In Leipzig, so haben wir erfahren, sind Christen längst eine verschwindende, oft genug belächelte Minderheit. Müssen sie jetzt anders behandelt werden, geschützter? Wann springt die Bewertung um von Mehrheit zu Minderheit? Haben sich der Presserat und die Innenminister darüber Gedanken gemacht?

Gott sei Dank steht wenigstens eins fest: Die Kriminellen sind eine Minderheit. Die Mehrheit glaubt, dass es richtig sei, die Mehrheit vor der Minderheit der Kriminellen zu schützen.

Welchen Wert hat die Kategorie "Minder­heiten­schutz", mit der im Westen der öffentliche Diskurs mal platt gemacht, mal aufgeheizt und sehr oft in absurde Richtungen gedrängt oder gepeitscht wird?

Die Minderheit der Unterdrücker

War der Adel in Deutschland, um mal regional zu denken, während seiner tausend­zwei­hundert­jährigen absoluten Herrschaft eine Mehrheit, die die Minderheit ausgebeutet und unterdrückt hat? Oder war der Adel nicht doch eher eine Minderheit, die die Mehrheit ausgebeutet und unterdrückt hat? Sind Minderheiten also immer unterdrückt? Macht es daher Sinn, das Wort "Minderheit" geradezu als Synonym für Unterdrücktsein und schutzbedürftig zu verwenden?

Man hört von den linken Ideologen seit 150 Jahren, dass es die hauchdünne Minderheit der Kapitalisten wäre, die uns alle ausbeute, viele in Armut und alle in Abhängigkeit hielte. Von einem Minderheiten­schutz für Kapitalisten, Banker und Unternehmern hört man den notorischen Minderheiten­schützern nie etwas.

Der Erfinder eines für die Menschheit wichtigen Medikamentes ist eine Ein-Mann-Minderheit und doch soll er qua Patent für einen definierten Zeitraum den Rest der Menschheit entsprechend schröpfen dürfen. Klar, das Patentrecht dient auch der Förderung des schöpferischen Geistes der entsprechend befähigten Menschen, die bereits kraft ihrer Ausnahme­befähigung eine Minderheit sind. Manchmal ist es also nützlich für alle auch Minderheiten zu schützen, die die Mehrheit schröpfen, selbst dann wenn die Patent­inhaber böse Konzerne sind.

Das mit der Gleichheit ist ein Problem ...

Im deutschen Grundgesetz heißt es: Der Souverän, das sei das Volk. Gemeint ist das ganze Volk. Und weiter heißt es im GG: Alle Menschen seien in ihrer unendlichen Unterschiedlichkeit und Individualität gleich. Vor dem Gesetz - und das ist hoffentlich gemeinhin akzeptiert. Trotzdem ist das mit der Gleichheit offenbar ein Problem und das liegt nicht nur an der Ungleichheit der Menschen, sondern auch an einem weithin verblödeten Diskurs über Gleichheit und Ungleichheit der Menschen und der geht sehr weit:

Dass Penis und Vagina optische Täuschungen sind[ext], auf die die Menschheit und auch die großen Religions­gemein­schaften seit eh und je herein­gefallen wären, haben wir seit der Implementierung der gesetzlichen Gender-Ideologie alle gelernt.

Die Hauptsache ist natürlich, dass die Frauen nicht die Männer beherrschen und die Männer nicht die Frauen, die Hetero-Mehrheit nicht die Schwulen und die Lesben beherrschen und dass die Heteros und die Schwulen und Lesben, also diejenigen, die noch mit der Fiktion von Penis und Vagina im Kopf herumlaufen und "verkehren", nicht die LSBTTI-Menschen beherrschen. Und auch in umgekehrter Richtung soll es selbstredend kein Diskriminierungs­verhältnis geben.

Der öffentliche Diskurs im Westen ist von dem Begriff der drei großen Weltreligionen beherrscht. Geradeso als wenn es die größere Hälfte der Nicht-Christen, Nicht-Muslime und Nicht-Juden nur randständig und ganz peripher gäbe. Dabei ist das Judentum als Erfinderin der monotheistischen Religion bekanntlich nur eine verschwindende Minderheit gegenüber dem Christentum und dem Islam. Aber die politische Korrektheit, die zwar den Staat Israel (von probaten Ausnahmen abgesehen) nicht mag, um es vorsichtig auszudrücken, verlangt die in diesem Sinne geradezu herausgehobene Benennung des Judentums selbstredend. Das ändert nichts daran, dass die Juden nicht nur in der Vergangenheit und nicht nur in Zeiten des Holocaust, sondern auch aktuell einen ziemlich gefährdeten Stand haben, und zwar auch, weil neue Minderheiten der Muslime aggressiv die Deutungshoheit erlangen und nahtlos an die schlimmsten Verbrechen anknüpfen.

Wem folgt die Mehrheit? Wer hat die Deutungshoheit?

Fest dürfte stehen: Mehrheiten sind nicht per se suspekt und Minderheiten sind nicht per se gut und schützenswert.

Die religiösen Führer der drei großen Weltreligionen, Imame, der Papst, Frau Pastorin, Herr Priester, sind eine Minderheit, die sich im Laufe der Geschichte nicht immer vorteilhaft für alle verhalten haben. Wer hat die Macht? Wer hat die Deutungshoheit? Wem folgt die Mehrheit? Das ist die Frage! Und wem sollte die Mehrheit folgen und wem nicht? Diese Fragen sind unter Umständen kompliziert zu beantworten.

Bettina Röhl[2]

Einzelnachweise

  1. Wikipedia: Minderheitenschutz, Version vom 27. Januar 2016
  2. Bettina Röhl: Der Pressekodex, Kriminalität und die Minderheiten- Teil 1: Minderheitenschutz: Wer schützt hier wen und wozu?[ext], Tichys Einblick am 1. Juni 2016 (Anreißer: Die Silvesternacht in Köln, sexuelle Übergriffe auf Sommer­stadt­festen und in Schwimm­bädern im Mai 2016: Wer sind die Täter? Gehören sie einer schützens­werten Minderheit an? Oder warum eiern die Medien drumherum?)