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Öffentliche Meinung
Der Begriff Öffentliche Meinung bezeichnet die in einer Gesellschaft oder ihren spezifischen Untergruppierungen vorherrschenden Meinungen und Urteile zu für die Allgemeinheit bzw. die spezifisch Beteiligten interessanten Sachverhalten. Öffentliche Meinung ist ein buntschillerndes Schlagwort, über welches Lothar Bucher[wp] in der Deutschen Revue, 12. Jahrg. Bd. 2, S. 75ff. in fesselnder Darstellung gehandelt hat. Nach seiner Angabe soll der Ausdruck im letzten Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts durch Wieland aus dem Französischen eingeführt worden sein, wo bereits in Rousseaus Novelle Héloise (1759) l'opinion publique belegt wird.
Für die Ausprägung zum allgemeinen Stichwort aber wird aus eine Denkschrift Neckers (1784) nachdrücklich hingewiesen. Von älteren Zeugnissen deutscher Schriftsteller sei noch erinnert an Friedr. Schlegels "Lucinde" (Reclam) S. 15ff.[1]
Geschichte
Die öffentliche Meinung als soziales Phänomen selbst ist älter als der dazugehörige Begriff.
Die öffentliche Meinung äußerte sich immer schon in sozialen Einflüssen der örtlichen Nachbarschaft - vgl. Sprichwörter wie Do, wat du wullt, de Lüüd snackt doch oder Wer an der Straße baut, hat viele Meister.
In den freien antiken Stadtstaaten Kleinasiens, Griechenlands und in Rom äußerten die Vollbürger ihre Meinungen öffentlich auf dem Marktplatz (griechisch: agorá, lateinisch: Forum) in Volksversammlungen und Volksgerichten.
Frühe Massenmedien waren nach der Erfindung des Buchdrucks mit beweglichen Lettern bereits zur Zeit der Reformation verfügbar z. B. in Form von Flugblättern. Im 18. und 19. Jahrhundert kamen zudem die Zeitungen (Intelligenzblätter) und das Theater auf, im 20. Jahrhundert der Film, der Hörfunk, das Fernsehen und mit der elektronischen Revolution das Internet. Die ganze Zeit über bestand und wirkte auch der Buchmarkt.
Im neuzeitlichen Europa verdichtete sich die öffentliche Meinung im heutigen Sinn im 18. Jahrhundert als Meinungsmarkt und dann als eine Waffe des aufsteigenden Bürgertums, somit als neue Form der politischen Autorität, die letztlich das Meinungsmonopol der absolutistischen Regierungen und des in einem Staat jeweils ein Religionsmonopol ausübenden Klerus brach. Der erste Nachweis des Begriffs öffentliche Meinung in deutscher Sprache findet sich 1712 in der Übersetzung einer lateinischen Schrift von Christian Thomasius[wp] über die Hexenprozesse, worin der lateinische Begriff Persuasio publica mit öffentlicher Meinung übersetzt wird.
In Frankreich wurde von Jean-Jacques Rousseau[wp] in seinem Discours sur les Sciences et les Arts 1750 erstmals von "opinion publique" gesprochen, allerdings in einem kritischen Sinne gegen die veröffentlichte Meinung, die die Tugend zerstöre.[2] Die "opinion publique" sei dagegen, so Jürgen Habermas[wp], in Rousseaus Volonté générale "eher ein Konsensus der Herzen als der Argumente".[3] Im Englischen entstammt der Begriff "public opinion" wie im Französischen der bloßen "opinion", Meinung. Der Übergang zur öffentlichen Meinung vollzieht sich dort aber über die Zwischenstufen des "public spirit" und der "general opinion". Für 1781 ist "public opinion" erstmals belegt.[4]
Mit der erweiterten Öffentlichkeit durch die Arbeiterbewegung[wp] ("proletarische Öffentlichkeit"[5]) und der zunehmenden Demokratisierung gewann die öffentliche Meinung weiter an politischem Gewicht. Von Anfang an vermochten dabei kirchlich oder staatlich unterdrückte Meinungsführer, sich bahnbrechende Teilöffentlichkeiten zu schaffen (z. B. in der Reformation[wp] durch Flugblätter, im 19. Jahrhundert durch Broschüren oder heute im Internet).
Heute sind politische Entscheidungen fast immer an die öffentliche Meinung gekoppelt, selbst in stark meinungsbildenden Diktaturen.
Veröffentlichte Meinung
Der Ausdruck Veröffentlichte Meinung bezeichnet die in den Massenmedien vorherrschende Meinung zu maßgeblichen Themen. Diese kann unter Umständen deutlich von der vorherrschenden Meinung innerhalb eines Volkes abweichen, je nachdem, wie sehr sich die Vertreter der Medien von diesem in ihren Interessen und Abhängigkeiten unterscheiden.
Gleichzeitig kann die Veröffentlichte Meinung auch eine ihr zunächst völlig entgegengesetzte, im Volk vorhandene Meinung allmählich beeinflussen oder durch eine konzertierte mediale Propaganda und politische Kampagne[wp] in ihrem Sinne steuern. Dies kann durchaus so weit gehen, daß die öffentliche Meinung nach einer bestimmten Zeit eine ganz andere, ja entgegengesetzte, im extremen Fall sogar ihr (d. h. dem Volk) völlig schädliche Ansicht vertritt, als vor Beginn der durch die Veröffentlichte Meinung betriebenen Propaganda.
Die Vertreter der medial Veröffentlichten Meinung sind in erster Linie Journalisten und Politiker, in geringerem Maße Wissenschaftler und Experten (Beispiel Klimadiskussion).
Zitat: | «Journalismus ist etwas zu veröffentlichen, was andere nicht wollen, dass es veröffentlicht wird. Alles andere ist Propaganda.» - George Orwell[6][7] |
Ursachen
Eine Veröffentlichte Meinung entsteht bereits in dem Moment, wo ein weitgehend flächendeckendes Mediennetz sowie deren Vertreter existiert. Die Ursachen für eine deutlich hervortretende Abweichung zwischen veröffentlichter- und öffentlicher Meinung sind in der Regel jedoch systembedingt. Je geringer die Souveränität eines Volkes, desto abgeschotteter bildet sich die Veröffentlichte Meinung heraus.
Zitat: | «Öffentliche Meinung, wie wir sie wahrnehmen, kommt im wesentlichen zustande durch das Bild von der Gesellschaft, das wir durch die Medien vermittelt bekommen. Alle Menschen, egal ob Physikprofessor oder Hilfsarbeiter, können sich ja über 99 % der Welt und ihrer sozialen Erscheinungen kein Urteil aus eigener Kompetenz bilden. Eine Kompetenz hat der Mensch immer nur im unmittelbaren Berufsumfeld, da wo er Experte ist, im Bereich des eigenen Erlebens. Darum sind wir alle auf die Medien angewiesen, und das, was wir öffentliche Meinung nennen, reflektiert im Wesentlichen das, was die Medien sagen, was öffentliche Meinung sei. Das gibt den Medien objektiv gesehen eine große Macht. Das ist aber in jeder Gesellschaft so. Die Frage ist, wie sie diese Macht einsetzen. Und natürlich gibt es auch in jeder Gesellschaft Grenzen dessen, was man meinen und sagen darf. Anders kann die Gesellschaft auch nicht funktionieren. Nun, diese Grenzen sind mal enger und mal weiter. Sie haben auch andere Inhalte.» - Thilo Sarrazin[8] |
Zitate
- "Wenn die veröffentlichte Meinung nicht mehr die öffentliche Meinung wiedergibt, oder diese gar derart niederschreibt, dass eine wahre Diskurslücke klafft, dann muss man sich über das laute Platzen der eigenen Filterblase nicht mehr wundern." - Sebastian Müller[9]
- "Dies erklärt die schnelle und weite Verbreitung der Irrthümer, wie auch den Ruhm des Schlechten: denn die Meinungsverleiher von Profession, also Journalisten und dergleichen, geben in der Regel nur falsche Waare aus, wie die Ausleiher der Maskenanzüge nur falsche Juwelen." - Arthur Schopenhauer[wp][10]
- "Grüne und Linke dominieren so gut wie sämtliche öffentlichen relevanten Themen, obwohl sie keinesfalls die Mehrheit der Bevölkerung stellen. Sie haben weite Teile der Politik und so gut wie die gesamte Medienlandschaft komplett in ihrer Hand und dominieren heute über ihre einseitig veröffentlichte Meinung die Meinung der Öffentlichkeit in einer Form, wie man es sonst nur von Diktaturen wie dem Nationalsozialismus und dem Kommunismus kannte." - Michael Mannheimer[11]
- "Die meisten Menschen in Deutschland haben Angst, ihre Meinung öffentlich zu äußern. Sie haben Angst, gegen den von selbst ernannten Eliten - also von den Herrschenden - festgelegten Meinungskanon zu verstoßen. Die Mainstream-Medien tragen die Hauptschuld an dieser Misere." - Alexander Ulfig[12]
- "Was uns als gesellschaftliche Meinung verkauft wird, ist immer die Meinung bestimmter Gruppen." - Sascha Tamm[13]
Einzelnachweise
- ↑ Otto Ladendorf: Historisches Schlagwörterbuch (1906)
- ↑ Jürgen Habermas: Strukturwandel der Öffentlichkeit. Untersuchungen zu einer Kategorie der bürgerlichen Gesellschaft. 5. Aufl., Neuwied/Berlin 1971, S. 116.
- ↑ Jürgen Habermas: Strukturwandel der Öffentlichkeit. Untersuchungen zu einer Kategorie der bürgerlichen Gesellschaft. 5. Aufl., Neuwied/Berlin 1971, S. 121.
- ↑ Jürgen Habermas: Strukturwandel der Öffentlichkeit. Untersuchungen zu einer Kategorie der bürgerlichen Gesellschaft. 5. Aufl., Neuwied/Berlin 1971, S. 115-118
- ↑ Oskar Negt/Alexander Kluge: Öffentlichkeit und Erfahrung. Zur Organisationsanalyse von bürgerlicher und proletarischer Öffentlichkeit. Frankfurt am Main 1972.
- ↑ Aufgewachter: Zitat (George Orwell)
- ↑ WGvdL: Zitate Nr. 235
- ↑ Tahir Chaudhry: Sarrazin: Blitz und Donner liegen nah beieinander, Das Milieu am 15. März 2014 (Für die einen ein Volksheld, für die anderen ein Nestbeschmutzer. In seinem neuen Buch "Der neue Tugendterror" klagt er über mangelnde Meinungsfreiheit und Konformismus der Meinungen. Interview mit Beststeller-Autor Thilo Sarrazin über Freiheit, Gleichheitsideologie, Kausalitäten und den Islam.)
- ↑ Sebastian Müller: US-Wahl: Donald Trump ist die Quittung, Le Bohèmien am 14. November 2016
- ↑ A. Schopenhauer: Die Welt als Wille und Vorstellung II, Erster Teilband, Kapitel 7, S. 108 unten (Ausgabe Diogenes 1977, ISBN 3-257-20430-2)
- ↑ Die historischen Wurzeln des grünen Faschismus, Michael Mannheimer am 8. November 2011
- ↑ Alexander Ulfig: Gegen den propagandistischen Einheitsbrei, Cuncti - Haltbar am 20. September 2014
- ↑ Sascha Tamm: CSR: Opportunismus statt Verantwortung, Novo-Argumente am 29. Oktober 2014
Querverweise
Netzverweise
- Hadmut Danisch: Wenn die Öffentlichkeit der Meinungssteuerung entgleitet, Ansichten eines Informatikers am 24. Dezember 2014
- Veröffentlichte und öffentliche Meinung - Horst Lüning (20. März 2013) (Länge: 19:34 Min.)
Dieser Artikel basiert zusätzlich auf dem Artikel Historisches Schlagwörterbuch - Stichwort: Öffentliche Meinung von Otto Ladendorf, 1906. |