Herfried Münkler
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Geboren
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15. August 1951
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Herfried Münkler (* 1951) ist ein deutscher Politikwissenschaftler mit dem Lehr- und Forschungsschwerpunkt Politische Theorie und Ideengeschichte[wp]. Münkler übte bis zu seiner Emeritierung[wp] eine Tätigkeit als ordentlicher Professor am Institut für Sozialwissenschaften[wp] der Humboldt-Universität zu Berlin aus. Er wurde durch seine Forschungsarbeit zu Machiavelli[wp] bekannt.
Vorträge
- Prof. Dr. Herfried Münkler: Wie der Krieg in der Ukraine die Welt verändert (1. Februar 2023) (Länge: 65:20 Min.) (Russland, Ukraine)
- 00:38 Einleitung durch Prof. Dr. Christoph A. Schaltegger
- 13:18 Vorlesung Prof Dr. Herfried Münkler - Einleitung
- 15:00 Die drei grossen Veränderungen des letzten Jahrzehnts
- 33:54 Der Ukrainekrieg, seine Hintergründe und die Probleme seiner Beendigung
- 55:13 Was bedeutet das für die Schweiz?
- Der russische Angriff auf die Ukraine leitete eine Zeitenwende ein, sagte Prof. em. Dr. Herfried Münkler in seinem neuen Vortrag am 1. Februar 2023 an der Universität Luzern. Nach der Pandemie und dem Rückzug des Westens aus Afghanistan habe der Kriegsausbruch das Projekt einer westlichen, durch Freihandel geprägten Weltordnung endgültig beendet. Die Konflikte der Zukunft werden sich weniger um die Werte des Westens als vielmehr um die Interessen von Nationalstaaten drehen, prognostiziert Münkler.
- Auch die Schweiz müsse ihre Rolle in der Welt neu definieren. Die Neutralitätsdividende, von der das Land im 20. Jahrhundert profitiert habe, gebe es heute nicht mehr. Stattdessen stehe die Neutralität heute der Souveränität im Weg, da die Schweiz bei vielen Entscheidungen nicht mitbestimmen könne. Dies bringe die Schweiz in eine unangenehme Situation, sagt der Politikwissenschaftler. Denn betroffen sei die Schweiz sowohl von den Entscheidungen der EU als auch von den Atomdrohungen aus Moskau. Wieso die Schweiz auch nicht von einer Vermittlerrolle zwischen Ost und West profitieren kann, erklärt Herfried Münkler im Video.
- Die Nuklearschlagsdrohungen, die betreffen die Schweiz ebenso wie Deutschland oder Frankreich oder Polen. Denn der nukleare Fallout wird vor der Neutralität natürlich sich nicht beeindrucken lassen und deswegen einen Bogen um die Schweiz machen, sondern das ist gewissermassen, das betrifft alle in gleicher Weise. Herr Bundesrat, er ist noch nicht da, aber in fünf Minuten soll er da sein. Er sei auch herzlich willkommen geheissen von meiner Seite, Herr Botschafter, Herr Staatssekretär, Herr Regierungsrat, Herr Divisionär, Herr Brigadier, Herr Dekan, Herren Prodekane! Sehr verehrte Damen und Herren! Seit einem Jahr herrscht Krieg an Europas Ostflanke. Ein hybrider, also mit offenen und verdeckten Mitteln geführter Krieg. Ein Krieg, der uns die zerstörerische Gewalt von präzisen wie auch von grobschlächtigen Waffen vor Augen führt. Ein Krieg, der an die material- und menschenhungrigen Stellungs- und Grabenkämpfe in Flandern im Sommer 1916 während des Ersten Weltkriegs erinnert. Ein Krieg, der unermessliches Leid bei Kombattanten wie bei Zivilisten fordert. Krieg und Frieden: Wie sich die Welt verändert und was das für die Schweiz bedeutet, so der Titel unseres heutigen Referats von Professor Herfried Münkler, den ich sehr herzlich in unserem Kreise willkommen heisse. Krieg und Frieden. Diese dichotome Unterscheidung von politischer Ordnung und Kampf um diese politische Ordnung erinnert nicht nur an Tolstois Monumentalwerk, den meisterlich geschriebenen historischen Roman, der die Napoleonischen Kriege[wp] zum Hintergrund hat. Krieg und Frieden, Krieg oder Frieden? Diese fundamentale Frage hat natürlich auch enorme ökonomische Implikationen. Gemäss einer Zusammenstellung der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung dauerten die 700 Kriege, die haben das genau gezählt, der letzten 200 Jahre, im Durchschnitt zweieinhalb Jahre. Während der Kriegsjahre brach das Sozialprodukt pro Kopf als Wohlstandsmass um 10 % ein und in den 20 gravierendsten Einbrüchen sogar um 50 bis 70 %. Das sagen uns die emotionslosen Zahlen hinter der menschlichen Tragödie der Kriege. Viele Länder kämpfen auch Jahre nach dem Krieg noch mit einem demographischen Rückgang der Bevölkerung. Sie ringen mit Schulden, mit Inflation, mit Abwanderung, mit einem allgemeinen Vermögenszerfall. Krieg und Frieden ist der Forschungsgegenstand unseres heutigen Gasts, Professor Herfried Münkler. Und man darf den Referenten ohne Übertreibung als den wohl profundesten und profiliertesten Kenner dieser existenziellen Fragen der Politik bezeichnen. Zwei seiner Bücher sind besonders erwähnenswert, so meine ich. Im Dezember 2013 veröffentlichte er mit "Der Grosse Krieg - Die Welt 1914 bis 1918" ein besonders bedeutendes Buch über den Ersten Weltkrieg. Münklers Werk nimmt dabei ähnliche Positionen ein wie jene des Cambridge-Historikers Christopher Clark[wp]. Das Buch "Die Schlafwandler", das die Kriegsschuld im Ersten Weltkrieg einer Neubewertung unterzieht. Es ist längst das Werk von Münkler, wie auch das von Clark natürlich, zu einem Standardwerk avanciert. Zu einem Werk, das übrigens auch die unrühmliche Rolle der Intellektuellen vor und nach dem Krieg nicht ausspart. Das soll von diesem Katheder der Universität aus kritisch angemahnt sein.
- Auszüge
- 16:03 Min. - Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine, der das Konzept "Frieden schaffen mit immer weniger Waffen" auf Jahrzehnte hin erledigt hat und dessen Folgen sich die europäische Sicherheitspolitik remilitarisieren wird.
- 38:05 Min. - Russland ist eine revisionistische[wp] Macht, die die politische Konstellationen, die mit dem Jahreswechsel 1991/92 [einher gingen], rückgängig machen will, sprich revisitionistisch auftreten will. Die Verweise auf die territoriale Ausdehnung der Sowjetunion bzw. des Zarenreiches zeigen überdeutlich, dass es tendentiell um die Wiederherstellung eines Raumes geht, den es mal gegeben hat und dass Russland, nicht nur Putin, sondern offenbar auch ein erheblicher Teil der Bevölkerung unter dem, was ich post-imperiale Phantomschmerzen nenne, leidet. Post-imperiale Phantomschmerzen darum, weil - wie man aus der Kriegschirugie weiß - Leute häufig dort Schmerzen hatten, wo der Arm oder das Bein, das sie mal gehabt haben, schon längst amputiert ist. Aber genau das tut weh. Ja, und die Ukraine ist nun mal weg und genau das tut weh. Post-imperiale Phantomschmerzen betreffen aus Kreml-Perspektive vor allem Weißrussland und die Ukraine.
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