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Glaubhafte Abstreitbarkeit

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Hauptseite » Politik » Glaubhafte Abstreitbarkeit

Der Begriff glaubhafte Abstreitbarkeit (auch glaubhafte Bestreitbarkeit; englisch plausible deniability) bezeichnet eine Situation, die dann vorliegt, wenn eine Person oder eine Organisations­einheit ein Mitwissen bzw. eine Mitwirkung an moralisch verwerflichen oder strafbaren Vorgängen innerhalb ihres Einflussbereichs überzeugend dementieren kann und ihr somit keine Verantwortlichkeit nachgewiesen werden kann, unabhängig vom tatsächlichen Wahrheitsgehalt dieses Dementis[wp]. Der Begriff wurde von der CIA Anfang der 1960er Jahre geprägt und beschreibt die Strategie, hochrangige Beamte und Regierungs­mitglieder vor Strafverfolgung oder sonstigen negativen Konsequenzen zu schützen, für den Fall, dass illegale oder unpopuläre CIA-Aktivitäten öffentlich werden würden.[1][2]

In Analogie wird der Begriff inzwischen auch zur Beschreibung bestimmter Verschlüsselungs­techniken in der Informatik verwendet.

Politik

Glaubhafte Abstreitbarkeit bezeichnet in der Politik eine Doktrin[wp], die in den USA in den 1950er Jahren entwickelt wurde und in der damals neu gebildeten Central Intelligence Agency (CIA) zum Einsatz kam.

Der Doktrin zufolge sollten Führungs­strukturen und Befehlsketten[wp] so locker und informell beschaffen sein, dass sie im Bedarfsfall leicht abgestritten[wp] werden konnten. So koordinierte etwa ein Operations Coordinating Board, ein dem National Security Council angeschlossener geheimer Ausschuss, verdeckte Operationen der CIA oder Programme wie beispielsweise MKULTRA[wp]. Ein Repräsentant des US-Präsidenten in diesem Board, eine Funktion, die unter Präsident Eisenhower[wp] der Politiker und Industrielle Nelson Rockefeller[wp] einnahm, erlaubte es dem Präsidenten, über verdeckte Operationen stets informiert zu bleiben und gleichzeitig gegenüber dem US-Kongress eine "glaubhafte Abstreitbarkeit" für die zum Teil illegalen Aktionen zu wahren.[3] Damit sollte bezweckt werden, dass der CIA politisch heikle Aufträge von Macht­trägern bis zum Präsidenten selbst erteilt werden konnten. Der Urheber oder die schiere Existenz dieser Aufträge sollte aber bestritten werden können, wenn eine verdeckte Operation[wp] scheiterte oder wenn politischer Schaden befürchtet wurde, falls eine offizielle Stelle die Verantwortung übernahm. Diese Strategie wurde später auch bei anderen Organisationen angewandt.

Die Doktrin hat mehrere Nachteile. Zunächst ist ihr ein erhebliches Potenzial von Macht­missbrauch inhärent. Sie setzt voraus, dass die betreffenden Organisationen behaupten können, dass sie unabhängig gehandelt hätten. Dies läuft unweigerlich darauf hinaus, dass sie tatsächlich unabhängig handeln können, denn jedes Kontroll­instrument, welches die Unabhängigkeit begrenzte, wäre auch geeignet, heikle Anordnungen aufzudecken. Wird die Kontrolle auf eine nachträgliche Informations­pflicht der Organisation beschränkt, so ist der Empfänger der Information auf freiwillige Aussagen angewiesen, die im Zweifelsfall unvollständig oder falsch sind.

Schließlich funktionierte die Doktrin in der Vergangenheit häufig nicht, wenn sie angewendet wurde: Das Abstreiten eines Sachverhalts war nicht plausibel. Unabhängige Medien und die Öffentlichkeit durchschauten die wirklichen Zusammenhänge. Kritiker bezeichnen die glaubhafte Abstreitbarkeit auch als eine Form von Heuchelei[wp] bzw. als gezielte Desinformation.

Das bekannteste Beispiel des Scheiterns der Strategie ist die Watergate-Affäre[wp], in der es der Regierung nicht gelang, Präsident Richard Nixon[wp] von der Verantwortung für den Skandal zu entlasten. Ein weiteres Beispiel ist die Iran-Contra-Affäre[wp], in deren Verlauf der verantwortliche Sicherheits­berater John Poindexter[wp] alle Verantwortung auf sich nahm und damit den Präsidenten Ronald Reagan[wp] entlastete. Doch Poindexters Aussagen unterminierten die Autorität des Präsidenten: Sie vermittelten das Bild, dass dieser die Kontrolle verloren habe.[4]

Der Begriff wurde im Falle des nach offizieller Lesart von einem russischen Waffensystem abgeschossenen Passagier­flugzeuges MH17[wp] im Jahr 2014 wieder aktuell, als schon wenige Tage nach dem Abschuss die Bestrafung der Schuldigen als möglicherweise unwahrscheinlich bezeichnet wurde.[5] Nur im Falle der russischen Soldaten auf der Krim gab Präsident Putin persönlich die russischen Aktivitäten zu[6], während Russland im Falle der offensichtlichen militärischen Unterstützung der Rebellen in der Südostukraine die Strategie des Abstreitens verfolgt.[7]

Informationstechnik

In der Informationstechnik[wp] werden Mechanismen zur glaubhaften Abstreitbarkeit bei anonymen Peer-to-Peer[wp]-Netzen oder generell bei Daten­verschlüsselung eingesetzt, um den Ursprung oder das Vorhandensein von Informationen abstreiten zu können. Es sind Verfahren, um vertrauliche Daten oder den Ursprung von Daten zu verbergen, so dass deren Existenz oder Ursprung nicht nachgewiesen werden kann.

Eine frühe Implementierung glaubhaft bestreitbarer Verschlüsselung bot das von Julian Assange, Suelette Dreyfus[wp] und Ralf Weinmann 1997 entwickelte Dateisystem Rubberhose[wp].[8] Bekanntere, aktuellere Beispiele sind das anonyme, zensurresistente Netz Tor[wp], Freenet[wp] und die Datei­verschlüsselungs­software FreeOTFE[wp], VeraCrypt[wp] und TrueCrypt[wp]. Auch das Verschlüsselungs­prinzip des Off-the-Record Messaging[wp] (OTR) gewährleistet die glaubhafte Abstreitbarkeit.

Persönlicher Bericht

Zitat: «Zum ersten Mal habe ich von dem Begriff "Plausible Deniability" im Presseclub "Vorsicht Freund hört mit" am 7. Juli 2013 gehört, bei dem es um die intensiven Abhör­aktivitäten von Geheimdiensten wie der National Security Agency[wp] (NSA) und der Government Communications Headquarters[wp] (GCHQ) sowie weitere Offenlegungen, die wir dem Whistleblower Edward Snowden zu verdanken haben, ging.

"Plausible Deniability" sei ein Konzept, das die plausible Leugbarkeit ermöglicht. Nein, ich kannte PRISM[wp] nicht, kann man beispielsweise sagen, wenn einem der Projektname PRISM wohlweislich nicht mitgeteilt wurde. Das bedeutet jedoch nicht, dass man nichts von einer flächen­deckenden Ausspionierung von Daten wusste oder von dem, was der ausländische Geheimdienst sonst so tat. Es wurde vielleicht in Gesprächen ein anderer Name, z. B. ein Codename, verwendet, oder man fragte bewusst nicht nach, um sich später in eine Wolke der Unwissenheit hüllen zu können.

Als ich recherchierte, stellte ich fest, dass "Plausible Deniability" tatsächlich gar nichts Neues ist, bei Wikipedia gibt es längliche Ausführungen zur "Glaubhaften Abstreitbarket". "Plausible Deniability" ist ein Konzept der "Spuren­vermeidung" in der Politik, die in den USA in den 1950er Jahren entwickelt wurde: Führungs­strukturen und Befehls­ketten werden so gestaltet, dass sie bei Bedarf gut abgestritten werden können, so dass beispielsweise ein Politiker nicht zur Verantwortung gezogen werden kann.

Wenn ich nun lese, dass die Kanzlerin bei Fragen der Wochen­zeitung DIE ZEIT zum Thema Prism gesagt habe, sie habe vom US-Spionage­programm "durch die aktuelle Bericht­erstattung Kenntnis genommen" und auf die Verantwortung des Kanzleramts­ministers für Geheimdienste hinweist, erinnerte das doch unwillkürlich an das Konzept "Plausible Deniability" und irgendwie auch an Bill Clinton's "I did not have sexual relations with that woman". Hat sie möglicherweise nur den Namen PRISM nicht gekannt?

Wenn ich desweiteren lese, dass Bundes­innen­minister Friedrich[wp] sich dahingehend äußert, dass das deutsche Rechtssystem nicht betroffen sei, wenn Datenströme über ausländische Server laufen und die Daten deutscher Bürger und Unternehmen außerhalb von deutschem Boden ausspioniert werden, dann sieht er offensichtlich nicht den Gesprächsbedarf mit ausländischen Regierungen zu eben diesem international zu behandelnden Thema, nicht den Diskussions­bedarf mit eigenen Bürgern und nicht die Notwendigkeit, Bürger-/Menschenrechte, Wirtschaft (Stichwort Industrie­spionage) und Demokratie zu schützen. Die öffentlich geäußerte Empörung der amtierenden Regierungs­politiker anlässlich der Offenlegungen von Edward Snowden beziehen sich meines Wissens nur auf die verwanzten Botschaften und EU-Gebäude, nicht auf die Ausspionierung der ganz normalen Menschen.

Das ist nicht gut. Die zunehmende Digitalisierung schafft immer neue Möglichkeiten, uns zu überwachen. Es darf aber nicht sein, dass das angebliche "Neuland" zum rechts­freien Raum für die Politik wird, die die Verantwortung abschiebt, weil Verbindungen und Server außerhalb von deutschem Boden liegen und fremde Geheimdienste die Drecksarbeit erledigen, während man selbst seine Hände in Unschuld wäscht. Unsere Regierung muss offenlegen, was sie wann wusste und billigend in Kauf nahm. Wir müssen sicher sein, dass nicht mit Hilfe von Digitalisierung, länder­über­greifenden Netzen und "Plausible Deniability" mal eben Bürger- und Menschenrechte und die Demokratie ausgehebelt werden können.

Quellen und weiterführende Informationen

»[9]

Einzelnachweise

  1. National Security Council Directive on Covert Operations, NSC 5412, National Archives, RG 273.
  2. Klaas Voß: Washingtons Söldner - Verdeckte US-Interventionen im Kalten Krieg und ihre Folgen, Hamburger Edition HIS Verlagsges. mbH
  3. Gerard Colby, Charlotte Dennet: Thy Will be Done. The Conquest of The Amazon: Nelson Rockefeller and Evangelism in the Age of Oil. S. 263-266
  4. Das Watergate Gespenst ist verschwunden, in: Der Spiegel. Nr. 30, 1987, S. 86-89
  5. MH17: why the culprits may never be caught, The Telegraph am 27. Juli 2014
  6. Putin Has Committed Russia to a Risky Gamble, Bloomberg am 16. März 2018
  7. Will MH17 air crash damage Russia's Putin?, BBC am 23. Juli 2014
  8. Marcel Rosenbach[wp], Holger Stark[wp]: Staatsfeind WikiLeaks. Wie eine Gruppe von Netzaktivisten die mächtigsten Nationen der Welt herausfordert., Deutsche Verlags-Anstalt, München 2011, ISBN 3-421-04518-6, S. 51 f.
  9. Was läuft hier und wie ist das möglich? Eine Sammlung der div. Mittel/Waffen dieser verdrehten Welt, Eric-Schwarz-Site am 3. September 2017 (Hinweis: Diese Website ist derzeit privat.)


Dieser Artikel basiert auf dem Artikel Glaubhafte Abstreitbarkeit (25. Juni 2018) aus der freien Enzyklopädie Wikipedia. Der Wikipedia-Artikel steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Unported (CC BY-SA 3.0). In der Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar, die vor Übernahme in WikiMANNia am Text mitgearbeitet haben.