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Ziviler Ungehorsam
Ziviler Ungehorsam (von lateinisch civilis "bürgerlich"; deshalb auch bürgerlicher Ungehorsam) ist eine Form politischer Partizipation[wp], deren Wurzeln bis in die Antike zurückreichen.
Durch einen symbolischen, aus Gewissensgründen vollzogenen, und damit bewussten Verstoß gegen rechtliche Normen zielt der handelnde Staatsbürger mit einem Akt zivilen Ungehorsams auf die Beseitigung einer Unrechtssituation und betont damit sein moralisches Recht auf Partizipation. Die Normen können sich durch Gesetze, Pflichten oder auch Befehle eines Staates oder einer Einheit in einem staatlichen Gefüge manifestieren. Durch den symbolischen Verstoß soll zur Beseitigung des Unrechts Einfluss auf die öffentliche Meinungsbildung genommen werden. Der Ungehorsame nimmt dabei bewusst in Kauf, auf Basis der geltenden Gesetze für seine Handlungen bestraft zu werden.
Als moderne Väter des Konzepts gelten Henry David Thoreau[wp], Mohandas Karamchand Gandhi und Martin Luther King[wp].
Henry David Thoreau
Der Ausdruck ziviler Ungehorsam (im Englischen civil disobedience) wurde vom Amerikaner Henry David Thoreau[wp] in seinem Essay Civil Disobedience geprägt, in dem er erklärte, warum er aus Protest gegen den Krieg gegen Mexiko und die Sklavenhaltung keine Steuern mehr bezahlte. Thoreau befasste sich nicht direkt mit zivilem Ungehorsam, sondern mit den Gewissenskonflikten, die er als Bürger, Wähler und Steuerzahler auszutragen hatte. Militärischer Dienst im Krieg und die Bezahlung von Steuern stellen für Thoreau Fälle dar, in denen ein Bürger dem Staat aus Gewissensgründen den Gehorsam verweigern kann.
Ausgehend von der Auffassung, dass Regierungen künstliche Gebilde sind, die den Zweck haben, den Interessen des Volkes zu dienen, zielen seine Überlegungen zum zivilen Ungehorsam auf eine bessere Regierung: "Die rechtmäßige Regierungsgewalt [...] ist immer unvollständig: um nämlich unbedingt gerecht zu sein, muss sie Vollmacht und Zustimmung der Regierten haben." Ungerechte Gesetze und Handlungen müssten von redlichen Bürgern, die sich einem höheren Gesetz als der Verfassung oder dem der Mehrheit verpflichtet fühlten, auf ihre Legitimität überprüft werden. Diese Ideen bauen auf den Gründungsmythos der Vereinigten Staaten auf, der beinhaltet, dass Einzelne und Gruppen gegen alle Widrigkeiten Recht schaffen können, was sich unter anderem auch in den Federalist Papers von 1787/88 widerspiegelt.
John Rawls und Jürgen Habermas
In Anlehnung an die Fundierung des zivilen Ungehorsams im individuellen Gerechtigkeitsempfinden durch Thoreau beschreiben John Rawls[wp] wie auch Jürgen Habermas[wp] Akte zivilen Ungehorsams als kalkulierte Regelverletzungen symbolischen Charakters, die durch ihre Illegalität auf die Dringlichkeit des vertretenen Anliegens hinweisen sollen. Ziel sei es, die Mehrheit durch Appelle an deren Gerechtigkeitssinn und die Einsichtsfähigkeit aufzurütteln. Der zivile Ungehorsam stehe damit aus "guten Gründen in der Schwebe zwischen Legitimität und Legalität". Um eine Wirkung als ziviler Ungehorsam zu entfalten, müsse die jeweilige Handlung moralisch gerechtfertigt und auf das öffentliche Wohl gerichtet sein. Handlungen, die Partikularinteressen oder gar eigenen, individuellen politischen oder ökonomischen Interessen dienen, werden damit nicht als ziviler Ungehorsam bezeichnet. Nach Rawls wird er
- " in Situationen ausgeübt, wo man mit Festnahme und Bestrafung rechnet und sie ohne Widerstand hinnimmt. Auf diese Weise zeigt der bürgerliche Ungehorsam, dass er legale Verfahrensweisen respektiert. Der bürgerliche Ungehorsam bringt den Ungehorsam gegenüber dem Gesetz innerhalb der Grenzen der Rechtstreue zum Ausdruck, und dieses Merkmal trägt dazu bei, dass in den Augen der Mehrheit der Eindruck geweckt wird, es handele sich wirklich um eine Sache der Überzeugung und Aufrichtigkeit, die tatsächlich an ihren Gerechtigkeitssinn gerichtet ist."
Auch für Habermas muss der zivile Ungehorsam moralisch begründet und öffentlich sein, damit ausgeschlossen wird, dass Mitglieder der Gesellschaft ihn um eines persönlichen Vorteils willen ausüben. Dazu trage auch bei, dass der zivile Ungehorsam die Verletzung einer oder mehrerer Rechtsnormen beinhalte und diese Verletzung als illegal zu bestrafen sei. Erst nachdem die üblichen Verfahrensweisen in einem demokratischen Rechtsstaat versagt hätten, könne der bürgerliche Ungehorsam eine letzte Zuflucht darstellen und sei damit keine normale politische Handlung. - Im Normalfall müssten die institutionellen Möglichkeiten, gegen getroffene Entscheidungen vorzugehen, etwa durch Befolgung des Rechtsweges, ausgeschöpft sein. Es seien aber auch Fälle denkbar, in denen die Institutionen übersprungen und direkt zum Mittel des zivilen Ungehorsams übergegangen werden müsse. Für Habermas steht der demokratische Rechtsstaat "vor einer paradoxen Aufgabe: Er muss das Misstrauen gegen ein in legalen Formen auftretendes Unrecht schützen und wachhalten, obwohl es eine institutionell gesicherte Form nicht annehmen kann." Wie schon für Thoreau ist der zivile Ungehorsam für Habermas als "Element einer reifen politischen Kultur" ein Instrument zur Verbesserung des Staates.
Satyagraha
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts entwickelt Mohandas Karamchand Gandhi aus einer indischen Tradition heraus seine Lehre des Satyagraha[wp] - nicht als Philosoph oder Theoretiker, sondern als ein Handelnder, der ein Anliegen hat. Insofern steht er in der Tradition von Thoreau, allerdings liegt sein Handeln in den religiösen Ideen des Hinduismus[wp] und des Jainismus[wp] begründet.
Der zivile Ungehorsam ist für Gandhi eine Methode, die in einem größeren Zusammenhang ihre Wirkung entfaltet. Die Strategie des Satyagraha soll die Gefühle und das Gewissen des jeweiligen Adressaten ansprechen. Durch Vermeiden von Gewalt (Gewaltlosigkeit), begleitet von der Bereitschaft, Schmerz und Leiden auf sich zu nehmen, will Satyagraha den Gegner von der Falschheit seiner Handlung überzeugen: "Das Ziel des Satyagrahi ist den falsch Handelnden zu bekehren, nicht zu bezwingen."[1]
Für die Ausübung zivilen Ungehorsams im indischen Unabhängigkeitskampf[wp] stellt Gandhi klar, dass er ohne vorherige Planung und ein ergänzendes "constructive programme" nur Abenteurertum darstelle, und damit alleine schlimmer als nutzlos sei.[2]
Griechische Mythologie
Auch in der griechischen Mythologie sind Beispiele für Zivilen Ungehorsam zu finden.
So versagt laut Hesiod (um 700 v. Chr.) beispielsweise der höchste olympische Gott Zeus[wp] den Menschen das Feuer. Der Titan Prometheus[wp], der zuvor die Menschen geschaffen hat, ist der Meinung, dass die Menschen ein Recht auf die Nutzung des Feuers hätten. Deshalb bringt er es den Menschen und widersetzt sich mit dieser Handlung dem göttlichen Recht des Zeus.[3] Zur Strafe wird der unsterbliche Prometheus im Kaukasus an einen Felsen gefesselt und muss es erdulden, dass der Adler Ethon jeden Tag von seiner Leber frisst, bis er später von Herakles[wp] befreit wird.[4]
In Sophokles' Tragödie Antigone[wp] (442 v. Chr.) beerdigt die Protagonistin ihren Bruder Polyneikes entgegen dem Befehl ihres Onkels, des Königs Kreon. Auch hier übt eine Frau, die sich in ihrem Akt gewaltfrei einem höheren Recht verpflichtet fühlt, zivilen Ungehorsam. Sie stellt sich damit offen gegen den Befehl ihres Onkels, behauptet, moralisch richtig gehandelt zu haben, und ist bereit, sich der weltlichen Rechtsprechung durch Kreon zu unterwerfen und für ihre Tat zu büßen.[5] Sie verweist darauf, dass diese weltliche Rechtsprechung nicht durch göttliches Recht gedeckt ist.
Die erste Beschreibung einer pazifistisch inspirierten Sitzblockade[wp] gibt Aristophanes[wp] in seiner Komödie Lysistrata[wp] (411 v. Chr.): Die Frauen Athens wollen das Ende des peloponnesischen Krieges[wp] mit Sparta erzwingen, indem sie den Zugang zum Parthenon, der Schatzkammer Athens, durch eine Art Sit-in[wp] verwehren, um damit dem Krieg die materielle Grundlage zu nehmen. Zusätzlichen privaten Druck üben sie auf ihre Männer durch gemeinsam abgesprochene sexuelle Verweigerung aus.[6]
Einzelnachweise
- ↑ "The Satyagrahi's object is to convert, not to coerce, the wrong-doer." Gandhi, M. K.: Requisite Qualifications, in: Harijan, 25. März 1939
- ↑ Mohandas K. Gandhi: Constructive Programme. It's Meaning and Place, Ahmedabad 1941
- ↑ In seiner Handlung ordnet Prometheus das göttliche Recht des Zeus wiederum einem Vernunftrecht unter.
- ↑ vgl. Daube, David: Civil Disobedience in Antiquity, S. 60.
- ↑ Vgl.: Edward H. Madden: Civil Disobedience in: Dictionary of the History of Ideas, Vol. 1, S. 435.
- ↑ Aristophanes: Lysistrate; vgl. auch: Edward H. Madden: Civil Disobedience in: Dictionary of the History of Ideas, Vol. 1, S. 435.