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Systemegoismus
Systemegoismus nennt Hubertus Mynarek[wp] den Willen großer politischer, ökonomischer, finanzieller, militärischer etc. Institutionen, ihre Macht um jeden Preis zu erhalten, durchzusetzen und zu vermehren. Auch anerkannte Demokratien sind von diesem Systemegoismus nicht frei. Immer wieder und auf den verschlungensten Schleichpfaden versuchen auch sie, die Freiheit und die Rechte ihrer Bürger zu beschneiden oder einzuschränken. Das Unwesen der Beherrschung, Ausbeutung und bürokratisch-anonymen Verwaltung von Menschen durch Menschen ist auch im so genannten demokratischen Rechtsstaat eine permanente Gefahr und zumindest partiell eine reale Erfahrung der Staatsbürger.
Einen charakteristischen Aspekt dieses Systemegoismus könnte man folgendermaßen umschreiben: Was ist (im Sinne eines etablierten Systems), will sein; obwohl Ernst Bloch[wp] recht hat mit seiner Kritik am Vorhandenen: "Was ist, kann nicht wahr sein". Die Mittel, deren sich ein System bedient, um sich an der Macht, in seinem Ist-Zustand zu behaupten, stehen dabei in Bezug auf das Maß ihrer Brutalität in einem direkten Abhängigkeitsverhältnis von seinem ideologischen, ökonomisch-finanziellen, militärischen und administrativen Machtpotential und dessen faktischer Effizienz. Der Selbstbehauptungs- und Überlebenswille eines Systems ist dabei auch zugleich sein Herrschaftswille, der jede zum Überleben notwendig erscheinende Repression einschließt und im Sinne der obersten Wertkategorie der Systemerhaltung heiligt. Auch die Verbrechen der Systemerhalter, der Staatstragenden, der Konzernchefs etc. erhalten dann einen höheren Sinn: "Der Zweck heiligt die Mittel!"
Konsequenter- und logischerweise versucht also jedes System, sich einen Heiligenschein zuzulegen, um seine Macht zu stabilisieren und zu steigern. Das gilt selbst für vom Ansatz und Start her a- oder anti-religiöse, also profane, säkularistische und atheistische Systeme. Sie alle nehmen mit der Zeit eine quasi-religiöse Färbung an, erhöhen und überhöhen sich mithilfe pseudo-religiöser Lehrsätze, Symbole, Rituale. Warum tun sie das? Weil den Machthabern, den Herrschenden, den Macht Anstrebenden das religiöse Element innerhalb ihres ideologischen Fundamentalismus als das erscheint, wodurch sie die Massen im Innersten, im Gewissen, am stärksten und verbindlichsten verpflichten, an ihn festbinden und festnageln können. Ein Stalinismus, ein Hitlerismus, ein Maoismus, ein Saddam Husseinismus usw. nimmt zwangsläufig mit der Zeit religiös-bombastische, absolutistisch-göttliche Züge an, weil selbst das perfekteste Orwellsche Überwachungssystem im Hinblick auf die zu beherrschenden Massen noch Lücken aufweist, im Vergleich zu dem die Gewissen und das Innerste bewegenden Religiös-Göttlichen (das "in die Herzen schaut") noch ein zu äußerliches, zu wenig greifendes und fesselndes Korsett bleibt. Marx[wp] sah richtig, als er die Kritik der Religion als "die Voraussetzung aller Kritik" bezeichnete, weil auch alle profan-autonomen Bereiche wie Politik und Gesellschaft, Wirtschaft und Finanzwelt, Industrie und Technik die Tendenz haben, sich einen "Heiligenschein" zuzulegen, sich mit einer religiösen Aureole und Gloriole zu schmücken, um ihre negativen Aspekte zu verschleiern, mehr Durchschlagskraft zu gewinnen, höhere Ansprüche stellen zu können.[1]
Zitat: | «Der sachorientierte Zugang zur Realität und die ordnungszentrierte Einstellung wirkten sich so aus, dass Macht, Machterhaltung und Expansion wichtiger wurde als die Menschen, für die dieses System geschaffen wurden. Außerdem hatten diese Herrscher fast keinen Zugang zu ihren Untertanen. Sie wurden von den "Höflingen" beeinflussst und gesteuert. Aber nicht nur früher, heute sind die Herrscher eben in anderen Großsystemen tätig. Sie haben die gleichen Interessen: Machtausbau, Expansion, Gewinn und haben keinen Kontakt zu ihren eigenen "Untertanen-Mitarbeitern". Je größer und internationaler so ein System ist, desto größer sind der Systemegoismus und die Entpersonalisierung der Führungsstrategien. […] Der Systemegoismus schlägt überall zu. Es ist daher wichtig, die anderen beiden Komponenten in unserer Gesellschaft wirksam werden zu lassen. Dies sind Personenzentrierung und Kreativität.» - [2] |
Querverweise
Einzelnachweise
- ↑ Prof. Dr. Hubertus Mynarek: Gedanken zur Logik der Macht, Veröffentlicht in Aufklärung und Kritik 1/1998, S. 27-33
- ↑ Anneliese Fuchs: Endlich Kooperation: Verbindung von Männlichem und Weiblichem in uns und in der Gesellschaft, Böhlau 2009, ISBN 3-205-78425-1, S. 164f.