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Rechtfertigungstennis

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Hauptseite » Sprache » Wörterbuch » Rechtfertigungstennis

Das Schlagwort Rechtfertigungstennis (Wortzusammen­ziehung aus den Begriff Rechtfertigung und dem Namen der Sportart Tennis) bezeichnet einen Austausch von Argumenten, die der Rechtfertigung des eigenen Standpunktes dienen sollen. Der Ausdruck spielt darauf an, dass es beim Tennis oft lange Ballwechsel gibt ohne Punktgewinn, sowie die Spiele oft stundenlang gehen können, mit Punktgewinn auf der einen und dann wieder auf der anderen Seite.

Zitat: «Irgendwie artet der Versuch, die Dinge zu ordnen, in einem Rechtfertigungstennis für den Wahnsinn aus, der im Nahen Osten die letzten sechs Jahrzehnte dominiert hat und in der unfassbaren Barbarei gipfelt, den wir derzeit beobachten können. Nicht zuletzt sind wir als Beobachter aus der Ferne, Teilhaber eines Medien­kriegs, der vor allem das Schicksal der Kinder ausbeutet. Wie ich eingangs erwähnte, finde ich die vielen toten Kinder furchtbar, ach, das alles macht mich betroffen. Aber Emotionen sind selten gute Berater, wenn man versucht, die Dinge zu ordnen.

Und vielleicht ist Gaza eines der Dinge, die sich nicht aus der Ferne ordnen lassen, egal, wie tief man gräbt. Ich versuchte es und öffnete die Büchse der Pandora[wp]. Jedes Mal, wenn ich zu verstehen glaubte, weshalb die Palästinenser so fühlen, entdeckte ich etwas, das meine Sympathie in Richtung Israel lenkte. Und andersherum. Und dann klappte ich meinen Macbook zu, weil Sympathien das letzte sind, was man beim Begreifen eines Konfliktes zu Rate ziehen sollte.

Ich betreibe mit indub.io einen Blog, in dem ich mich mit vielen politischen und gesell­schaft­lichen Themen aus­einander­setze. Zu vielen Sachverhalten meine ich mir nach stunden­langen Recherchen eine Meinung oder gar einen Standpunkt erlauben zu können. Aber was Gaza, was Israel und die Palästinenser betrifft, bin ich mit meinem Latein am Ende. Mein Wortschatz geht in diesem Fall über ein "Ich finde das alles total grausam und ich wünsche mir Frieden für alle" nicht hinaus. Weil jede Tür, die ich während meiner Recherchen öffnete, nur noch mehr aufzeigte, dass es bei dieser Geschichte unmöglich scheint, einen gemeinsamen Nenner, einen Frieden zu finden.» - Misha Anouk[1]

Beispiele

Zitat: «Fast noch possierlicher als diejenigen, die sich mit ihren "Free Palestine"-Rufen vorgeblich auf die Seite der Unterdrückten schlagen und in Wahrheit schon ganz genau wissen, wen und was sie damit unterstützen, finde ich ja diejenigen, die sich aus dem Ganzen raushalten wollen - wehewehe, man weiß ja nicht, wer da wirklich die Guten sind, evtl. bleibt sogar an mir was hängen, wenn ich mich einseitig solidarisiere, können wir das hier in Europa überhaupt alles recht durchschauen? Das sieht dann so aus, daß man entweder "den Nahost­konflikt" beklagt, als objektives Faktum, als Naturschauspiel, auf das man keinen Einfluß hat, wie den Monsun oder den Borkenkäfer. Aus diesem Lager stammt dann die Phrase von den "Hardlinern auf beiden Seiten". Oder man legt ganz pathetisch die Hände in den Schoß, wie es Misha Anouk [siehe oben, d. Red.] getan hat - ignoramus, ignorabimus.

[...] Ich jedenfalls glaube nicht, daß ein Deutschland, das siebzig Jahre im Krieg mit einem Nachbarn gelegen hätte, über eine derart fortschrittliche Gesell­schafts­politik wie Israel verfügte (Homoehe, Abtreibung, Adoption etc.), die im übrigen in den meisten Bereichen weiter ist als Deutschland und die USA.

Kurz und gut: Wer vom deutschen Antisemitismus sprechen will, darf vom Antizionismus nicht schweigen. Und: Es ist gar nicht so kompliziert, für Israel zu sein. Tendenziell. Nur ein bisserl. Nicht mehr als nötig. Und sei es nur angesichts der Zustände in Deutschland.» - Leo Fischer an Misha Anouk[2]

Zitat: «Obwohl ich auf der entgegengesetzten Seite stehe, kann ich lustigerweise den Ärger über die Raushalter und Neutralisten auch aus meiner Sicht weitgehend nachvollziehen.

Aber in einem Krieg die Sympathien danach zu verteilen, wer demokratischer oder sonstwie fortschrittlicher ist, scheint mir zu kurz gedacht. So hat sich früher der ganze Kolonialismus gerechtfertigt ("Zivilisation" gegen "Barbarei").» - Anonym an Leo Fischer[3]

Zitat: «Ach, Herr Fischer, Sie und Ihr possierliches, selbstgefällig-naives Weltbild. Muss alles so einfach sein, wenn alles schwarzweiß ist. Die gleiche hanebüchene Logik entdeckt man ja auch bei den Teilnehmern der Pro-Gaza-Demos und den Hamas-Anhängern in den Kommentaren, bloß andersrum. Ich verstehe, dass das vermutlich schwer nachvollziehbar ist, aber die Position, keine Seite ergreifen zu wollen ist nicht gleichbedeutend mit stillschweigender Duldung oder gar Unterstützung was auch immer Sie mir da unterschieben wollen. Einfach gemacht hat es da nur eine Person: Sie.» - Misha Anouk an Leo Fischer[4]
Zitat: «Willst du hiermit sagen, das Töten unschuldiger Kinder in Gaza ist akzeptabel, solange Israel die Homoehe erlaubt?» - Sarah an Leo Fischer[5]
Zitat: «@Sarah: Willst du hiermit sagen, das Töten unschuldiger Schwuler in Gaza ist akzeptabel, solange die Hamas die Zwangsheirat Minderjähriger durchsetzt?» - Anonym an Sarah[6]
Zitat: «Homosexuelle dürfen in Israel nicht heiraten, weil es keine Zivilehe[wp] gibt.
Trotzdem guter Kommentar.» - Anonym an Leo Fischer[7]
Zitat: «Sorry, aber ich habe es schon lange aufgegeben, mich in diesem Konflikt für eine Seite zu engagieren. Das ist doch wie bei streitenden Geschwistern - und da appelliert man ja auch meist an den Größeren, Vernunft zu zeigen.

Auf beiden Seiten sitzen Scharfmacher, die über das "Auge um Auge, Zahn um Zahn" nicht rauskommen: und auf israelischer Seite sind das sicher keine Befürworter der Homoehe.

Ich kann weder verstehen, warum die Palästinenser nicht endlich die Hamas zum Teufel jagen, noch warum Israel immer wieder mit dem Bau neuer Siedlungen provozieren muss. Aber das geht seit Jahrzehnten so, da kann ich mich wirklich nicht mehr darüber aufregen.

Und gemeinsame Demos von Nazis, Islamisten und einem Teil der Linken sind ja eine Groteske für sich ...» - Anonym an Leo Fischer[8]

Zitat: «Man kann es auch übertreiben. Als es die Staaten­gebilde der heutigen Zeit in der Ecke noch nicht gab, lebten die Stämme friedlich nebeneinander. Kleine Scharmützel gab und gibt es immer mal. Nur, was ließ Herodes dazu hinreißen, dass er damals die Stämme der Judäer verfolgte? Waren es schon damalige Expansions­gelüste der Judäer? Schaut man sich heutige Nachrichten­portale an, präsentieren sich viele israelische Politiker und Siedler wie Nachfolger einer Herrenrasse. Sie alle könnten da unten in Frieden leben, wenn sich auch der Staat Israel zurücknehmen würde. Der Zankapfel sind die Siedlungs­gebiete.» - Bunte Welt an Leo Fischer[9]
Zitat: «Was für ein Getöse, um eine wackelige These gegen das Heer der Unent­schlossenen durchzudrücken. Das meiste tausendmal gehört, wie immer gallig und unscharf. Und vor allem bequem, pseudo-radikal und dank polemischer Überdeterminierung davor gefeit, sich politisch je beim Wort nehmen lassen zu müssen.

Das Böse ist böse und nur böse, und alles außer Krieg ist Appeasement, also die Inkaufnahme eines zweiten Auschwitz. Die Tautologie[wp] als analytische Figur.

Solche Aneinanderreihungen von Killerphrasen sind der Tod jedes Diskurses, und genau das wollen sie auch sein: Die Abweichung vom gesetzten Dogma wird als Ausdruck des angeblich antisemitischen Unterbewussten des Kontrahenten "entlarvt" und triumphierend herumgereicht. Da es auch nicht um die Kritik einer ganz bestimmten Position (hier: das Problematische an einer - unterstellten - Äquidistanz) geht, sondern um das Durchdrücken der eigenen, naiven Vorstellung von "bewaffnetem Antifaschismus" in Zeiten der globalen negativen Aufhebung usw. usf., wird schnurstracks ein gutdeutscher Pappkamerad gebastelt, der mit Schlaumeiers Schrotflinte und ordentlich viel Pulverdampf zur Strecke gebracht wird. Lustvoller Ekel fürs staunende Publikum.

Diese Art antideutscher Tirade schreibt sich, mit etwas elaboriertem Code, von selbst. Thema beliebig, Tenor und Adressat austauschbar.

Das Schlimme: Die K-Gruppen und ihre antideutschen Zerfalls­produkte haben diese Art von Polemik schon X-mal bis zum Erbrechen vorexerziert und sich immer wieder zu hanebüchenen Thesen verstiegen, die ihnen im Nachhinein keiner vorhält, weil sie irgendwie sexy klingen und gegen irgendeinen deutschen linken Spießer gerichtet sind, der man angeblich selber nicht ist, auch wenn man bei den Grünen, der SPD oder der FAZ anschaffen geht.

Das ist Deutsches Kabarett, wo es eigentlich Aufklärung und Diskurs hätte sein können. Schade.» - Bolus Krim an Leo Fischer[10]

Zitat: «Begründete Nachdenklichkeit mit "Neutralität" oder gar "Raushalten" zu verwechseln - darauf muss man erstmal kommen.» - Anonym an Leo Fischer[11]
Zitat: «Die Replik des Herrn Fischer ist zugegebenermaßen sprachlich recht gelungen, wodurch man sich als Leser leicht beeindrucken und Substanz unterjubeln lässt, die in dem Umfang, wie sie vorgetäuscht wird, nicht da ist. Eine konstruktive Kritik ist willkommen, aber dann bitte fundiert und nicht so schwach, ja, geradezu schlampig begründet wie in diesem Fall. Herr Leo G. Fischer hat anders als der Großteil der nunmehr fast 25.000 Leser des kritisierten Artikels meine Intention nicht verstanden: Es geht nicht um das Abwenden vom Konflikt, sondern um ein Innehalten, um Besinnung, um den Verzicht auf eine öffentliche Zurschau­stellung einer Parteinahme, wie sie derzeit überall auf allen Seiten zu beobachten ist und sehr gut im zitierten Tweet von der Regisseurin Lexi Alexander[wp] repliziert wird.

[...] Wo soll ich anfangen? Dass Herr Fischer das Zwei-Staaten-Konzept, das von den meisten politischen Instanzen und vielen Juden in der Diaspora allgemein als beste Lösung betrachtet wird, spöttisch ohne jedes Argument abtut - ein Spott, der das rechts­populistische Schimpfwort "Gutmensch" spiegelt? Was ist daran schlimm, sich von allen Seiten Frieden zu wünschen? Was soll ich davon halten, dass Herr Fischer sich mehr Empathie für Israel wünscht, in meinem Text vorgefundene Argumente dann aber verhöhnt und abwertet? Was letztendlich nur zeigt, aus welcher hilflosen Position heraus er argumentiert. [...]

[...] Natürlich formuliere ich meine Hilflosigkeit, aber an keiner Stelle impliziere ich eine Alleinschuld Israels, sondern schiebe es auf die komplizierte Gesamt­situation. Auch da fehlt mir das Argument, was daran falsch sein soll. Und des Weiteren ist die Sprache und der Standpunkt des Absatzes ein hervorragendes Beispiel für das hohe moralische Ross, das Herr Fischer reitet. Dunning-Kruger-Effekt, ick hör dir trapsen. Klassisches White-Savior-Syndrom: Als Deutscher in einem Nicht­deutschen-Konflikt zu meinen, eine Deutungshoheit haben zu können, wie sie Leo Fischer sie für sich beansprucht [...]

[...] Das nenne ich Ignoranz und ist letztendlich eine kolonialistische Moral-Haltung, nämlich: Der Glaube, als Weißer und aus der Ferne das Ganze verstanden und durchdacht zu haben. Das ist auch in diesem Fall natürlich eine berechtigte Meinung, aber in meinen Augen recht anmaßend - vor allem, wenn man dann den anderen so eklatant verurteilt, wie es der Herr Fischer in Bezug auf mich tut.

Dann finde ich es natürlich äußerst lustig, dass ein Titanic-Redakteur nicht den ironischen Einsatz der Fußball­felder erkennt, auf den ja zudem im Titel (Gaza ist kein Bolzplatz) und im Anselm-Neft-Zitat Bezug genommen wird - diesen Zusammenhang zu erkennen, erwarte ich von einem Autoren vom Format eines Leo Fischers. [...]

Das Problem war ja im Übrigen nie, dass Herr Fischer eine andere Meinung hat, um Gottes Willen, sondern dass er aus seiner fast schon religiös-fanatisch anmutenden, schwarzweißen Perspektive eine moralische Überlegenheit ableitet, die aus jedem Absatz trieft.

[...] Und dann die größte Frechheit überhaupt: Aus meiner Position der versuchten Neutralität latenten Antisemitismus abzuleiten und mir vorzuwerfen. [...]

Der gesamte Text ist ein Trauerspiel, aber ich verstehe aufgrund seines sprachlichen Talents, weshalb man da als Leser drauf reinfällt. Leo G. Fischer reicht es nicht, anderer Meinung zu sein, ihm geht es darum, mittels Ad Hominem[wp], mereologischer Fehlschlüsse[ext] und einem satten Non Sequitur[wp] am Schluss den anderen Blickwinkel, meinen, abzuwerten. [...]

Und wenn dieser Standpunkt wie im Falle des Herrn Fischer EINZIG mit dem Argument begründet wird, dass man aufgrund des grassierenden Antisemitismus pro Israel sein muss, grenzt das an Verzweiflung, was ja schon aus der deplatzierten Polemik abzuleiten ist.

[...] Es ist traurig, dass es Herrn Fischer offenbar gelungen ist, die eine oder andere seiner Leser und Fans mit seinem Sprachtalent zu täuschen. Mir geht es nicht darum, Recht zu haben. Ich kenne die Schwächen meiner Position selbst; sie ist eine Moment­aufnahme. Aber ich wünsche mir, dass man sich ein wenig mehr Mühe gibt, wenn man mich schon kritisiert.» - Misha Anouk an Leo Fischer[12]

In ganz anderem Zusammenhang:

Zitat: «Vor allem wir Frauen kennen dieses "Rechtfertigungs­tennis" oder den "Ausreden-Tango". Wir rechtfertigen uns entweder vor anderen oder vor uns selbst.» - Laura Rosenberger[13]

Einzelnachweise

  1. Misha Anouk: Gaza ist kein Bolzplatz: Warum ich mich aus Diskussionen um den Nahostkonflikt zurückziehe, indub.io am 23. Juli 2014
  2. Leo Fischer: It's complicated!, Magie für den Mittelstand am 26. Juli 2014 (Eine Widerrede)
  3. Kommentar von Anonym am 26. Juli 2014 um 17:37 Uhr
  4. Kommentar von Misha Anouk am 26. Juli 2014 um 19:32 Uhr
  5. Kommentar von Sarah am 27. Juli 2014 um 03:53 Uhr
  6. Kommentar von Anonym am 27. Juli 2014 um 12:49 Uhr
  7. Kommentar von Anonym am 27. Juli 2014 um 14:46 Uhr
  8. Kommentar von Anonym am 27. Juli 2014 um 08:20 Uhr
  9. Kommentar von Bunte Welt am 27. Juli 2014 um 09:52 Uhr
  10. Kommentar von Bolus Krim am 30. Juli 2014 um 12:20 Uhr
  11. Kommentar von Anonym am 30. Juli 2014 um 17:33 Uhr
  12. Misha Anouk: Meine Antwort auf den Beitrag "It's Complicated" von Leo G. Fischer, der auf meinen Gaza-Beitrag Bezug nimmt, indub.io am 27. Juli 2014 (Eine Antwort auf die Widerrede)
  13. Laura Rosenberger: Ziel: Abnehmen. Weg: Deiner. - Entdecke deinen Figurtypen und erreiche deine Traumfigur, 2016

Netzverweise

  • Etgar Keret[wp]: Nahost-Konflikt: Israel kann nicht siegen, FAZ am 22. Juli 2014 (Alle, die anders denken, gelten als Saboteure: Wie die Gedankenpolizei meine Heimat dominiert und warum sich die wahren Probleme nicht einfach wegbomben lassen.) (Es ist schlimm, einen Fehler zu machen, der viele Menschenleben kostet. Noch schlimmer ist es, ihn zu wiederholen. Vier militärische Operationen, viele Tote - und wir sind wieder am selben Punkt wie zuvor. Das Einzige, was sich ändert, und zwar zum Schlechteren, ist die Fähigkeit der israelischen Gesellschaft, mit Kritik umzugehen.)