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Wortergreifungsstrategie

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Hauptseite » Sprache » Diskurs » Wortergreifungsstrategie
Unter der Wortergreifungsstrategie versteht man ein Verhalten von Rechtsextremen. Dabei gehen sie gezielt zu Veranstaltungen von Demokraten, um dort entweder durch häufige Zwischenfragen den Ablauf der Veranstaltung zu stören, oder um ihre eigenen Thesen einem mehr oder weniger interessierten Publikum mitzuteilen. Diese Strategie wurde bereits in verschiedenen Bundes­ländern angewendet.

Wird zu einer Veranstaltung öffentlich eingeladen, so kann man Neonazis nur schwer den Eintritt verweigern, wenn man sich vorher nicht rechtlich abgesichert hat. In Berlin drucken viele Initiativen einen so genannten Aus­schlus­ssatz auf Plakate, Flyer und Veranstaltungs­hinweise, wenn sie sich das Recht vorbehalten wollen, Neonazis aus ihrer eigenen Veranstaltung zu entfernen oder ihnen von Anfang an den Zutritt zu verwehren. Dieser Satz muss ebenfalls zu Beginn der Veranstaltung am Eingang befestigt sein, damit allen Besuchenden die Bedingungen klar sind. Der Satz lautet:

"Ausgeschlossen von der Veranstaltung sind Personen, die Organisationen der extremen Rechten angehören, der Szene der extremen Rechten zuzuordnen sind, oder bereits in der Vergangenheit durch rassistische, nationalistische, antisemitische oder sonstige Menschen verachtende Äußerungen in Erscheinung getreten sind. Die Veranstaltenden behalten sich vor, von ihrem Hausrecht[wp] Gebrauch zu machen und diesen Personen den Zutritt zur Veranstaltung zu verwehren oder von dieser zu verweisen."

Mehr Informationen

Heinrich-Böll-Stiftung[1]
Wortergreifungsstrategie

Die "Wortergreifungsstrategie" ist ein politischer Kampfbegriff der extremen Rechten. Er bezeichnet die gezielt ausgeführte Konfrontation rechts­extremer Kräfte mit Vertretern der demokratischen Zivil­gesellschaft in der Öffentlichkeit. Dabei werden besonders Diskussions­runden und kulturelle Veranstaltungen ins Visier genommen. Maximales Ziel ist die Eroberung der Meinungs­führer­schaft, minimales die Verunsicherung der Beteiligten.

Ein Beispiel: Auf einer Podiumsdiskussion der Friedrich-Ebert-Stiftung in Friedrichs­hafen im Juli 2007 erschienen mehr als ein Dutzend schwarz gekleidete Rechts­extreme. Hinzu kamen einige unauffällig gekleidete junge Anhänger, die die Diskussion mit Wort­beiträgen über die angebliche Verfolgung und Kriminalisierung von NPDlern unterbrachen.

In einer vom NPD-Vorstand 2006 heraus­gegebenen "Hand­reichung für die öffentliche Aus­einander­setzung" unter dem Titel "Argumente für Kandidaten & Funktions­träger" beschrieb der damals amtierende Bundes­vorsitzende der NPD Udo Voigt[wp] sehr deutlich das Ziel dieses Vorgehens: "Es wird immer schwieriger, eigene NPD-Veranstaltungen in Deutschland durch­zu­führen. Besuchen wir daher im Sinne der Wort­ergreifungs­strategie die Veranstaltungen des politischen Gegners." Und weiter: "Doch sobald er eine öffentliche Veranstaltung macht, müssen National­demokraten vor Ort sein, um etablierte Politiker und Kandidaten zur Rede zu stellen."

Der Begriff selbst stammt aus dem Umfeld der NPD und umfasst im rechts­extremen Jargon die Absicht die Deutungshoheit über soziale, politische und historische Themen zu erlangen sowie Agitation in eigener Sache zu betreiben. Die Strategie, das Wort zu ergreifen und ein Thema mit rechten Ideologien zu besetzen, verfolgt darüber hinaus das Ziel, demokratischen Kräfte durch ihre eigenen Mittel bloß­zu­stellen und zu schwächen. Durch trainierte Rhetorik werden die Diskussions­partner gezwungen, klare Sach­verhalte zu wiederholen, permanent neu zu begründen und zu verteidigen.

Die Wortergreifung und dabei der vermeintliche Dialog sind Teile der Normalisierungs­strategie der Rechts­extremen. Diese zielt darauf ab, das Image vom schlagenden Skin zum argumentierenden "guten Bürger" hin zu verändern, um damit dem "Kampf um die Köpfe" zu gewinnen. Dennoch kommt es auf Veranstaltungen neben plumpen Störungen und Zwischen­rufen oft immer noch zu gewalt­tätigen Aus­ein­ander­setzungen.

Um diese Angriffe auf unsere demokratischen Grundwerte zu verhindern, ist es unerlässlich sich bereits vor dem Stattfinden von Veranstaltungen mit Gefährdungs­potential über die Abwehr solcher Störungen zu informieren. Im Internet finden sich zum Beispiel unter dem Stichwort "Streiten mit Neonazis" nützliche Hinweise und Hand­reichungen. Letztlich ist der Dialog mit dialog­unwilligen, rhetorisch geschulten Rechten von Beginn an zum Scheitern verurteilt. Dennoch weisen Aussteiger nach­drücklich daraufhin, dass sie durch über­zeugende Gegen­argumente zum Nachdenken gebracht wurden.

Verfasst für das Glossar der Bundeszentrale für politische Bildung im Dossier Rechtsextremismus 2010[2]

Weitere Quellen

Zitat: «Eine so genannte Wortergreifung ist das gezielte und ostentative Erscheinen von Rechts­extremisten auf oder am Rande von öffentlichen Veranstaltungen (zum Beispiel Versammlungen, Demonstrationen, Vorträgen, Podiums­diskussionen), die gerade nicht von Rechts­extremisten organisiert worden sind. Das Spektrum der potenziell betroffenen Veranstalter ist breit: Es umfasst unter anderem Parteien, Bürger­initiativen, Vereine oder staatliche Einrichtungen. Das Themen­spektrum der Veranstaltungen, auf denen Rechts­extremisten bevorzugt "das Wort ergreifen", ist dagegen etwas über­sichtlicher, scheinen hier doch Veranstaltungen zum Thema "Rechtsextremismus" stärker im Fokus zu stehen als andere. Wort­ergreifungen erfolgen also auf fremdem Terrain, aber häufig in eigener Sache. Bei diesen Aktionen lassen es Rechts­extremisten meist nicht bei bloßer Präsenz bewenden, sondern versuchen auch, durch Diskussions­beiträge oder in anderer Weise ihre Positionen vorzubringen, beispielsweise durch das Skandieren von Parolen, das Entrollen von Transparenten oder das Verteilen von Propaganda­material.» - Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg[3]
Zitat: «Wenn Neonazis bei Veranstaltungen auftauchen, die sie nicht selbst organisiert haben, geht es ihnen meistens nur um eins: Mit allen Mitteln zu Wort zu kommen. Gelingt ihnen das nicht, werden sie oft bedrohlich und gewalttätig.

Dort, wo man ihnen das Wort überlässt, geht es ihnen nicht um einen Austausch von Argumenten, sondern um die ungehinderte Verbreitung ihrer Propaganda. Für dieses Vorgehen haben sie einen Begriff erfunden: Wortergreifungsstrategie - Anetta Kahane-Seite[4]

Einzelnachweise

  1. KommunalWiki: Wortergreifungsstrategie (Heinrich-Böll-Stiftung)
  2. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend - Glossar: Wortergreifungsstrategie, verfasst für das Glossar der Bundeszentrale für politische Bildung im Dossier Rechtsextremismus 2010
  3. Die "Wortergreifungsstrategie" - weiterhin aktuell im baden-württembergischen Rechtsextremismus, Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg, 11/2016
  4. Mit Gewalt zur Diskussion - Die Wortergreifungsstrategie, Bell-Tower am 23. April 2008

Netzverweise

Dieser Artikel basiert auf dem Artikel Wortergreifungsstrategie von KommunalWiki, Version vom 10. Januar 2018.
Dieser Artikel basiert auf dem Artikel Wortergreifungsstrategie Wortergreifungsstrategie von Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, 2010.