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«Professor Dr. Fritz Vahrenholt, ehemaliger Umweltsenator in Hamburg, Begründer des Windradproduzenten REpower und Gründungsmitglied von RWE Innogy, dem erneuerbaren Ableger des Stromkonzerns RWE, war im Januar zu einem Vortrag vor dem englischen Unterhaus, dem House of Commons, über die deutsche Energiewende eingeladen. "Deutschlands Energiewende - ein sich anbahnendes Desaster" hatten er seinen Vortrag vor den britischen Abgeordneten genannt.
- Politische Ziele und technische Machbarkeit
- Die Bundesregierung hat 2011 den Ausstieg aus der Atomkraft beschlossen und nun steht als nächster Schritt die Dekabonisierung der deutschen Energieversorgung, also der Ausstieg aus der Kohleverstromung, auf der Agenda. Bis 2050 sollen - geht es nach der aktuellen deutschen Politik - mindestens 80 Prozent der gesamten Energieversorgung aus erneuerbaren Energien kommen.
- An diesem Ziel habe ich erhebliche Zweifel. Das sind zwar mögliche politische Ansprüche, allerdings besitzen wir zurzeit nicht die technischen Voraussetzungen, um dieses Ziel versorgungssicher zu erreichen. [...]
- Netzinstabilität
- Ich habe selbst ein Windkraftunternehmen im Jahre 2000 gegründet und groß gemacht und kenne die Technologie sehr gut. Ich wäre aber nie auf die Idee gekommen, zu glauben, dass man mit erneuerbaren Energien und ihren schwankenden Stromerträgen - alleine und ausschließlich - das gesamte Stromnetz eines Landes betreiben könnte. Dazu fehlen uns in den nächsten Jahrzehnten noch die verlässlichen Grundlagen.
- Wir haben mit der Energiewende das Pferd vom Schwanz her aufgezäumt, zuerst die Windräder gebaut, ohne zu überlegen, wo wir den Strom bei Windstille herbekommen, wenn wir zusätzlich Atomkraftwerke und Kohlekraftwerke stilllegen. Mal ist zu wenig Wind da und dann ist es wieder zu viel. Heute fehlen uns einfach die entsprechenden Speicherkapazitäten, um die Stromeinspeisung zu verstetigen. Soviel Pumpspeicher oder Batterien wie wir brauchen würden, bekommen wir in Deutschland nicht gebaut und auch nicht bezahlt.
- Ohne Speicher wird das Netz instabil, das Risiko für den Blackout steigt mit jedem zusätzlichen Windrad.[2]
- Wie kommt es zu dem Überangebot von Windenergie im Stromnetz?
- Bei Starkwind können 50.000 MW Windstrom eingespeist werden, wir brauchen aber an durchschnittlichen Tagen nicht viel mehr als 40.000 MW. Das EEG verlangt, dass erneuerbare Energien bevorzugt ins Stromnetz eingespeist werden sollen, also Einspeisevorrang haben. Die Energieversorger müssen bei einem Überangebot an Windstrom zuerst die Gas- und Kohlekraftwerke drosseln.
- Wenn das nicht ausreicht, werden auch die ersten Windparks wegen des weiter ansteigenden Überangebots vom Netz genommen. Doch die Windpark-Betreiber und Investoren erhalten auf Grund des EEG weiterhin Zahlungen, als ob sie Strom produzieren würden, obwohl sie dann nichts mehr liefern. Die Kosten dieser Zahlungen betragen mittlerweile eine Milliarde pro Jahr und steigen weiter.
- Doch bei Starkwind reichen selbst diese Maßnahmen oft nicht aus, um ein Überangebot zu verhindern. Dann verschenken wir den Strom an das Ausland, nachdem wir ihn vorher hoch subventioniert haben. Für die Windradeigner ein glänzendes Geschäft ohne unternehmerisches Risiko. Wenn das geschieht und Strompreise tatsächlich negativ werden, ist Deutschland gezwungen, seine überschüssige Energie auf die Netze der Nachbarländer zu entsorgen.
- Dieser ungewollte Stromexport beläuft sich jährlich auf circa 50 Terawattstunden (TWh), bei einer Gesamtwindenergieerzeugung von 85 TWh, so dass wir Windenergie hauptsächlich für den Export produzieren, aber dafür wenig Geld bekommen oder noch Geld bezahlen müssen, damit der Strom abgenommen wird.
- Auch die Nachbarn sind wenig begeistert, Geld für Deutschlands Abfallstrom zu erhalten, denn Polen, die Niederlande, Österreich und die Schweiz müssen dann ihre eigenen Kraftwerke herunterfahren. Im Ergebnis rentieren sich damit ihre eigenen Kraftwerksinvestitionen weniger.[2]
- Ist der Klimawandel eine Glaubensfrage?
- Wenn der Menschheit etwas unerklärbar ist, werden Schuldige gesucht. Für einen harten Winter musste es Schuldige geben: Die Hexen waren schuld. Sie kochten das Wetter mit dem Teufel. Im Mittelalter haben die ideologischen Autoritäten - damals war das die Kirche - Schuldige gesucht. Eine Ableitung musste her. Jetzt haben wir wieder so einen Fall: Die Industriegesellschaft ist Schuld am Klimawandel. Wir haben uns an der Erde versündigt. Alle Zweifler an dieser These werden als Ketzer an den Pranger gestellt, und als "Klimaskeptiker" bezeichnet. Fast wie im Mittelalter.
- Mittlerweile ist Klimawandel und seine Bekämpfung zu einem boomenden Wirtschaftszweig geworden. [...]
- Haben die Deutschen ein Rettersyndrom?
- Die Deutschen sind ein romantisches Volk, sie meinen der Welt etwas schuldig zu sein. Gutes Tun, Buße tun für die schwere Schuld im letzten Jahrhundert. Wir haben Wohlstand aus der Kohle gezogen, das Wirtschaftswunder wäre ohne Kohle nicht möglich gewesen. Dafür wollen wir einen Preis zahlen, eine Art Buße [...]
- Erneuerbare Energien sind von einem exzessiven Landverbrauch gekennzeichnet. Um die Strommenge eines typischen Kohlekraftwerks durch Windkraft zu erzeugen, wird eine Fläche von etwa 500 Quadratkilometer benötigt, das entspricht der Fläche der Stadt Hamburg. In Deutschland ist im Klimaschutzplan der Bundesregierung durchschnittlich alle 2,7 Kilometer ein Windkraftwerk geplant, obwohl wir schon heute wissen, dass Greifvögel, Fledermäuse und andere gefährdete Arten deswegen verschwinden werden. Der Rotmilan ist gefährdet. Die 26 wichtigsten Singvogelarten sind auf dem Rückzug. Die Auswirkungen auf die Lebensräume von Pflanzen und Tieren sind enorm. Harmonische Landschaften wird es bald nicht mehr geben.
- Wenn ein Kernkraftwerk so viel Natur zerstört hätte, wie es die Windenergie macht, wäre es schon längst stillgelegt worden. [...]
- Naturschutz
- Die politischen Grünen haben sich die Energiewende zum Programm gemacht, koste es, was es wolle. Sie waren in Wirklichkeit nie eine Naturschutzpartei, sondern eine antikapitalistische Partei, die sich gegen die Kernkraft und Industrie engagiert.
- Deswegen haben sie auch kein Herzblut, wenn es um Flora und Fauna geht. Es gibt Naturschutzorganisationen, die auf dieser grünen Parteilinie sind und andere, die tatsächlich Naturschutz machen. Ersteren ist die Energiewende wichtiger als der Schutz der Natur und sie sind lauter. [...]
- Gegenmaßnahmen
- Man wird irgendwann korrigieren müssen, spätestens nach den ersten Netzzusammenbrüchen und den dann folgenden Ausschreitungen. Je länger es dauert, umso grösser werden die Schwierigkeiten.
- Wenn wir in zehn oder zwanzig Jahren eine fantastische Batterie haben, die fünf Eurocent pro Kilowattstunde kostet, dann wird sich die Sache vielleicht einrenken. Das ist aber Politik nach dem Prinzip Hoffnung. Ich würde darauf keine Wette eingehen und schon gar nicht als Politiker eine Nation darauf verpflichten.» - Professor Dr. Fritz Vahrenholt[3]
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