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Sadomasochismus
Mit dem Begriff Sadomasochismus wird in der Regel eine sexuelle Devianz[wp] bezeichnet, bei der ein Mensch Lust oder Befriedigung durch die Zufügung oder das Erleben von Schmerz, Macht oder Demütigung empfindet.[1] Die Bezeichnung entsteht aus einer Zusammenziehung der beiden Begriffe Sadismus und Masochismus, die die jeweilige Ausrichtung hinsichtlich des aktiven beziehungsweise passiven Erlebens beschreiben. Unterschieden werden kann zwischen inklinierendem (lat. inclinare: sich zuwenden) beziehungsweise einvernehmlichen Sadomasochismus und nicht inklinierendem Sadomasochismus. Darüber hinaus gibt es sowohl therapeutisch als auch umgangssprachlich verschiedene Verwendungen des Begriffs, die zum Teil stark voneinander abweichen und sich vor allem durch die Frage unterscheiden, ob der Sadomasochismus eine mit anderen Vorlieben gleichberechtigte sexuelle Präferenz[wp] ist oder ob es sich grundsätzlich um eine behandlungsbedürftige Störung des Sexualverhaltens handelt.
Im Rahmen der sexualmedizinischen Diagnostik[wp] oder der Psychoanalyse[wp] wird Sadomasochismus dann als behandlungsbedürftig verstanden, wenn andere beeinträchtigt oder geschädigt werden, die sexuelle Befriedigung ohne sadomasochistische Praktiken erschwert ist oder unmöglich erscheint und bei dem Betroffenen dadurch ein entsprechender Leidensdruck entsteht.[2] Sadomasochismus ist als Teil des Formenkreises der Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen als Störung der Sexualpräferenz in der "Internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme"[wp] (ICD) unter der Schlüsselnummer F65.5[wp] gelistet.[3]
Begriffe und Abgrenzungen
Begriffsentstehung
Die Begriffe Sadismus und Masochismus wurden erstmals 1886 von Richard von Krafft-Ebing[wp] in einem wissenschaftlichen Zusammenhang in Psychopathia sexualis[wp] verwendet.[4] Er bezieht sich hierbei auf die Werke der Schriftsteller de Sade[wp], dessen Romane pornographische Inhalte mit Gewaltfantasien mischen, und Sacher-Masoch[wp], der in mehreren Werken den Lustgewinn durch Schmerz und Unterwerfung schildert.
Albert von Schrenck-Notzing[wp] führte im Jahr 1892 den Begriff der Algolagnie[wp] (Schmerzsucht) ein, der den Gesamtkomplex vermutlich erstmals in eine aktive - bezogen auf den Sadismus - und eine passive Form - bezogen auf den Masochismus - einteilte. Da Sadomasochismus aber auch ohne das Bedürfnis nach körperlichem Erleben auftreten kann, ist der Begriff Algolagnie nicht auf das gesamte Spektrum anwendbar und wird in der Diagnostik nicht verwendet.[5] Seiner Auffassung nach bilden die beiden Ausprägungen die beiden Pole innerhalb eines Gesamtkontinuums. Sowohl diese Ansicht als auch die der strikten Trennung beider Störungen sind bis heute verbreitet und werden mit der gleichen Argumentation verteidigt.[6]
Nachdem Sigmund Freud[wp] 1905 in seinen Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie Sadismus und Masochismus als aus einer fehlerhaften Entwicklung der kindlichen Psyche entstehende Krankheiten dargestellt hatte und so die weitere Beurteilung des Themas auf Jahrzehnte hinaus grundlegend beeinflusste, prägte schließlich 1913 der Wiener Psychoanalytiker Isidor Sadger[wp] in seinem Artikel Über den sado-masochistischen Komplex erstmals den zusammengesetzten Begriff "Sado-Masochismus".[7]
Umgangssprachliche Verwendung
Sadomasochismus - in allen seinen Varianten repräsentiert durch die Buchstaben SM - findet sich auch im mehrschichtigen Akronym[wp] BDSM, welches sich zusammensetzt aus Bondage & Disziplin, Dominanz & Submission, Sadismus & Masochismus. In der Umgangssprache beschreibt der Begriff Sadomasochismus, beziehungsweise die Abkürzungen Sadomaso oder SM, ohne weitere Spezifikation sexuelle Praktiken aus dem Bereich des BDSM. Häufig werden mit der Bezeichnung auch Mischformen des Sadomasochismus oder des BDSM mit verschiedenen fetischistischen Praktiken umschrieben.
Sadomasochischer Sex
Sadomasochischer Sex ist Sex und es ist unbestreitbar, dass Sex sich im Garten menschlicher Vorstellungswelt abspielt. Dort gedeihen in der fruchtbaren Erde die Fantasien von sexueller Unterwerfung und erotischer Ergebenheit wie exotische Blumen, deren Wurzeln sich um die Libido schlingen und das Herz erreichen. Ungezählte Ranken, stark wie Leder und zart wie Spitze, winden sich den wartenden und wollenden Körper hinab vom Geist zum Herzen, bis an die geheime Pforte. Wie ein Schlüssel lenkt der Geist sie ins Schloss, und das Schloss fällt zu Boden. Die Pforte schwingt auf und gibt den Blick frei auf die von ihr geschützte delikate Öffnung und zarte rosa Blütenblätter. Glitzernd von süßem Nektar entfalten sich die lockenden Blüten und lassen ahnen, welch beispiellose Freuden in ihrem Inneren warten.
Romantischer SM macht emotionale Höhenflüge möglich, bei denen ohne Schuld oder Schaden in sexuellen Fantasien geschwelgt werden darf. SM kann transzendental und mystisch sein - eine körperlich-geistige Begegnung zweier Menschen, verbunden in einer erhabenen sexuellen Erfahrung. Lustvoll submissives Verhalten kann eine Art sein, Bedürnisse befriedigt zu bekommen und Spaß zu haben. In einer arrangierten SM-Szene können Top und Bottom Dinge tun, die in einem alltäglichen Umfeld so nicht möglich wären. Eine fürsorgliche Mutter kann in einer SM-Inszenierung das Sextier aus sich rauslassen, die Amazone darf zum Klammeräffchen, die prüde Lehrerin zur nimmersatten Schlampe werden. Im SM werden die Zaghaften herrisch, die Tugendhaften hedonistisch und die Stillen aggressiv. Dabei soll niemals vergessen werden, was diese gespielten Charakterzüge sind: etwas Verspieltes, ein So-tun-als-ob, vergleichbar mit einem Spielzeug, das man zur Seite legt, wenn man sich wieder in den Mantel des Erwachsenenseins und seiner Pflichten kleidet. Die SM-Inszenierung ist dazu da, eine Zeit in einer ausgedachten, spielerischen Welt zu verbringen, die man sich mit seinem Partner erschaffen hat.
Verbreitung
Wie bei vielen Studien über menschliches Sexualverhalten[wp] und sexuelle Phantasien sind nicht alle verfügbaren Untersuchungen zuverlässig wissenschaftlich fundiert, teilweise sind die Untersuchungen veraltet. Neuere Untersuchungen zum Thema Verbreitung von sadomasochistischen Fantasien und Praktiken schwanken erheblich in der Bandbreite ihrer Ergebnisse, hierbei wird Sadomasochismus in der Regel unter dem Begriff BDSM subsumiert und nicht mehr isoliert betrachtet. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die überwiegende Mehrheit der Autoren davon ausgeht, dass zwischen 5 und 25 Prozent der Bevölkerung regelmäßig Sexualpraktiken ausüben, die mit der Lust an Schmerzen, beziehungsweise mit Macht und Ohnmacht in Verbindung stehen. Der Bevölkerungsanteil mit entsprechenden Fantasien wird regelmäßig höher beziffert.[8]
Einzelnachweise
- ↑ Wolfgang Frank: Psychiatrie. Elsevier, 2007, ISBN 3-437-42601-X, S. 185.
- ↑ Brigitte Vetter: Sexualität: Störungen, Abweichungen, Transsexualität. Schattauer Verlag, 2007, ISBN 3-7945-2463-2, S. 233 und 237.
- ↑ Originaltext des ICD-10-GM 2007 F65.0
- ↑ Zu der Entwicklung des theoretischen Konstrukts "Perversion" durch Krafft-Ebing und dessen Bezug zu diesen Begriffen, vgl. Andrea Beckmann: Deconstructing Myths. In: Journal of Criminal Justice and Popular Culture. 8(2) (2001), S. 66-95.
- ↑ Brigitte Vetter: Sexualität: Störungen, Abweichungen, Transsexualität. Schattauer Verlag, 2007, ISBN 3-7945-2463-2, S. 231.
- ↑ Peter Fiedler: Sexuelle Orientierung und sexuelle Abweichung: Heterosexualität- Homosexualität- Transgenderismus und Paraphilien. BeltzPVU, 2004, Kapitel 8.2.1, ISBN 3-621-27517-7, S. 248 ff..
- ↑ Isaak Sadger: Über den sado-masochistischen Komplex. In: Jahrbuch für psychoanalytische und psychopathologische Forschungen. Band 5, 1913, S. 157-232.
- ↑ Eine entsprechende ausführliche Sammlung unterschiedlichster wissenschaftlicher Studien findet sich unter Datenschlag: Nackte Fakten - Statistik für Zahlenfetischisten.[ext]
Querverweise
Netzverweise
- Wikipedia führt einen Artikel über Sadomasochismus
- Wikipedia führt einen Artikel über Marquis de Sade, ein französischer Schriftsteller aus dem 18. Jahrhundert, der den Begriff Sadismus prägte.