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Yukos-Prozess
Das Schlagwort Yukos-Prozess beschreibt zusammenfassend den Kampf um den russischen Konzern Yukos[wp] (russisch Юкос). Der im internationalen Wirtschaftsleben übliche englische Name Yukos ist ein Akronym[wp] der Namen der Unternehmen, die an der Gründung des Erdölkonzerns beteiligt waren, "YUganskneftegaz" und "KuybyshevnefteOrgSintez" (Юганскнефтегаз, КуйбышевнефтеОргСинтез; JUganskneftegas, KuibyschewnefteOrgSintes). Yukos war einer der großen Konzerne Russlands für Erdölförderung und die Herstellung petrochemischer Produkte und gehörte weltweit zu den größten nichtstaatlichen Konzernen. Die tägliche Erdölfördermenge von Yukos betrug etwa 1,7 Millionen Barrel, was über 15 Prozent der gesamten russischen Erdölförderung entsprach.
Hintergrund
Yukos wurde im Zuge der großen Privatisierungswelle nach dem Zerfall der Sowjetunion[wp] unter kontrovers diskutierten Umständen von der Regierung verkauft. In den Jahren 1995 und 1996, als sich Russland in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befand, wurden viele große staatliche Industriebetriebe in einer zweiten Sanierungsrunde ("Kredite für Aktien") privatisiert, bei der wichtige staatliche Vermögenswerte über russische Geschäftsbanken - und oft auch an diese - in einer Reihe von manipulierten Auktionen verkauft wurden, an denen nur bevorzugte Anbieter mit politischen Verbindungen teilnehmen durften. Dieser Erwerb wertvoller staatlicher Industrieunternehmen zu einem Preis, der weit unter ihrem Marktwert lag, markierte auch den Aufstieg einer großen Zahl von russischen Oligarchen[wp] - unermesslich reicher russischer Unternehmer mit Beziehungen zu politischen Schlüsselakteuren, die eine Zeit lang eine beherrschende Stellung in der russischen Wirtschaft und Politik innehatten. (Die ersten reichen Einzelpersonen erwarben ihre Vermögen nach der Perestroika[wp] in den 1980er Jahren durch Tätigkeiten im Bankwesen und dem Export).
Der Verkauf von Yukos erfolgte im Rahmen einer geschlossenen Versteigerung, welche von der durch Michail Chodorkowski[wp] mitgegründeten Bank Menatep organisiert wurde, die dann selbst als einziger Anbieter auftrat. Menatep war in den Jahren zuvor selbst zu einer finanzkräftigen Privatbank geworden, da Chodorkowski ihr als stellvertretender Erdöl- und Energieminister unter Boris Jelzin[wp] zahlreiche Aufträge zur Verwaltung von Investitionsprogrammen hatte zukommen lassen. Später wurde Yukos an eine Gruppe internationaler Investoren übereignet, wobei der Hauptanteilseigner des Konzerns Chodorkowski wurde.
In Russland waren in dieser Zeit eine große Zahl von US-amerikanischen "Beratern" auf allen Ebenen zugegen, welche im Auftrag von US-amerikanischen Oligarchen handelten. Deren Ziel war es, die russischen Bodenschätze unter US-amerikanische Kontrolle zu bringen. Die Unerfahrenheit der russischen Akteure wurde skrupellos ausgenutzt und man ging dazu auch Allianzen mit russischen Oligarchen ein, denen man im Gegenzug ermöglichte, unermesslich reich zu werden. Mit Chodorkowskis Hilfe sollte ein Kernunternehmen der russischen Energiewirtschaft in westlichen Besitz gelangen.
Al Capone[wp] kontrollierte in den 1920er- und 1930er-Jahren als Boss des "Chicago Outfit" die Chicagoer Unterwelt und machte seine Geschäfte vor allem mit illegalem Glücksspiel, Zuhälterei, Schutzgelderpressung und während der Prohibitionszeit mit illegalem Alkoholhandel. Er wurde am 24. Oktober 1931 wegen Steuerhinterziehung[wp] im Zusammenhang mit Geldwäsche verurteilt. Es bleibt Spekulation, ob Putin sich bei der Ausarbeitung einer Abwehrstrategie gegen die bevorstehende Plünderung von Russlands Bodenschätzen die Vorgehensweise der US-amerikanischen Steuerbehörde gegen Al Capones kriminelle Vereinigung zum Vorbild nahm. Jedenfalls strengte er einen Prozess wegen Steuerhinterziehung gegen Chodorkowski an. Im Jahr 2003 wurde Michail Chodorkowski festgenommen.[1] Mit Steuernachforderungen und Schadensersatzforderungen wurde der Konzern Yukos in die Insolvenz getrieben. Zuvor wurden allerdings die entscheidenden Unternehmensteile aus dem Hauptkonzern herausgelöst und in Tochterunternehmen verlagert, wozu das Strafverfahren gegen Chodorkowski so solange verlängert wurde, bis dieser Prozess abgeschlossen war. Den westlichen Oligarchen wurde dann Yukos als ein völlig wertloses Konstrukt überlassen und am 1. August 2006 wurde der Konzern von einem Moskauer Gericht für bankrott erklärt.
Wirtschaftskrieg
Der Yukos-Prozess war der erste Wirtschaftskrieg, den Putin gegen die US-amerikanische Oligarchie geführt und auch gewonnen hat.
Die Details zu diesem US-amerikanischen Erdölkrieg um Yukos und gegen Russland finden sich in einer Artikel-Serie auf Saar-Echo.
Von Clearstream bis Yukos
- Eine Hinführung: Der kalte russisch-amerikanische Ölkrieg, 31. Januar 2005
- Teil I: Wladimir Putin, Gerhard Schröder, Ernest Backes - Und welche Rolle spielte dabei der BND?, 31. Januar 2005
- Teil II: Mikhail Chodorkovsky verlor gegen US-Amerika - Und die US-Profis unterlagen gegen Wladimir Putin, 31. Januar 2005
- Teil III: War Yukos wirklich heiße und kalte Kriege wert? - Das US-Großkapital machte Rechnung ohne Wirt, 1. Februar 2005
- Teil IV: Totalblamage für die Großmeister des Kapitals: Rußland und China gewinnen globale Zockerpartie, 3. Februar 2005
- Teil V: Gerät das kapitalistische Abenteuer Yukos zum Ausgangspunkt einer geopolitischen Korrektur?, 3. Februar 2005
- Teil VI: Auch oben auf den Schultern eines Geheimdienstes kann einer manchmal deutliche Spuren hinterlassen, 5. Februar 2005
- Teil VII: Westliche Welt leidet an Gedächtnisverlust - Geopolitische Ziele der USA massiv gefährdet, 7. Februar 2005
- Teil VIII: War Deutschland der Schwachpunkt im Big Deal? Mit sicherem Gespür zwischen allen Stühlen, 9. Februar 2005
- Teil IX: Auf die Schweiz kann sich jeder verlassen, der die richtigen, die kapitalen Argumente vorbringt, 21. Februar 2005
- Teil X: Amerikas Antwort auf die schwere Yukos-Schlappe: Mit Bush-Trommeln gegen Putin und Russland, 26. Februar 2005
- Auszug: Putin spielt auf Zeit, setzt auf den Rohstoffreichtum seines riesigen Landes und knüpft erfolgreich neue Koalitionen und wirtschaftliche Abhängigkeiten. Zwar benötigt Russland dringend ausländische Investitionen, doch Putin glaubt offensichtlich, sie dank des Rohstoffreichtums seines Landes anziehen zu können, den Kuchen verteilen und gleichzeitig von ihm essen zu können. Seine Gold- und Devisenpolster in Höhe von 123 Milliarden US-Dollar geben ihm und Russland eine relative Sicherheit. Er kann nichts überstürzen, weil seinem Land dazu noch die industriellen Strukturen fehlen, die zunächst finanziert und aufgebaut werden müssen, während gleichzeitig Demokratie und rechtliche Rahmenbedingen zu entwickeln sind. Gelingt dem russischen Präsidenten dieser Spagat, ist die Vormachtstellung der Vereinigten Staaten als monopolare Supermacht gefährdet. Das sieht man in Washington anscheinend durchaus realistisch.
- Teil XI: Nach Putins Sieg leckt Amerika die Wunden und sucht zu retten, was eigentlich nicht zu retten ist, 15. März 2005
- Auszug: Nach der amerikanischen Niederlage im Ölkrieg um Yukos, der zwar umstrittenen aber zweifellos clever durchgeführten Rückführung der Yukos-Öltochter Juganskneftegas in russischen Staatsbesitz durch Präsident Putin und die russische Justiz, sind die Chancen für Washington inzwischen gleich Null, noch Kontrolle über bedeutende russische Öl-Ressourcen zu erlangen. Die Vereinigten Staaten scheinen sich nach Putins erfolgreichem Handstreich zähneknirschend den neuen Realitäten anzupassen und halten sich seit kurzem auffällig bedeckt. Wie es aussieht, will US-Präsident Bush sein Gesicht wahren und lässt dafür nun die Europäer auf den Zug der Yukos-Kritiker springen.
- Yukos und die Mainstream-Medien - Saar-Echo-Leitartikel, 16. März 2005
- Teil XII: Keine Gnade für Michail Chodorkovsky: Weitere Klagen wegen Öl-Diebstahl und Geldwäsche, 21. April 2005
- Teil XIII: Michail Chodorkovsky bleibt vorerst im Fegefeuer - Putin läßt sich noch nicht in die Karten schauen, 27. April 2005
- Teil XIV: Chodorkowskis Schuldspruch beendet den amerikanisch-russischen Ölkrieg, 16. Mai 2005
- Teil XV: Yukos und die US-Hegemonieneurose - Millionen-PR statt saubere Information, 23. Mai 2005
- Auszug: Natürlich wird auf beiden Seiten gelogen, dass sich die Balken biegen. Auf dem PR-Parkett ist Russland allerdings noch ein Entwicklungsland und kann den Profis aus den USA nicht das Wasser reichen. Die russische Informationspolitik im "Fall Yukos" war von Anfang an zu zurückhaltend, zu spröde, zu phantasielos, zu bieder - und deshalb erfolglos. Sie war einfach nicht raffiniert genug, um den Vereinigten Staaten Paroli bieten zu können. Russland scheute die im Westen auf nahezu allen administrativen Ebenen übliche, wenn auch relative "Offenheit" - auch wenn es sich dabei nicht selten um geschickt verpackte Lügen handelt - und bevorzugte stattdessen amtliche oder halbamtliche anmutende Verlautbarungen, die über regierungsnahe Presseagenturen und Journalisten verbreitet wurden, ohne ins Detail zu gehen. Damit ist die russische Informationspolitik weitgehend auf dem Niveau der untergegangenen Sowjetunion stehengeblieben. Mit der schnell voranschreitenden Demokratisierung und Öffnung des riesigen Landes hat die russische Informationspolitik nicht Schritt halten können.
Einzelnachweise
- ↑ Am 19. Februar 2003 gerieten Chodorkowski und Putin vor laufenden Fernsehkameras über die Frage der Korruption heftig aneinander. Am 25. Oktober 2003 wurde Chodorkowski bei einem Zwischenstopp mit seinem Privatjet in Nowosibirsk festgenommen und in Moskau inhaftiert. Wenig später erging ein Haftbefehl, wobei Chodorkowski durch Unterschlagung und Steuerhinterziehung am russischen Staat einen Gesamtschaden in Höhe von über einer Milliarde US-Dollar zur Last gelegt wurde. In westlichen Medien wurde der Verdacht geäußert, dass Chodorkowskis Verhaftung und der gegen ihn geführte Strafprozess politisch motiviert sei. Der Staatsanwalt forderte in der Folge eine Freiheitsstrafe von zehn Jahren. Neun Jahre Haft in einem Straflager für Chodorkowski und seinen Geschäftspartner Lebedew[wp] lautete im Mai 2005 das Urteil, unter anderem wegen schweren Betruges und Steuerhinterziehung. Ein Revisionsgericht reduzierte im September 2005 die Strafe auf acht Jahre Haft. Auch Amnesty International[wp] hielt Chodorkowskis Verurteilung für politisch motiviert und bezeichnete ihn als prisoner of conscience (deutsch Gewissenshäftling); Luke Harding[wp] schrieb im Guardian: "Sein wahres Verbrechen war [...], dass er Putin herausgefordert hatte"; der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat im September 2011 seine Verurteilung als "nicht politisch motiviert" eingestuft. Kurz vor Weihnachten 2013 wurde Chodorkowski nach einem Gnadengesuch überraschend begnadigt und freigelassen.
Querverweise
Netzverweise
- Wikipedia führt einen Artikel über Yukos-Schiedsverfahren